Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Constitutionibus Principum. Privilegien waren also ursprünglich blos persönlich, eswaren Gesetze, wodurch in Ansehung eines einzelnen Bürgers etwas ausserordentliches verfügt wurde. In dieser Bedeutung waren Privilegien nach den zwölf Ta- felgesetzen verboten 14); denn in einem Freystaat, wo Gleichheit unter den Bürgern erhalten werden muß, schien es eben so unschicklich zu seyn, einzelne Bürger durch Vorzüge und Freyheiten über die andern zu erhe- ben, als Angeschuldigte ohne genugsame Ueberzeugung und 14) Die Gesetze der zwölf Tafeln verordnen, privilegia ne irro- ganto. Cicero führt das Gesetz mehr als einmahl an, man vergleiche Orat. pro Domo c. 17. pro Sextio. c. 30. de Legi- bus c. 4. u. c. 19. Jedoch sind die Ausleger über den Sinn dieser Sanction nicht einig. Das Wort irrogare wird zwar eigentlich bey den römischen Classikern der freyen Re- publik in der Bedeutung genommen, daß es so viel heißt, als populum lege rogare, ut aliquid iubeat, quod ad alterius in- commodum pertinet. Z. B. multam irrogare cic. pro Domo c. 22. ernesti Clavi Ciceron. voce irrogare. Da- her haben nicht wenige geglaubt, daß das Gesetz der XII. Ta- feln blos von nachtheiligen Privilegien rede. S. Marci- lius in Collect. et Interpret. leg. XII. Tab. p. 296. Rit- tershus Dodecadelto s. Comment. ad XII. Tabb. LL. Class. H. c. 2. Noodt Commentar. Digestor. ad Tit. de Legibus T. II. Opp. pag. 11. u. a. m. Allein andere verste- hen jenes Gesetz ganz allgemein von allen Privilegien, und diese Meinung kommt mit der Beschaffenheit einer republika- nischen Staatsverfassung allerdings besser überein; und be- kommt durch die Stelle des Cicero de LL. Lib. III. c. 19. ein nicht geringes Gewicht. S. Rävard lib. sing. de LL. XII. Tab. cap. 2. Gothofred Not. ad Tab. IX. pag. 229. IV. Font. iur. civ. denen auch Gebauer a. a. O. §. 6. u. 7. beypflichtet. Diese erklären sich das Wort irrogare durch inducere in rempublicam, rogando populum; wie Ge- bauer §. 8. der angef. Diss. sagt. L l 5
de Conſtitutionibus Principum. Privilegien waren alſo urſpruͤnglich blos perſoͤnlich, eswaren Geſetze, wodurch in Anſehung eines einzelnen Buͤrgers etwas auſſerordentliches verfuͤgt wurde. In dieſer Bedeutung waren Privilegien nach den zwoͤlf Ta- felgeſetzen verboten 14); denn in einem Freyſtaat, wo Gleichheit unter den Buͤrgern erhalten werden muß, ſchien es eben ſo unſchicklich zu ſeyn, einzelne Buͤrger durch Vorzuͤge und Freyheiten uͤber die andern zu erhe- ben, als Angeſchuldigte ohne genugſame Ueberzeugung und 14) Die Geſetze der zwoͤlf Tafeln verordnen, privilegia ne irro- ganto. Cicero fuͤhrt das Geſetz mehr als einmahl an, man vergleiche Orat. pro Domo c. 17. pro Sextio. c. 30. de Legi- bus c. 4. u. c. 19. Jedoch ſind die Ausleger uͤber den Sinn dieſer Sanction nicht einig. Das Wort irrogare wird zwar eigentlich bey den roͤmiſchen Claſſikern der freyen Re- publik in der Bedeutung genommen, daß es ſo viel heißt, als populum lege rogare, ut aliquid iubeat, quod ad alterius in- commodum pertinet. Z. B. multam irrogare cic. pro Domo c. 22. ernesti Clavi Ciceron. voce irrogare. Da- her haben nicht wenige geglaubt, daß das Geſetz der XII. Ta- feln blos von nachtheiligen Privilegien rede. S. Marci- lius in Collect. et Interpret. leg. XII. Tab. p. 296. Rit- tershus Dodecadelto ſ. Comment. ad XII. Tabb. LL. Claſſ. H. c. 2. Noodt Commentar. Digeſtor. ad Tit. de Legibus T. II. Opp. pag. 11. u. a. m. Allein andere verſte- hen jenes Geſetz ganz allgemein von allen Privilegien, und dieſe Meinung kommt mit der Beſchaffenheit einer republika- niſchen Staatsverfaſſung allerdings beſſer uͤberein; und be- kommt durch die Stelle des Cicero de LL. Lib. III. c. 19. ein nicht geringes Gewicht. S. Raͤvard lib. ſing. de LL. XII. Tab. cap. 2. Gothofred Not. ad Tab. IX. pag. 229. IV. Font. iur. civ. denen auch Gebauer a. a. O. §. 6. u. 7. beypflichtet. Dieſe erklaͤren ſich das Wort irrogare durch inducere in rempublicam, rogando populum; wie Ge- bauer §. 8. der angef. Diſſ. ſagt. L l 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0555" n="535"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Conſtitutionibus Principum.</hi></fw><lb/> Privilegien waren alſo urſpruͤnglich blos perſoͤnlich, es<lb/> waren Geſetze, wodurch in Anſehung eines einzelnen<lb/> Buͤrgers etwas auſſerordentliches verfuͤgt wurde. In<lb/> dieſer Bedeutung waren Privilegien nach den zwoͤlf Ta-<lb/> felgeſetzen verboten <note place="foot" n="14)">Die Geſetze der zwoͤlf Tafeln verordnen, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">privilegia ne irro-<lb/> ganto.</hi></hi> <hi rendition="#g">Cicero</hi> fuͤhrt das Geſetz mehr als einmahl an, man<lb/> vergleiche <hi rendition="#aq">Orat. <hi rendition="#i">pro Domo</hi> c. 17. <hi rendition="#i">pro Sextio</hi>. c. 30. <hi rendition="#i">de Legi-<lb/> bus</hi> c.</hi> 4. u. <hi rendition="#aq">c.</hi> 19. Jedoch ſind die Ausleger uͤber den Sinn<lb/> dieſer Sanction nicht einig. Das Wort <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">irrogare</hi></hi> wird<lb/> zwar eigentlich bey den roͤmiſchen Claſſikern der freyen Re-<lb/> publik in der Bedeutung genommen, daß es ſo viel heißt, als<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">populum lege rogare, ut aliquid iubeat, quod ad alterius in-<lb/> commodum pertinet.</hi></hi> Z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">multam irrogare</hi><hi rendition="#k">cic</hi>. <hi rendition="#i">pro<lb/> Domo</hi> c. 22. <hi rendition="#k">ernesti</hi> Clavi Ciceron. voce <hi rendition="#i">irrogare</hi>.</hi> Da-<lb/> her haben nicht wenige geglaubt, daß das Geſetz der <hi rendition="#aq">XII.</hi> Ta-<lb/> feln blos von nachtheiligen Privilegien rede. S. <hi rendition="#g">Marci-<lb/> lius</hi> <hi rendition="#aq">in Collect. et Interpret. leg. XII. Tab. p.</hi> 296. <hi rendition="#g">Rit-<lb/> tershus</hi> <hi rendition="#aq">Dodecadelto ſ. Comment. ad XII. Tabb. LL.<lb/> Claſſ. H. c.</hi> 2. <hi rendition="#g">Noodt</hi> <hi rendition="#aq">Commentar. Digeſtor. ad Tit. <hi rendition="#i">de<lb/> Legibus</hi> T. II. Opp. pag.</hi> 11. u. a. m. Allein andere verſte-<lb/> hen jenes Geſetz ganz allgemein von allen Privilegien, und<lb/> dieſe Meinung kommt mit der Beſchaffenheit einer republika-<lb/> niſchen Staatsverfaſſung allerdings beſſer uͤberein; und be-<lb/> kommt durch die Stelle des <hi rendition="#g">Cicero</hi> <hi rendition="#aq">de LL. Lib. III. c.</hi> 19.<lb/> ein nicht geringes Gewicht. S. <hi rendition="#g">Raͤvard</hi> <hi rendition="#aq">lib. ſing. de LL.<lb/> XII. Tab. cap.</hi> 2. <hi rendition="#g">Gothofred</hi> <hi rendition="#aq">Not. ad Tab. IX. pag. 229.<lb/><hi rendition="#i">IV. Font. iur. civ</hi>.</hi> denen auch <hi rendition="#g">Gebauer</hi> a. a. O. §. 6.<lb/> u. 7. beypflichtet. Dieſe erklaͤren ſich das Wort <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">irrogare</hi></hi><lb/> durch <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">inducere in rempublicam, rogando populum;</hi></hi> wie <hi rendition="#g">Ge-<lb/> bauer</hi> §. 8. der angef. <hi rendition="#aq">Diſſ.</hi> ſagt.</note>; denn in einem Freyſtaat, wo<lb/><hi rendition="#g">Gleichheit</hi> unter den Buͤrgern erhalten werden muß,<lb/> ſchien es eben ſo unſchicklich zu ſeyn, einzelne Buͤrger<lb/> durch Vorzuͤge und Freyheiten uͤber die andern zu erhe-<lb/> ben, als Angeſchuldigte ohne genugſame Ueberzeugung<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L l 5</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [535/0555]
de Conſtitutionibus Principum.
Privilegien waren alſo urſpruͤnglich blos perſoͤnlich, es
waren Geſetze, wodurch in Anſehung eines einzelnen
Buͤrgers etwas auſſerordentliches verfuͤgt wurde. In
dieſer Bedeutung waren Privilegien nach den zwoͤlf Ta-
felgeſetzen verboten 14); denn in einem Freyſtaat, wo
Gleichheit unter den Buͤrgern erhalten werden muß,
ſchien es eben ſo unſchicklich zu ſeyn, einzelne Buͤrger
durch Vorzuͤge und Freyheiten uͤber die andern zu erhe-
ben, als Angeſchuldigte ohne genugſame Ueberzeugung
und
14) Die Geſetze der zwoͤlf Tafeln verordnen, privilegia ne irro-
ganto. Cicero fuͤhrt das Geſetz mehr als einmahl an, man
vergleiche Orat. pro Domo c. 17. pro Sextio. c. 30. de Legi-
bus c. 4. u. c. 19. Jedoch ſind die Ausleger uͤber den Sinn
dieſer Sanction nicht einig. Das Wort irrogare wird
zwar eigentlich bey den roͤmiſchen Claſſikern der freyen Re-
publik in der Bedeutung genommen, daß es ſo viel heißt, als
populum lege rogare, ut aliquid iubeat, quod ad alterius in-
commodum pertinet. Z. B. multam irrogare cic. pro
Domo c. 22. ernesti Clavi Ciceron. voce irrogare. Da-
her haben nicht wenige geglaubt, daß das Geſetz der XII. Ta-
feln blos von nachtheiligen Privilegien rede. S. Marci-
lius in Collect. et Interpret. leg. XII. Tab. p. 296. Rit-
tershus Dodecadelto ſ. Comment. ad XII. Tabb. LL.
Claſſ. H. c. 2. Noodt Commentar. Digeſtor. ad Tit. de
Legibus T. II. Opp. pag. 11. u. a. m. Allein andere verſte-
hen jenes Geſetz ganz allgemein von allen Privilegien, und
dieſe Meinung kommt mit der Beſchaffenheit einer republika-
niſchen Staatsverfaſſung allerdings beſſer uͤberein; und be-
kommt durch die Stelle des Cicero de LL. Lib. III. c. 19.
ein nicht geringes Gewicht. S. Raͤvard lib. ſing. de LL.
XII. Tab. cap. 2. Gothofred Not. ad Tab. IX. pag. 229.
IV. Font. iur. civ. denen auch Gebauer a. a. O. §. 6.
u. 7. beypflichtet. Dieſe erklaͤren ſich das Wort irrogare
durch inducere in rempublicam, rogando populum; wie Ge-
bauer §. 8. der angef. Diſſ. ſagt.
L l 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |