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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 149.
aber, der kein Descendent vom Adoptivvater ist, in der Ge-
walt des leiblichen Vaters ohnehin verbleibt.

2) Folgert man insgemein aus jenem Satz, daß
auch diejenigen nicht adoptiren können, welche schon ehe-
liche leibliche Kinder in ihrer väterlichen Gewalt haben 18).
Allein daß dieses wenigstens nicht ohne Ausnahme zu ver-
stehen sey, läßt sich schon daraus abnehmen, weil an an-
dern Orten unserer Pandecten die Frage entschieden wird,
ob der Adoptivsohn seines Adoptivvaters leibliche Tochter
heyrathen dürfe 19)? Die Gesetze wollen also nur, daß
niemand ohne einem hinreichenden Grund frem-
de Kinder adoptire, der schon leibliche Kinder hat,
ne aut illorum, quos iustis nuptiis procreavit, deminuatur
spes, quem unusquisque liberorum obsequio parat sibi; aut
qui adoptatus fuit, minus percipiat, quam dignum erit eum
consequi.
Hieraus folgt, daß wenn die Adoption denen
leiblichen Kindern zu keinem Nachtheil gereicht, derselben
im Wege Rechtens nichts entgegenstehe 20). Man setze
also, daß Jemand ein großes Vermögen, und dazu nur
ein einziges Kind, eine Tochter, habe, durch welche sein
Nahme nicht fortgepflanzt werden kann; oder daß dieser
Vater einen blödsinnigen, oder ungerathenen Sohn ha-
be, wer wollte wohl unter diesen Umständen daran zwei-
feln, daß es einem solchem Vater erlaubt sey, ein frem-
des Kind zu adoptiren 21)? Und nun ist es kein Wider-

spruch,
18) L. 17. §. 3. D. h. t. L. 3. C. eodem.
19) L. 17. pr. D. de ritu nuptiar.
20) S. Bern. Henr. reinoldi Variorum cap. XLII. in Opuscul.
a Iuglero editis p.
230--234.
21) lauterbach Colleg. th. pr. Pandectar. h. t. §. 7. Mich.
God.
wernher in lect. commentat. ad Dig. h. t. §. 5. pag. 51.
Jo. Tob. richter in selectior, iuris principiis Diss. II. (Lipsiae

1747.)

1. Buch. 7. Tit. §. 149.
aber, der kein Deſcendent vom Adoptivvater iſt, in der Ge-
walt des leiblichen Vaters ohnehin verbleibt.

2) Folgert man insgemein aus jenem Satz, daß
auch diejenigen nicht adoptiren koͤnnen, welche ſchon ehe-
liche leibliche Kinder in ihrer vaͤterlichen Gewalt haben 18).
Allein daß dieſes wenigſtens nicht ohne Ausnahme zu ver-
ſtehen ſey, laͤßt ſich ſchon daraus abnehmen, weil an an-
dern Orten unſerer Pandecten die Frage entſchieden wird,
ob der Adoptivſohn ſeines Adoptivvaters leibliche Tochter
heyrathen duͤrfe 19)? Die Geſetze wollen alſo nur, daß
niemand ohne einem hinreichenden Grund frem-
de Kinder adoptire, der ſchon leibliche Kinder hat,
ne aut illorum, quos iuſtis nuptiis procreavit, deminuatur
ſpes, quem unusquisque liberorum obſequio parat ſibi; aut
qui adoptatus fuit, minus percipiat, quam dignum erit eum
conſequi.
Hieraus folgt, daß wenn die Adoption denen
leiblichen Kindern zu keinem Nachtheil gereicht, derſelben
im Wege Rechtens nichts entgegenſtehe 20). Man ſetze
alſo, daß Jemand ein großes Vermoͤgen, und dazu nur
ein einziges Kind, eine Tochter, habe, durch welche ſein
Nahme nicht fortgepflanzt werden kann; oder daß dieſer
Vater einen bloͤdſinnigen, oder ungerathenen Sohn ha-
be, wer wollte wohl unter dieſen Umſtaͤnden daran zwei-
feln, daß es einem ſolchem Vater erlaubt ſey, ein frem-
des Kind zu adoptiren 21)? Und nun iſt es kein Wider-

ſpruch,
18) L. 17. §. 3. D. h. t. L. 3. C. eodem.
19) L. 17. pr. D. de ritu nuptiar.
20) S. Bern. Henr. reinoldi Variorum cap. XLII. in Opuſcul.
a Iuglero editis p.
230—234.
21) lauterbach Colleg. th. pr. Pandectar. h. t. §. 7. Mich.
God.
wernher in lect. commentat. ad Dig. h. t. §. 5. pag. 51.
Jo. Tob. richter in ſelectior, iuris principiis Diſſ. II. (Lipſiae

1747.)
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[296/0310] 1. Buch. 7. Tit. §. 149. aber, der kein Deſcendent vom Adoptivvater iſt, in der Ge- walt des leiblichen Vaters ohnehin verbleibt. 2) Folgert man insgemein aus jenem Satz, daß auch diejenigen nicht adoptiren koͤnnen, welche ſchon ehe- liche leibliche Kinder in ihrer vaͤterlichen Gewalt haben 18). Allein daß dieſes wenigſtens nicht ohne Ausnahme zu ver- ſtehen ſey, laͤßt ſich ſchon daraus abnehmen, weil an an- dern Orten unſerer Pandecten die Frage entſchieden wird, ob der Adoptivſohn ſeines Adoptivvaters leibliche Tochter heyrathen duͤrfe 19)? Die Geſetze wollen alſo nur, daß niemand ohne einem hinreichenden Grund frem- de Kinder adoptire, der ſchon leibliche Kinder hat, ne aut illorum, quos iuſtis nuptiis procreavit, deminuatur ſpes, quem unusquisque liberorum obſequio parat ſibi; aut qui adoptatus fuit, minus percipiat, quam dignum erit eum conſequi. Hieraus folgt, daß wenn die Adoption denen leiblichen Kindern zu keinem Nachtheil gereicht, derſelben im Wege Rechtens nichts entgegenſtehe 20). Man ſetze alſo, daß Jemand ein großes Vermoͤgen, und dazu nur ein einziges Kind, eine Tochter, habe, durch welche ſein Nahme nicht fortgepflanzt werden kann; oder daß dieſer Vater einen bloͤdſinnigen, oder ungerathenen Sohn ha- be, wer wollte wohl unter dieſen Umſtaͤnden daran zwei- feln, daß es einem ſolchem Vater erlaubt ſey, ein frem- des Kind zu adoptiren 21)? Und nun iſt es kein Wider- ſpruch, 18) L. 17. §. 3. D. h. t. L. 3. C. eodem. 19) L. 17. pr. D. de ritu nuptiar. 20) S. Bern. Henr. reinoldi Variorum cap. XLII. in Opuſcul. a Iuglero editis p. 230—234. 21) lauterbach Colleg. th. pr. Pandectar. h. t. §. 7. Mich. God. wernher in lect. commentat. ad Dig. h. t. §. 5. pag. 51. Jo. Tob. richter in ſelectior, iuris principiis Diſſ. II. (Lipſiae 1747.)

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/310>, abgerufen am 23.11.2024.