Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

L. 29. in fine Cod. de testam. quae praesentis legis inscia, pri-
stinam secuta est observationem?

S. 140. Z. 24. nach sey, lies: theils weil zuweilen eine ver-
gangene Handlung mit einer zukünftigen so genau verbunden ist,
daß sie beyde als Eine Handlung betrachtet werden können, theils
weil es Fälle giebt, wo eine Handlung in gewisser Rücksicht zu
den vergangenen, in anderer Beziehung aber zu den zukünftigen
gerechnet werden kann. Hier hat man vor allen Dingen darauf
zu sehen, ob das eingegangene Geschäft wirklich schon vor der
Bekanntmachung des neuen Gesetzes seine wesentliche Vollkom-
menheit erhalten hatte oder nicht? Um dieses richtig zu beur-
theilen, muß man mit der Natur und den wesentlichen Bestim-
mungen eines solchen rechtlichen Geschäfts, welche der Begriff
desselben erfordert, genau bekannt seyn. Z. E. wenn sich jemand
mit einer Person verlobt hätte, und nun ein neues Gesetz diese
verabredete Ehe verböte, so darf sie nicht vollzogen werden.
Denn das Eheverlöbniß ist noch keine Ehe, sondern geht nur auf
die Eingehung einer noch zukünftigen Ehe. Man denke sich hin-
gegen den Fall, daß auf eine den bisherigen Gesetzen gemässe
und erlaubte Art ein Kauf geschlossen worden sey, die Contra-
henten auch über die Waare und Kaufpreis schon vollkommen
einig gewesen wären, noch vor der Uebergabe oder Bezahlung
des Kaufgeldes aber ein neues Gesetz diese Art des Kaufs ver-
boten hätte. Ist nun der ganze Handel für ungültig zu halten?
Ich glaube es nicht, denn das Geschäft hatte schon vor der Publi-
cation des neuen Gesetzes seine wesentliche Perfection erhalten.
Hat nun aber ein Geschäft schon vor der Bekanntmachung des
neuen Gesetzes seine wesentliche Vollkommenheit erreicht, es
hängt aber die Vollziehung und Wirkung desselben noch von einer
zukünftigen Handlung ab, so kommt es darauf an, ob diese noch
zukünftige Handlung, von welcher die Wirkung des eingegange-
nen Geschäfts abhängt, eine einfache ist, welche nach der Natur
des Geschäfts weder eine Wiederholung erfordert, noch gestattet,
oder ob die Erfüllung des bereits vor dem neuen Gesetz vollkom-
men abgeschlossenen Geschäfts aus wiederholten Handlungen be-
steht. Im letzten Falle findet die Regel statt:


S. 140.
C 4

L. 29. in fine Cod. de teſtam. quae praeſentis legis inſcia, pri-
ſtinam ſecuta eſt obſervationem?

S. 140. Z. 24. nach ſey, lies: theils weil zuweilen eine ver-
gangene Handlung mit einer zukuͤnftigen ſo genau verbunden iſt,
daß ſie beyde als Eine Handlung betrachtet werden koͤnnen, theils
weil es Faͤlle giebt, wo eine Handlung in gewiſſer Ruͤckſicht zu
den vergangenen, in anderer Beziehung aber zu den zukuͤnftigen
gerechnet werden kann. Hier hat man vor allen Dingen darauf
zu ſehen, ob das eingegangene Geſchaͤft wirklich ſchon vor der
Bekanntmachung des neuen Geſetzes ſeine weſentliche Vollkom-
menheit erhalten hatte oder nicht? Um dieſes richtig zu beur-
theilen, muß man mit der Natur und den weſentlichen Beſtim-
mungen eines ſolchen rechtlichen Geſchaͤfts, welche der Begriff
deſſelben erfordert, genau bekannt ſeyn. Z. E. wenn ſich jemand
mit einer Perſon verlobt haͤtte, und nun ein neues Geſetz dieſe
verabredete Ehe verboͤte, ſo darf ſie nicht vollzogen werden.
Denn das Eheverloͤbniß iſt noch keine Ehe, ſondern geht nur auf
die Eingehung einer noch zukuͤnftigen Ehe. Man denke ſich hin-
gegen den Fall, daß auf eine den bisherigen Geſetzen gemaͤſſe
und erlaubte Art ein Kauf geſchloſſen worden ſey, die Contra-
henten auch uͤber die Waare und Kaufpreis ſchon vollkommen
einig geweſen waͤren, noch vor der Uebergabe oder Bezahlung
des Kaufgeldes aber ein neues Geſetz dieſe Art des Kaufs ver-
boten haͤtte. Iſt nun der ganze Handel fuͤr unguͤltig zu halten?
Ich glaube es nicht, denn das Geſchaͤft hatte ſchon vor der Publi-
cation des neuen Geſetzes ſeine weſentliche Perfection erhalten.
Hat nun aber ein Geſchaͤft ſchon vor der Bekanntmachung des
neuen Geſetzes ſeine weſentliche Vollkommenheit erreicht, es
haͤngt aber die Vollziehung und Wirkung deſſelben noch von einer
zukuͤnftigen Handlung ab, ſo kommt es darauf an, ob dieſe noch
zukuͤnftige Handlung, von welcher die Wirkung des eingegange-
nen Geſchaͤfts abhaͤngt, eine einfache iſt, welche nach der Natur
des Geſchaͤfts weder eine Wiederholung erfordert, noch geſtattet,
oder ob die Erfuͤllung des bereits vor dem neuen Geſetz vollkom-
men abgeſchloſſenen Geſchaͤfts aus wiederholten Handlungen be-
ſteht. Im letzten Falle findet die Regel ſtatt:


S. 140.
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0047" n="39"/> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 29. <hi rendition="#i">in fine Cod. de te&#x017F;tam.</hi> quae prae&#x017F;entis legis in&#x017F;cia, pri-<lb/>
&#x017F;tinam &#x017F;ecuta e&#x017F;t ob&#x017F;ervationem?</hi> </p><lb/>
          <p>S. 140. Z. 24. nach &#x017F;ey, lies: theils weil zuweilen eine ver-<lb/>
gangene Handlung mit einer zuku&#x0364;nftigen &#x017F;o genau verbunden i&#x017F;t,<lb/>
daß &#x017F;ie beyde als Eine Handlung betrachtet werden ko&#x0364;nnen, theils<lb/>
weil es Fa&#x0364;lle giebt, wo eine Handlung in gewi&#x017F;&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht zu<lb/>
den vergangenen, in anderer Beziehung aber zu den zuku&#x0364;nftigen<lb/>
gerechnet werden kann. Hier hat man vor allen Dingen darauf<lb/>
zu &#x017F;ehen, ob das eingegangene Ge&#x017F;cha&#x0364;ft wirklich &#x017F;chon vor der<lb/>
Bekanntmachung des neuen Ge&#x017F;etzes &#x017F;eine we&#x017F;entliche Vollkom-<lb/>
menheit erhalten hatte oder nicht? Um die&#x017F;es richtig zu beur-<lb/>
theilen, muß man mit der Natur und den we&#x017F;entlichen Be&#x017F;tim-<lb/>
mungen eines &#x017F;olchen rechtlichen Ge&#x017F;cha&#x0364;fts, welche der Begriff<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben erfordert, genau bekannt &#x017F;eyn. Z. E. wenn &#x017F;ich jemand<lb/>
mit einer Per&#x017F;on verlobt ha&#x0364;tte, und nun ein neues Ge&#x017F;etz die&#x017F;e<lb/>
verabredete Ehe verbo&#x0364;te, &#x017F;o darf &#x017F;ie nicht vollzogen werden.<lb/>
Denn das Eheverlo&#x0364;bniß i&#x017F;t noch keine Ehe, &#x017F;ondern geht nur auf<lb/>
die Eingehung einer noch zuku&#x0364;nftigen Ehe. Man denke &#x017F;ich hin-<lb/>
gegen den Fall, daß auf eine den bisherigen Ge&#x017F;etzen gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und erlaubte Art ein Kauf ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;ey, die Contra-<lb/>
henten auch u&#x0364;ber die Waare und Kaufpreis &#x017F;chon vollkommen<lb/>
einig gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren, noch vor der Uebergabe oder Bezahlung<lb/>
des Kaufgeldes aber ein neues Ge&#x017F;etz die&#x017F;e Art des Kaufs ver-<lb/>
boten ha&#x0364;tte. I&#x017F;t nun der ganze Handel fu&#x0364;r ungu&#x0364;ltig zu halten?<lb/>
Ich glaube es nicht, denn das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft hatte &#x017F;chon vor der Publi-<lb/>
cation des neuen Ge&#x017F;etzes &#x017F;eine we&#x017F;entliche Perfection erhalten.<lb/>
Hat nun aber ein Ge&#x017F;cha&#x0364;ft &#x017F;chon vor der Bekanntmachung des<lb/>
neuen Ge&#x017F;etzes &#x017F;eine we&#x017F;entliche Vollkommenheit erreicht, es<lb/>
ha&#x0364;ngt aber die Vollziehung und Wirkung de&#x017F;&#x017F;elben noch von einer<lb/>
zuku&#x0364;nftigen Handlung ab, &#x017F;o kommt es darauf an, ob die&#x017F;e noch<lb/>
zuku&#x0364;nftige Handlung, von welcher die Wirkung des eingegange-<lb/>
nen Ge&#x017F;cha&#x0364;fts abha&#x0364;ngt, eine einfache i&#x017F;t, welche nach der Natur<lb/>
des Ge&#x017F;cha&#x0364;fts weder eine Wiederholung erfordert, noch ge&#x017F;tattet,<lb/>
oder ob die Erfu&#x0364;llung des bereits vor dem neuen Ge&#x017F;etz vollkom-<lb/>
men abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ge&#x017F;cha&#x0364;fts aus wiederholten Handlungen be-<lb/>
&#x017F;teht. Im letzten Falle findet die Regel &#x017F;tatt:</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">S. 140.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0047] L. 29. in fine Cod. de teſtam. quae praeſentis legis inſcia, pri- ſtinam ſecuta eſt obſervationem? S. 140. Z. 24. nach ſey, lies: theils weil zuweilen eine ver- gangene Handlung mit einer zukuͤnftigen ſo genau verbunden iſt, daß ſie beyde als Eine Handlung betrachtet werden koͤnnen, theils weil es Faͤlle giebt, wo eine Handlung in gewiſſer Ruͤckſicht zu den vergangenen, in anderer Beziehung aber zu den zukuͤnftigen gerechnet werden kann. Hier hat man vor allen Dingen darauf zu ſehen, ob das eingegangene Geſchaͤft wirklich ſchon vor der Bekanntmachung des neuen Geſetzes ſeine weſentliche Vollkom- menheit erhalten hatte oder nicht? Um dieſes richtig zu beur- theilen, muß man mit der Natur und den weſentlichen Beſtim- mungen eines ſolchen rechtlichen Geſchaͤfts, welche der Begriff deſſelben erfordert, genau bekannt ſeyn. Z. E. wenn ſich jemand mit einer Perſon verlobt haͤtte, und nun ein neues Geſetz dieſe verabredete Ehe verboͤte, ſo darf ſie nicht vollzogen werden. Denn das Eheverloͤbniß iſt noch keine Ehe, ſondern geht nur auf die Eingehung einer noch zukuͤnftigen Ehe. Man denke ſich hin- gegen den Fall, daß auf eine den bisherigen Geſetzen gemaͤſſe und erlaubte Art ein Kauf geſchloſſen worden ſey, die Contra- henten auch uͤber die Waare und Kaufpreis ſchon vollkommen einig geweſen waͤren, noch vor der Uebergabe oder Bezahlung des Kaufgeldes aber ein neues Geſetz dieſe Art des Kaufs ver- boten haͤtte. Iſt nun der ganze Handel fuͤr unguͤltig zu halten? Ich glaube es nicht, denn das Geſchaͤft hatte ſchon vor der Publi- cation des neuen Geſetzes ſeine weſentliche Perfection erhalten. Hat nun aber ein Geſchaͤft ſchon vor der Bekanntmachung des neuen Geſetzes ſeine weſentliche Vollkommenheit erreicht, es haͤngt aber die Vollziehung und Wirkung deſſelben noch von einer zukuͤnftigen Handlung ab, ſo kommt es darauf an, ob dieſe noch zukuͤnftige Handlung, von welcher die Wirkung des eingegange- nen Geſchaͤfts abhaͤngt, eine einfache iſt, welche nach der Natur des Geſchaͤfts weder eine Wiederholung erfordert, noch geſtattet, oder ob die Erfuͤllung des bereits vor dem neuen Geſetz vollkom- men abgeſchloſſenen Geſchaͤfts aus wiederholten Handlungen be- ſteht. Im letzten Falle findet die Regel ſtatt: S. 140. C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/47
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/47>, abgerufen am 03.12.2024.