Wenn nun aber gleich Sachen und Güter einer Kirche, sie mögen zum unmittelbaren oder mittelbaren Gebrauch des Gottesdienstes abzwecken, nach den heuti- gen gereinigten Grundsätzen sowohl des katholischen als protestantischen Kirchenrechts nicht mehr für ein besonde- res Eigenthum Gottes oder Christi gehalten werden; so erfordert es doch das Beste der Kirche, daß solche Sa- chen ihrem Endzweck gemäß, wozu dieselben ihrer Natur nach bestimmt sind, angewendet werden. Daher verbie- ten geist- und weltliche Gesetze, Kirchengüter und inson- derheit solche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes- dienst abzwecken, nach Willkühr zu veräussern, oder sonst einen fremden Gebrauch davon zu machen 97). Soll nämlich die Veräusserung solcher Sachen auf eine gültige Art geschehen, so wird zweyerley hierzu erfordert,
1) daß eine rechtmäsige Ursache vorhanden sey, und
2) daß die gesetzlich vorgeschriebene Form (solennitas ecclesiastica) gehörigermassen beobachtet werde.
Eine rechtmäsige Ursache der Veräusserung ist alsdann vorhanden, wenn entweder die Nothwendig- keit z. B. dringende Schuldenlast, oder die Verbind- lichkeit, Pflichten der Gottseligkeit und christlichen Liebe gegen Arme zu erfüllen, oder wahrer Nutzen derjeni- gen Kirche dieselbe erheischet, welcher solche Kirchengüter
eigen-
97)Io. Casp.barthel Diss. de rebus ecclesiae non alienandis, in Opusc. Tom. II. opusc. 8. leyser Meditat. ad Pandect. Spec. XXIV. schollmayer Diss. de rebus ecclesiae non alienandis. Moguntiae 1780.
1. Buch. 8. Tit. §. 168.
§. 168. Von Veraͤuſſerung der Kirchenguͤter.
Wenn nun aber gleich Sachen und Guͤter einer Kirche, ſie moͤgen zum unmittelbaren oder mittelbaren Gebrauch des Gottesdienſtes abzwecken, nach den heuti- gen gereinigten Grundſaͤtzen ſowohl des katholiſchen als proteſtantiſchen Kirchenrechts nicht mehr fuͤr ein beſonde- res Eigenthum Gottes oder Chriſti gehalten werden; ſo erfordert es doch das Beſte der Kirche, daß ſolche Sa- chen ihrem Endzweck gemaͤß, wozu dieſelben ihrer Natur nach beſtimmt ſind, angewendet werden. Daher verbie- ten geiſt- und weltliche Geſetze, Kirchenguͤter und inſon- derheit ſolche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes- dienſt abzwecken, nach Willkuͤhr zu veraͤuſſern, oder ſonſt einen fremden Gebrauch davon zu machen 97). Soll naͤmlich die Veraͤuſſerung ſolcher Sachen auf eine guͤltige Art geſchehen, ſo wird zweyerley hierzu erfordert,
1) daß eine rechtmaͤſige Urſache vorhanden ſey, und
2) daß die geſetzlich vorgeſchriebene Form (ſolennitas eccleſiaſtica) gehoͤrigermaſſen beobachtet werde.
Eine rechtmaͤſige Urſache der Veraͤuſſerung iſt alsdann vorhanden, wenn entweder die Nothwendig- keit z. B. dringende Schuldenlaſt, oder die Verbind- lichkeit, Pflichten der Gottſeligkeit und chriſtlichen Liebe gegen Arme zu erfuͤllen, oder wahrer Nutzen derjeni- gen Kirche dieſelbe erheiſchet, welcher ſolche Kirchenguͤter
eigen-
97)Io. Caſp.barthel Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis, in Opuſc. Tom. II. opuſc. 8. leyser Meditat. ad Pandect. Spec. XXIV. schollmayer Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis. Moguntiae 1780.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0446"n="432"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch. 8. Tit. §. 168.</hi></fw><lb/><divn="2"><head>§. 168.<lb/>
Von Veraͤuſſerung der Kirchenguͤter.</head><lb/><p>Wenn nun aber gleich Sachen und Guͤter einer<lb/>
Kirche, ſie moͤgen zum unmittelbaren oder mittelbaren<lb/>
Gebrauch des Gottesdienſtes abzwecken, nach den heuti-<lb/>
gen gereinigten Grundſaͤtzen ſowohl des katholiſchen als<lb/>
proteſtantiſchen Kirchenrechts nicht mehr fuͤr ein beſonde-<lb/>
res Eigenthum Gottes oder Chriſti gehalten werden; ſo<lb/>
erfordert es doch das Beſte der Kirche, daß ſolche Sa-<lb/>
chen ihrem Endzweck gemaͤß, wozu dieſelben ihrer Natur<lb/>
nach beſtimmt ſind, angewendet werden. Daher verbie-<lb/>
ten geiſt- und weltliche Geſetze, Kirchenguͤter und inſon-<lb/>
derheit ſolche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes-<lb/>
dienſt abzwecken, nach <hirendition="#g">Willkuͤhr zu veraͤuſſern</hi>,<lb/>
oder ſonſt einen fremden Gebrauch davon zu machen <noteplace="foot"n="97)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Io. Caſp.</hi><hirendition="#k">barthel</hi> Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis,<lb/>
in <hirendition="#i">Opuſc</hi>. Tom. II. opuſc. 8. <hirendition="#k">leyser</hi> Meditat. ad Pandect.<lb/>
Spec. XXIV. <hirendition="#k">schollmayer</hi> Diſſ. de rebus eccleſiae non<lb/>
alienandis. <hirendition="#i">Moguntiae</hi></hi> 1780.</note>.<lb/>
Soll naͤmlich die Veraͤuſſerung ſolcher Sachen auf eine<lb/>
guͤltige Art geſchehen, ſo wird zweyerley hierzu erfordert,</p><lb/><p>1) daß eine <hirendition="#g">rechtmaͤſige Urſache</hi> vorhanden<lb/>ſey, und</p><lb/><p>2) daß die <hirendition="#g">geſetzlich vorgeſchriebene Form</hi><lb/>
(<hirendition="#aq"><hirendition="#i">ſolennitas eccleſiaſtica</hi></hi>) gehoͤrigermaſſen beobachtet werde.</p><lb/><p>Eine <hirendition="#g">rechtmaͤſige Urſache</hi> der Veraͤuſſerung iſt<lb/>
alsdann vorhanden, wenn entweder die <hirendition="#g">Nothwendig-<lb/>
keit</hi> z. B. dringende Schuldenlaſt, oder die Verbind-<lb/>
lichkeit, Pflichten der Gottſeligkeit und chriſtlichen Liebe<lb/>
gegen Arme zu erfuͤllen, oder <hirendition="#g">wahrer Nutzen</hi> derjeni-<lb/>
gen Kirche dieſelbe erheiſchet, welcher ſolche Kirchenguͤter<lb/><fwplace="bottom"type="catch">eigen-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[432/0446]
1. Buch. 8. Tit. §. 168.
§. 168.
Von Veraͤuſſerung der Kirchenguͤter.
Wenn nun aber gleich Sachen und Guͤter einer
Kirche, ſie moͤgen zum unmittelbaren oder mittelbaren
Gebrauch des Gottesdienſtes abzwecken, nach den heuti-
gen gereinigten Grundſaͤtzen ſowohl des katholiſchen als
proteſtantiſchen Kirchenrechts nicht mehr fuͤr ein beſonde-
res Eigenthum Gottes oder Chriſti gehalten werden; ſo
erfordert es doch das Beſte der Kirche, daß ſolche Sa-
chen ihrem Endzweck gemaͤß, wozu dieſelben ihrer Natur
nach beſtimmt ſind, angewendet werden. Daher verbie-
ten geiſt- und weltliche Geſetze, Kirchenguͤter und inſon-
derheit ſolche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes-
dienſt abzwecken, nach Willkuͤhr zu veraͤuſſern,
oder ſonſt einen fremden Gebrauch davon zu machen 97).
Soll naͤmlich die Veraͤuſſerung ſolcher Sachen auf eine
guͤltige Art geſchehen, ſo wird zweyerley hierzu erfordert,
1) daß eine rechtmaͤſige Urſache vorhanden
ſey, und
2) daß die geſetzlich vorgeſchriebene Form
(ſolennitas eccleſiaſtica) gehoͤrigermaſſen beobachtet werde.
Eine rechtmaͤſige Urſache der Veraͤuſſerung iſt
alsdann vorhanden, wenn entweder die Nothwendig-
keit z. B. dringende Schuldenlaſt, oder die Verbind-
lichkeit, Pflichten der Gottſeligkeit und chriſtlichen Liebe
gegen Arme zu erfuͤllen, oder wahrer Nutzen derjeni-
gen Kirche dieſelbe erheiſchet, welcher ſolche Kirchenguͤter
eigen-
97) Io. Caſp. barthel Diſſ. de rebus eccleſiae non alienandis,
in Opuſc. Tom. II. opuſc. 8. leyser Meditat. ad Pandect.
Spec. XXIV. schollmayer Diſſ. de rebus eccleſiae non
alienandis. Moguntiae 1780.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/446>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.