Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 3. Tit. wird deswegen läugnen, daß das von dem Lehnsherrn er-wiesene Gewohnheitsrecht auch mit auf denselben anzu- wenden sey, da bey demselben der nämliche Grund, daß auch der Witwer keine persona in investitura compre- hensa ist, statt findet? Jedoch darf auch hier nicht aus der Acht gelassen werden, was wir oben von der Rechts- analogie überhaupt bemerkt haben, (S. 256 u. folg.) und ich widerstreite gar nicht, daß Gewohnheiten, die exorbi- tant sind, und besondere Rechte (iura singularia) zum Gegenstand haben, billig zu restringiren, und daher in streitigen Fällen nicht analogisch, sondern specifice zu erweisen sind 30). Zum Beweiß einer streitigen Gewohnheit ist jedoch ange- 30) Dergleichen Fälle findet man beym I. H. boehmer Iur. Eccl. Protest. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. S. 236. ferner in den gemeinnützigen jurist. Beobachtungen und Rechtsfällen von Gmelin und Elsässer. IV. Band N. VII. S. 86. u. folgg. 31) kemmerich cit. Diss. Sect. II. §. X. S. 69.
1. Buch. 3. Tit. wird deswegen laͤugnen, daß das von dem Lehnsherrn er-wieſene Gewohnheitsrecht auch mit auf denſelben anzu- wenden ſey, da bey demſelben der naͤmliche Grund, daß auch der Witwer keine perſona in inveſtitura compre- henſa iſt, ſtatt findet? Jedoch darf auch hier nicht aus der Acht gelaſſen werden, was wir oben von der Rechts- analogie uͤberhaupt bemerkt haben, (S. 256 u. folg.) und ich widerſtreite gar nicht, daß Gewohnheiten, die exorbi- tant ſind, und beſondere Rechte (iura ſingularia) zum Gegenſtand haben, billig zu reſtringiren, und daher in ſtreitigen Faͤllen nicht analogiſch, ſondern ſpecifice zu erweiſen ſind 30). Zum Beweiß einer ſtreitigen Gewohnheit iſt jedoch ange- 30) Dergleichen Faͤlle findet man beym I. H. boehmer Iur. Eccl. Proteſt. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. S. 236. ferner in den gemeinnuͤtzigen juriſt. Beobachtungen und Rechtsfaͤllen von Gmelin und Elſaͤſſer. IV. Band N. VII. S. 86. u. folgg. 31) kemmerich cit. Diſſ. Sect. II. §. X. S. 69.
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1. Buch. 3. Tit.
wird deswegen laͤugnen, daß das von dem Lehnsherrn er-
wieſene Gewohnheitsrecht auch mit auf denſelben anzu-
wenden ſey, da bey demſelben der naͤmliche Grund, daß
auch der Witwer keine perſona in inveſtitura compre-
henſa iſt, ſtatt findet? Jedoch darf auch hier nicht aus
der Acht gelaſſen werden, was wir oben von der Rechts-
analogie uͤberhaupt bemerkt haben, (S. 256 u. folg.) und
ich widerſtreite gar nicht, daß Gewohnheiten, die exorbi-
tant ſind, und beſondere Rechte (iura ſingularia) zum
Gegenſtand haben, billig zu reſtringiren, und daher in
ſtreitigen Faͤllen nicht analogiſch, ſondern ſpecifice zu
erweiſen ſind 30).
Zum Beweiß einer ſtreitigen Gewohnheit iſt jedoch
nicht genug, mehrere gleichartige Faͤlle angegeben zu ha-
ben, ſondern es muß auch erwieſen werden, daß ſie die
zur Einfuͤhrung einer rechtlichen Gewohn-
heit erforderliche Eigenſchaften haben, in ſo-
fern ſelbige nicht etwa vermuthet werden koͤnnen. So
z. B. bedarf die Eigenſchaft der Vernunftmaͤſigkeit
keines Beweißes, ſondern dieſe wird bey einem erwieſenen
Gewohnheitsrechte in Zweifel vermuthet, bis das Gegen-
theil dargethan iſt 31). Dahingegen aber muß 1) be-
wieſen werden, daß die angefuͤhrten Handlungen, wo-
durch die Gewohnheit ſoll begruͤndet worden ſeyn, oͤffent-
lich und in der Meinung einer moraliſchen Noth-
wendigkeit ſind unternommen worden, inſofern nicht
etwa dieſe Eigenſchaften ſich ſchon aus der Natur der
ange-
30) Dergleichen Faͤlle findet man beym I. H. boehmer Iur.
Eccl. Proteſt. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. S. 236. ferner in
den gemeinnuͤtzigen juriſt. Beobachtungen und Rechtsfaͤllen von
Gmelin und Elſaͤſſer. IV. Band N. VII. S. 86. u. folgg.
31) kemmerich cit. Diſſ. Sect. II. §. X. S. 69.
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