Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. lungen, überhaupt alle Handlungen, welche Religion undGottesdienst betreffen, oder, wenn wie nach christlichen Re- ligionsbegriffen davon reden, Handlungen, welche sich auf die christliche Religion beziehen. Solche Religionshandlungen können nun, wenn wir auf die persönliche Verhältnisse der Got- tesverehrer sehen, entweder Handlungen einzelner Menschen, oder Kirchliche Handlungen seyn. Letz- tere sind das Resultat einer eigentlichen Religionsübung, und setzen eine Religionsgesellschaft, das ist, Vereinigung mehrerer, zur Gottesverehrung, nach gemeinschaftlich anerkannten Grundsätzen, unter Dazwischenkunft eines geordneten und berufenen Geistlichen, voraus. Ohne ei- ne solche Dazwischenkunft und gesellschaftliche Vereinigung bleiben Religionshandlungen nur Handlungen einzelner Menschen. Diese können kein Gegenstand der gesezge- benden Gewalt seyn. Denn an sich ist Religion Sache eines jeden einzelnen Menschen. Sie ist das Resultat des in dem Verhältniß gegen die Gottheit denkenden und empfindenden Menschen, des in jedem Menschen freyen und selbstthätigen individuellen Gewissens. In diesem Ver- hältniß, in dieser Sphäre der Religion und des Gewis- sens giebt es kein Recht, keine Gewalt, die ein Mensch über den andern auszuüben hätte 16). Von eines jeden einzelnen Menschen Ueberzeugung hängt es daher ab, ob er diese oder jene Begriffe von Gott für wahr und rich- tig halte, und nach seiner Ueberzeugung hat er die Be- fugniß und Pflicht, Gott auf diejenige Art und Weise zu verehren, die er nach seinen Begriffen von dem Höchsten Wesen, für einzig angemessen den Vollkommenheiten des- selben hält. Deswegen stehet er bloß vor seinem Gewissen und dessen Richter zur Verantwortung. Niemanden an- ders 16) S. Maiers teutsches geistl. Staatsrecht in der
Einleitung §. 2. und 3. 1. Buch. 1. Tit. lungen, uͤberhaupt alle Handlungen, welche Religion undGottesdienſt betreffen, oder, wenn wie nach chriſtlichen Re- ligionsbegriffen davon reden, Handlungen, welche ſich auf die chriſtliche Religion beziehen. Solche Religionshandlungen koͤnnen nun, wenn wir auf die perſoͤnliche Verhaͤltniſſe der Got- tesverehrer ſehen, entweder Handlungen einzelner Menſchen, oder Kirchliche Handlungen ſeyn. Letz- tere ſind das Reſultat einer eigentlichen Religionsuͤbung, und ſetzen eine Religionsgeſellſchaft, das iſt, Vereinigung mehrerer, zur Gottesverehrung, nach gemeinſchaftlich anerkannten Grundſaͤtzen, unter Dazwiſchenkunft eines geordneten und berufenen Geiſtlichen, voraus. Ohne ei- ne ſolche Dazwiſchenkunft und geſellſchaftliche Vereinigung bleiben Religionshandlungen nur Handlungen einzelner Menſchen. Dieſe koͤnnen kein Gegenſtand der geſezge- benden Gewalt ſeyn. Denn an ſich iſt Religion Sache eines jeden einzelnen Menſchen. Sie iſt das Reſultat des in dem Verhaͤltniß gegen die Gottheit denkenden und empfindenden Menſchen, des in jedem Menſchen freyen und ſelbſtthaͤtigen individuellen Gewiſſens. In dieſem Ver- haͤltniß, in dieſer Sphaͤre der Religion und des Gewiſ- ſens giebt es kein Recht, keine Gewalt, die ein Menſch uͤber den andern auszuuͤben haͤtte 16). Von eines jeden einzelnen Menſchen Ueberzeugung haͤngt es daher ab, ob er dieſe oder jene Begriffe von Gott fuͤr wahr und rich- tig halte, und nach ſeiner Ueberzeugung hat er die Be- fugniß und Pflicht, Gott auf diejenige Art und Weiſe zu verehren, die er nach ſeinen Begriffen von dem Hoͤchſten Weſen, fuͤr einzig angemeſſen den Vollkommenheiten deſ- ſelben haͤlt. Deswegen ſtehet er bloß vor ſeinem Gewiſſen und deſſen Richter zur Verantwortung. Niemanden an- ders 16) S. Maiers teutſches geiſtl. Staatsrecht in der
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1. Buch. 1. Tit.
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Gottesdienſt betreffen, oder, wenn wie nach chriſtlichen Re-
ligionsbegriffen davon reden, Handlungen, welche ſich auf die
chriſtliche Religion beziehen. Solche Religionshandlungen
koͤnnen nun, wenn wir auf die perſoͤnliche Verhaͤltniſſe der Got-
tesverehrer ſehen, entweder Handlungen einzelner
Menſchen, oder Kirchliche Handlungen ſeyn. Letz-
tere ſind das Reſultat einer eigentlichen Religionsuͤbung, und
ſetzen eine Religionsgeſellſchaft, das iſt, Vereinigung
mehrerer, zur Gottesverehrung, nach gemeinſchaftlich
anerkannten Grundſaͤtzen, unter Dazwiſchenkunft eines
geordneten und berufenen Geiſtlichen, voraus. Ohne ei-
ne ſolche Dazwiſchenkunft und geſellſchaftliche Vereinigung
bleiben Religionshandlungen nur Handlungen einzelner
Menſchen. Dieſe koͤnnen kein Gegenſtand der geſezge-
benden Gewalt ſeyn. Denn an ſich iſt Religion Sache
eines jeden einzelnen Menſchen. Sie iſt das Reſultat
des in dem Verhaͤltniß gegen die Gottheit denkenden und
empfindenden Menſchen, des in jedem Menſchen freyen
und ſelbſtthaͤtigen individuellen Gewiſſens. In dieſem Ver-
haͤltniß, in dieſer Sphaͤre der Religion und des Gewiſ-
ſens giebt es kein Recht, keine Gewalt, die ein Menſch
uͤber den andern auszuuͤben haͤtte 16). Von eines jeden
einzelnen Menſchen Ueberzeugung haͤngt es daher ab, ob
er dieſe oder jene Begriffe von Gott fuͤr wahr und rich-
tig halte, und nach ſeiner Ueberzeugung hat er die Be-
fugniß und Pflicht, Gott auf diejenige Art und Weiſe
zu verehren, die er nach ſeinen Begriffen von dem Hoͤchſten
Weſen, fuͤr einzig angemeſſen den Vollkommenheiten deſ-
ſelben haͤlt. Deswegen ſtehet er bloß vor ſeinem Gewiſſen
und deſſen Richter zur Verantwortung. Niemanden an-
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16) S. Maiers teutſches geiſtl. Staatsrecht in der
Einleitung §. 2. und 3.
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