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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 8. Tit. §. 171.
tzungen und Gefälle werden zum Besten der ganzen Ge-
meinheit überhaupt, sofern sie als eine iuristische Einheit
oder moralische Person betrachtet wird, verwendet. Die-
jenigen Stücke des Vermögens einer Gemeinheit, welche
ihrer Bestimmung nach allen einzelnen Mitgliedern der-
selben nach ihren individuellen Bedürfnissen zum Nutzen
und Gebrauche dienen, werden gemeine oder öffentliche
Sachen einer Gemeinheit,
res universitatis im engern
Verstande genennt; z. B. gemeine Triften, gemeine Hol-
tzungen, gemeine Brunnen, gemeine Backöfen, Brau-
häuser, gemeine Todtenäcker, Kirchen und Kirchhöfe,
u. s. w. Die letztere Art des Gemeindevermögens aber
macht das Patrimonium oder den Schatz der Ge-
meinheit
(aerarium universitatis, arca communis) aus 72).
Zu diesem gehören Kapitalien, Zinsen und andere Gefälle,
die eine Gemeinheit jährlich zu erheben hat, desgleichen
Aecker, Wiesen, Weinberge und andere liegende Gründe.

Eine moralische Person ist eben so wenig, als ein
Unmündiger im Stande, ihr Vermögen selbst zu ver-
walten 73). Folglich muß ein Gemeinde-Vermögen im-
mer Vormünder haben, denn desselben Eigenthümer wird
nie volljährig 74). Diese Vormünder oder Verwalter der
Gemeindegüter bekommen nach Unterschied der Gemeinhei-
ten verschiedene Namen. Bey Kirchengemeinden werden
sie Kirchenväter, Kirchenpfleger, Kirchenvor-

steher,
72) S. Woltär Grundsätze der Rechtsgelehrsamkeit §. 177.
S. 226. folgg.
73) Woltär a. a. O. §. 180.
74) Daher lassen die Gesetze denen Gemeinheiten die Rechte der
Pupillen und Minderjährigen angedeihen, wie ich schon an
einem andern Orte dieses Commentars (I. Th. §. 89. S. 483.)
bemerkt habe. Add. G. L. boehmer in Princip. iur. canon.
§. 629.

1. Buch. 8. Tit. §. 171.
tzungen und Gefaͤlle werden zum Beſten der ganzen Ge-
meinheit uͤberhaupt, ſofern ſie als eine iuriſtiſche Einheit
oder moraliſche Perſon betrachtet wird, verwendet. Die-
jenigen Stuͤcke des Vermoͤgens einer Gemeinheit, welche
ihrer Beſtimmung nach allen einzelnen Mitgliedern der-
ſelben nach ihren individuellen Beduͤrfniſſen zum Nutzen
und Gebrauche dienen, werden gemeine oder oͤffentliche
Sachen einer Gemeinheit,
res univerſitatis im engern
Verſtande genennt; z. B. gemeine Triften, gemeine Hol-
tzungen, gemeine Brunnen, gemeine Backoͤfen, Brau-
haͤuſer, gemeine Todtenaͤcker, Kirchen und Kirchhoͤfe,
u. ſ. w. Die letztere Art des Gemeindevermoͤgens aber
macht das Patrimonium oder den Schatz der Ge-
meinheit
(aerarium univerſitatis, arca communis) aus 72).
Zu dieſem gehoͤren Kapitalien, Zinſen und andere Gefaͤlle,
die eine Gemeinheit jaͤhrlich zu erheben hat, desgleichen
Aecker, Wieſen, Weinberge und andere liegende Gruͤnde.

Eine moraliſche Perſon iſt eben ſo wenig, als ein
Unmuͤndiger im Stande, ihr Vermoͤgen ſelbſt zu ver-
walten 73). Folglich muß ein Gemeinde-Vermoͤgen im-
mer Vormuͤnder haben, denn deſſelben Eigenthuͤmer wird
nie volljaͤhrig 74). Dieſe Vormuͤnder oder Verwalter der
Gemeindeguͤter bekommen nach Unterſchied der Gemeinhei-
ten verſchiedene Namen. Bey Kirchengemeinden werden
ſie Kirchenvaͤter, Kirchenpfleger, Kirchenvor-

ſteher,
72) S. Woltaͤr Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit §. 177.
S. 226. folgg.
73) Woltaͤr a. a. O. §. 180.
74) Daher laſſen die Geſetze denen Gemeinheiten die Rechte der
Pupillen und Minderjaͤhrigen angedeihen, wie ich ſchon an
einem andern Orte dieſes Commentars (I. Th. §. 89. S. 483.)
bemerkt habe. Add. G. L. boehmer in Princip. iur. canon.
§. 629.
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[454/0468] 1. Buch. 8. Tit. §. 171. tzungen und Gefaͤlle werden zum Beſten der ganzen Ge- meinheit uͤberhaupt, ſofern ſie als eine iuriſtiſche Einheit oder moraliſche Perſon betrachtet wird, verwendet. Die- jenigen Stuͤcke des Vermoͤgens einer Gemeinheit, welche ihrer Beſtimmung nach allen einzelnen Mitgliedern der- ſelben nach ihren individuellen Beduͤrfniſſen zum Nutzen und Gebrauche dienen, werden gemeine oder oͤffentliche Sachen einer Gemeinheit, res univerſitatis im engern Verſtande genennt; z. B. gemeine Triften, gemeine Hol- tzungen, gemeine Brunnen, gemeine Backoͤfen, Brau- haͤuſer, gemeine Todtenaͤcker, Kirchen und Kirchhoͤfe, u. ſ. w. Die letztere Art des Gemeindevermoͤgens aber macht das Patrimonium oder den Schatz der Ge- meinheit (aerarium univerſitatis, arca communis) aus 72). Zu dieſem gehoͤren Kapitalien, Zinſen und andere Gefaͤlle, die eine Gemeinheit jaͤhrlich zu erheben hat, desgleichen Aecker, Wieſen, Weinberge und andere liegende Gruͤnde. Eine moraliſche Perſon iſt eben ſo wenig, als ein Unmuͤndiger im Stande, ihr Vermoͤgen ſelbſt zu ver- walten 73). Folglich muß ein Gemeinde-Vermoͤgen im- mer Vormuͤnder haben, denn deſſelben Eigenthuͤmer wird nie volljaͤhrig 74). Dieſe Vormuͤnder oder Verwalter der Gemeindeguͤter bekommen nach Unterſchied der Gemeinhei- ten verſchiedene Namen. Bey Kirchengemeinden werden ſie Kirchenvaͤter, Kirchenpfleger, Kirchenvor- ſteher, 72) S. Woltaͤr Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit §. 177. S. 226. folgg. 73) Woltaͤr a. a. O. §. 180. 74) Daher laſſen die Geſetze denen Gemeinheiten die Rechte der Pupillen und Minderjaͤhrigen angedeihen, wie ich ſchon an einem andern Orte dieſes Commentars (I. Th. §. 89. S. 483.) bemerkt habe. Add. G. L. boehmer in Princip. iur. canon. §. 629.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/468>, abgerufen am 23.11.2024.