Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 8. Tit. §. 182. lich nur körperliche Sachen seyn. Dies sagt auch Pau-lus 14) lib. 54. ad Edictum ausdrücklich: Possideri au- tem possunt, quae sunt corporalia. Denn nur von den kör- perlichen Dingen allein wurde nach den Grundsätzen der Stoiker ein eigentliches Daseyn angenommen. Rechte, Befugnisse, Gerechtsame kann man zwar ausüben, und gebrauchen, allein ein eigentlicher Besitz, eine körperliche Detention derselben ist undenkbar. In spätern Zeiten haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkörperliche Dinge, nämlich auf Gerechtsame, die Grundsätze vom Besitz angewendet. Dies lehrt Pomponius 15) lib. 29. ad Sabinum: Precario habere etiam ea, quae in iure consistunt, possumus. Denn auch die precaria pos- sessio ist eine Art des Besitzes. Man nahm hierbey die Analogie zu Hülfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus- übung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man das physische Vermögen erlangt, über eine körperliche Sache disponiren zu können, eine große Aehnlichkeit hat, ist ohne Zweifel. So entstand also ein analogischer oder Quasi-Besitz 16), welcher in dem Gebrauche eines Rechts 14) L. 3. princ. D. de acquir. vel amitt. poss. 15) L. 15. §. 2. D. de precario. 16) Die Benennung quasi possessio kommt vor L. 10. D. Si ser-
vitus vindicet. L. 3. §. 17. D. de Vi et Vi armata. Die Par- tikul quasi ist der unterscheidende Charakter, dessen sich die römischen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn sie von dem eigentlichen und ursprünglichen Sprachgebrauche abwichen, um hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was die Benennung mit sich bringt, eigentlich nicht vorhanden sey, allein doch etwas ähnliches. Conf. Henr. linck de Synca- tegorematis Quasi usu iuridico. Altdorf. 1675. Christ. Gottfr. hofmann Diss. de significatione et usu particulae Quasi in Iure Rom. Frfti 1727. und vorzüglich Io. David dieterici Disp. de genuina Quasi notione iuridica. Goettingae 1740. 1. Buch. 8. Tit. §. 182. lich nur koͤrperliche Sachen ſeyn. Dies ſagt auch Pau-lus 14) lib. 54. ad Edictum ausdruͤcklich: Poſſideri au- tem poſſunt, quae ſunt corporalia. Denn nur von den koͤr- perlichen Dingen allein wurde nach den Grundſaͤtzen der Stoiker ein eigentliches Daſeyn angenommen. Rechte, Befugniſſe, Gerechtſame kann man zwar ausuͤben, und gebrauchen, allein ein eigentlicher Beſitz, eine koͤrperliche Detention derſelben iſt undenkbar. In ſpaͤtern Zeiten haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkoͤrperliche Dinge, naͤmlich auf Gerechtſame, die Grundſaͤtze vom Beſitz angewendet. Dies lehrt Pomponius 15) lib. 29. ad Sabinum: Precario habere etiam ea, quae in iure consistunt, poſſumus. Denn auch die precaria poſ- ſeſſio iſt eine Art des Beſitzes. Man nahm hierbey die Analogie zu Huͤlfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus- uͤbung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man das phyſiſche Vermoͤgen erlangt, uͤber eine koͤrperliche Sache disponiren zu koͤnnen, eine große Aehnlichkeit hat, iſt ohne Zweifel. So entſtand alſo ein analogiſcher oder Quaſi-Beſitz 16), welcher in dem Gebrauche eines Rechts 14) L. 3. princ. D. de acquir. vel amitt. poſſ. 15) L. 15. §. 2. D. de precario. 16) Die Benennung quaſi poſſeſſio kommt vor L. 10. D. Si ſer-
vitus vindicet. L. 3. §. 17. D. de Vi et Vi armata. Die Par- tikul quasi iſt der unterſcheidende Charakter, deſſen ſich die roͤmiſchen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn ſie von dem eigentlichen und urſpruͤnglichen Sprachgebrauche abwichen, um hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was die Benennung mit ſich bringt, eigentlich nicht vorhanden ſey, allein doch etwas aͤhnliches. Conf. Henr. linck de Synca- tegorematis Quaſi uſu iuridico. Altdorf. 1675. Chriſt. Gottfr. hofmann Diſſ. de ſignificatione et uſu particulae Quaſi in Iure Rom. Frfti 1727. und vorzuͤglich Io. David dieterici Diſp. de genuina Quaſi notione iuridica. Goettingae 1740. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0572" n="558"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 8. Tit. §. 182.</fw><lb/> lich nur koͤrperliche Sachen ſeyn. Dies ſagt auch <hi rendition="#fr">Pau-<lb/> lus</hi> <note place="foot" n="14)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3. <hi rendition="#i">princ. D. de acquir. vel amitt. poſſ.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq">lib. 54. ad Edictum</hi> ausdruͤcklich: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Poſſideri au-<lb/> tem poſſunt, quae ſunt corporalia.</hi></hi> Denn nur von den koͤr-<lb/> perlichen Dingen allein wurde nach den Grundſaͤtzen der<lb/> Stoiker ein eigentliches Daſeyn angenommen. Rechte,<lb/> Befugniſſe, Gerechtſame kann man zwar ausuͤben, und<lb/> gebrauchen, allein ein eigentlicher Beſitz, eine koͤrperliche<lb/> Detention derſelben iſt undenkbar. In ſpaͤtern Zeiten<lb/> haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkoͤrperliche<lb/> Dinge, naͤmlich auf Gerechtſame, die Grundſaͤtze vom<lb/> Beſitz angewendet. Dies lehrt <hi rendition="#fr">Pomponius</hi> <note place="foot" n="15)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 15. <hi rendition="#i">§.</hi> 2. <hi rendition="#i">D. de precario.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq">lib. 29.<lb/> ad Sabinum: <hi rendition="#i">Precario habere etiam ea, quae</hi> <hi rendition="#k">in iure<lb/> consistunt</hi>, <hi rendition="#i">poſſumus.</hi></hi> Denn auch die <hi rendition="#aq">precaria poſ-<lb/> ſeſſio</hi> iſt eine Art des Beſitzes. Man nahm hierbey die<lb/> Analogie zu Huͤlfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus-<lb/> uͤbung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man<lb/> das phyſiſche Vermoͤgen erlangt, uͤber eine koͤrperliche<lb/> Sache disponiren zu koͤnnen, eine große Aehnlichkeit hat,<lb/> iſt ohne Zweifel. So entſtand alſo ein <hi rendition="#fr">analogiſcher<lb/> oder Quaſi-Beſitz</hi> <note place="foot" n="16)">Die Benennung <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">quaſi poſſeſſio</hi></hi> kommt vor <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 10. <hi rendition="#i">D. Si ſer-<lb/> vitus vindicet. L.</hi> 3. §. 17. <hi rendition="#i">D. de Vi et Vi armata.</hi></hi> Die Par-<lb/> tikul <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">quasi</hi></hi> iſt der unterſcheidende Charakter, deſſen ſich die<lb/> roͤmiſchen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn ſie von dem<lb/> eigentlichen und urſpruͤnglichen Sprachgebrauche abwichen, um<lb/> hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was<lb/> die Benennung mit ſich bringt, eigentlich nicht vorhanden ſey,<lb/> allein doch etwas aͤhnliches. <hi rendition="#aq">Conf. <hi rendition="#i">Henr.</hi> <hi rendition="#k">linck</hi> de Synca-<lb/> tegorematis <hi rendition="#i">Quaſi</hi> uſu iuridico. <hi rendition="#i">Altdorf.</hi> 1675. <hi rendition="#i">Chriſt. Gottfr.</hi><lb/><hi rendition="#k">hofmann</hi> Diſſ. de ſignificatione et uſu particulae <hi rendition="#i">Quaſi</hi> in Iure<lb/> Rom. <hi rendition="#i">Frfti</hi></hi> 1727. und vorzuͤglich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. David</hi><hi rendition="#k">dieterici</hi> Diſp.<lb/> de genuina <hi rendition="#i">Quaſi</hi> notione iuridica. Goettingae</hi> 1740.</note>, welcher in dem Gebrauche eines<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Rechts</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [558/0572]
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lus 14) lib. 54. ad Edictum ausdruͤcklich: Poſſideri au-
tem poſſunt, quae ſunt corporalia. Denn nur von den koͤr-
perlichen Dingen allein wurde nach den Grundſaͤtzen der
Stoiker ein eigentliches Daſeyn angenommen. Rechte,
Befugniſſe, Gerechtſame kann man zwar ausuͤben, und
gebrauchen, allein ein eigentlicher Beſitz, eine koͤrperliche
Detention derſelben iſt undenkbar. In ſpaͤtern Zeiten
haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkoͤrperliche
Dinge, naͤmlich auf Gerechtſame, die Grundſaͤtze vom
Beſitz angewendet. Dies lehrt Pomponius 15) lib. 29.
ad Sabinum: Precario habere etiam ea, quae in iure
consistunt, poſſumus. Denn auch die precaria poſ-
ſeſſio iſt eine Art des Beſitzes. Man nahm hierbey die
Analogie zu Huͤlfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus-
uͤbung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man
das phyſiſche Vermoͤgen erlangt, uͤber eine koͤrperliche
Sache disponiren zu koͤnnen, eine große Aehnlichkeit hat,
iſt ohne Zweifel. So entſtand alſo ein analogiſcher
oder Quaſi-Beſitz 16), welcher in dem Gebrauche eines
Rechts
14) L. 3. princ. D. de acquir. vel amitt. poſſ.
15) L. 15. §. 2. D. de precario.
16) Die Benennung quaſi poſſeſſio kommt vor L. 10. D. Si ſer-
vitus vindicet. L. 3. §. 17. D. de Vi et Vi armata. Die Par-
tikul quasi iſt der unterſcheidende Charakter, deſſen ſich die
roͤmiſchen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn ſie von dem
eigentlichen und urſpruͤnglichen Sprachgebrauche abwichen, um
hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was
die Benennung mit ſich bringt, eigentlich nicht vorhanden ſey,
allein doch etwas aͤhnliches. Conf. Henr. linck de Synca-
tegorematis Quaſi uſu iuridico. Altdorf. 1675. Chriſt. Gottfr.
hofmann Diſſ. de ſignificatione et uſu particulae Quaſi in Iure
Rom. Frfti 1727. und vorzuͤglich Io. David dieterici Diſp.
de genuina Quaſi notione iuridica. Goettingae 1740.
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