Da das ganze System darauf berechnet war, daß nichts vorfallen werde, so ist nun, da wirklich etwas vorgefallen, und noch ein Mehreres aus der Zukunft droht, die bitterste Verlegenheit eingetreten, daß nun wirklich einmal etwas geschehen muß. Man hat eine Maschine eingerichtet, die sich wirklich als ganz vortrefflich ausgewiesen, alle Hoffnun¬ gen blos durch ihre Unbeweglichkeit aufzureiben; nun aber, wo eine Furcht gekommen, und sie einer Absicht dienen soll, weigert sie gleichfalls tückisch jeden Dienst, den man ihr anzusinnen versuchen wollte. Indem man keinen, auch nicht den leisesten Gegensatz zu binden gewußt, sondern alle Dissonanz so lange anwachsen ließ, bis sie nicht mehr zu lösen war; in¬ dem man Alles zugelassen, was sich zugedrängt; alles durcheinandergeschleppt, und in Halbheiten oberfläch¬ lich vermittelt hat, was sich innerlich ausschloß; hat man nun, wo die Natur ergrimmt gegen den schwin¬ delerregenden Wirrwar aufgestanden, jedes Mittel sich genommen, zu ihrer Besänftigung irgend eine durch¬ greifende Maaßregel vorzukehren. Jeder Verstand wird von einem Unverstande aufgehoben, jede Kraft von einer Gegenkraft verzehrt, jede Bewegung durch eine antagonistische gehemmt; so muß alle Anstrengung in unnützen Deliberationen zerfließen.
Wollte man, scheinbar sich anschließend an die histo¬ rische Parthey, etwa den dreyzehnten Artikel auf die Herstellung der vorigen Corporationsstände, in der gan¬ zen Gebrechlichkeit der letzten Zeit ausdeuten, so wider¬ spricht dem, was im Verfassungswerke schon zum Be¬ stand gekommen, oder noch eben zu entstehen im Be¬
Da das ganze Syſtem darauf berechnet war, daß nichts vorfallen werde, ſo iſt nun, da wirklich etwas vorgefallen, und noch ein Mehreres aus der Zukunft droht, die bitterſte Verlegenheit eingetreten, daß nun wirklich einmal etwas geſchehen muß. Man hat eine Maſchine eingerichtet, die ſich wirklich als ganz vortrefflich ausgewieſen, alle Hoffnun¬ gen blos durch ihre Unbeweglichkeit aufzureiben; nun aber, wo eine Furcht gekommen, und ſie einer Abſicht dienen ſoll, weigert ſie gleichfalls tückiſch jeden Dienſt, den man ihr anzuſinnen verſuchen wollte. Indem man keinen, auch nicht den leiſeſten Gegenſatz zu binden gewußt, ſondern alle Diſſonanz ſo lange anwachſen ließ, bis ſie nicht mehr zu löſen war; in¬ dem man Alles zugelaſſen, was ſich zugedrängt; alles durcheinandergeſchleppt, und in Halbheiten oberfläch¬ lich vermittelt hat, was ſich innerlich ausſchloß; hat man nun, wo die Natur ergrimmt gegen den ſchwin¬ delerregenden Wirrwar aufgeſtanden, jedes Mittel ſich genommen, zu ihrer Beſänftigung irgend eine durch¬ greifende Maaßregel vorzukehren. Jeder Verſtand wird von einem Unverſtande aufgehoben, jede Kraft von einer Gegenkraft verzehrt, jede Bewegung durch eine antagoniſtiſche gehemmt; ſo muß alle Anſtrengung in unnützen Deliberationen zerfließen.
Wollte man, ſcheinbar ſich anſchließend an die hiſto¬ riſche Parthey, etwa den dreyzehnten Artikel auf die Herſtellung der vorigen Corporationsſtände, in der gan¬ zen Gebrechlichkeit der letzten Zeit ausdeuten, ſo wider¬ ſpricht dem, was im Verfaſſungswerke ſchon zum Be¬ ſtand gekommen, oder noch eben zu entſtehen im Be¬
<TEI><text><body><pbfacs="#f0130"n="122"/><p>Da das ganze Syſtem darauf berechnet war, daß<lb/>
nichts vorfallen werde, ſo iſt nun, da wirklich etwas<lb/>
vorgefallen, und noch ein Mehreres aus der Zukunft<lb/>
droht, die bitterſte Verlegenheit eingetreten, daß<lb/>
nun wirklich einmal etwas geſchehen muß. Man<lb/>
hat eine Maſchine eingerichtet, die ſich wirklich<lb/>
als ganz vortrefflich ausgewieſen, alle Hoffnun¬<lb/>
gen blos durch ihre Unbeweglichkeit aufzureiben;<lb/>
nun aber, wo eine Furcht gekommen, und ſie einer<lb/>
Abſicht dienen ſoll, weigert ſie gleichfalls tückiſch jeden<lb/>
Dienſt, den man ihr anzuſinnen verſuchen wollte.<lb/>
Indem man keinen, auch nicht den leiſeſten Gegenſatz<lb/>
zu binden gewußt, ſondern alle Diſſonanz ſo lange<lb/>
anwachſen ließ, bis ſie nicht mehr zu löſen war; in¬<lb/>
dem man Alles zugelaſſen, was ſich zugedrängt; alles<lb/>
durcheinandergeſchleppt, und in Halbheiten oberfläch¬<lb/>
lich vermittelt hat, was ſich innerlich ausſchloß; hat<lb/>
man nun, wo die Natur ergrimmt gegen den ſchwin¬<lb/>
delerregenden Wirrwar aufgeſtanden, jedes Mittel ſich<lb/>
genommen, zu ihrer Beſänftigung irgend eine durch¬<lb/>
greifende Maaßregel vorzukehren. Jeder Verſtand<lb/>
wird von einem Unverſtande aufgehoben, jede Kraft<lb/>
von einer Gegenkraft verzehrt, jede Bewegung durch<lb/>
eine antagoniſtiſche gehemmt; ſo muß alle Anſtrengung<lb/>
in unnützen Deliberationen zerfließen.</p><lb/><p>Wollte man, ſcheinbar ſich anſchließend an die hiſto¬<lb/>
riſche Parthey, etwa den dreyzehnten Artikel auf die<lb/>
Herſtellung der vorigen Corporationsſtände, in der gan¬<lb/>
zen Gebrechlichkeit der letzten Zeit ausdeuten, ſo wider¬<lb/>ſpricht dem, was im Verfaſſungswerke ſchon zum Be¬<lb/>ſtand gekommen, oder noch eben zu entſtehen im Be¬<lb/></p></body></text></TEI>
[122/0130]
Da das ganze Syſtem darauf berechnet war, daß
nichts vorfallen werde, ſo iſt nun, da wirklich etwas
vorgefallen, und noch ein Mehreres aus der Zukunft
droht, die bitterſte Verlegenheit eingetreten, daß
nun wirklich einmal etwas geſchehen muß. Man
hat eine Maſchine eingerichtet, die ſich wirklich
als ganz vortrefflich ausgewieſen, alle Hoffnun¬
gen blos durch ihre Unbeweglichkeit aufzureiben;
nun aber, wo eine Furcht gekommen, und ſie einer
Abſicht dienen ſoll, weigert ſie gleichfalls tückiſch jeden
Dienſt, den man ihr anzuſinnen verſuchen wollte.
Indem man keinen, auch nicht den leiſeſten Gegenſatz
zu binden gewußt, ſondern alle Diſſonanz ſo lange
anwachſen ließ, bis ſie nicht mehr zu löſen war; in¬
dem man Alles zugelaſſen, was ſich zugedrängt; alles
durcheinandergeſchleppt, und in Halbheiten oberfläch¬
lich vermittelt hat, was ſich innerlich ausſchloß; hat
man nun, wo die Natur ergrimmt gegen den ſchwin¬
delerregenden Wirrwar aufgeſtanden, jedes Mittel ſich
genommen, zu ihrer Beſänftigung irgend eine durch¬
greifende Maaßregel vorzukehren. Jeder Verſtand
wird von einem Unverſtande aufgehoben, jede Kraft
von einer Gegenkraft verzehrt, jede Bewegung durch
eine antagoniſtiſche gehemmt; ſo muß alle Anſtrengung
in unnützen Deliberationen zerfließen.
Wollte man, ſcheinbar ſich anſchließend an die hiſto¬
riſche Parthey, etwa den dreyzehnten Artikel auf die
Herſtellung der vorigen Corporationsſtände, in der gan¬
zen Gebrechlichkeit der letzten Zeit ausdeuten, ſo wider¬
ſpricht dem, was im Verfaſſungswerke ſchon zum Be¬
ſtand gekommen, oder noch eben zu entſtehen im Be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/130>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.