[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.Gott, und Augustin und der Engel erzählen die Vernichtung der Weltlichkeit in der Liebe zur Ewigkeit; in heiterer Landschaft ruht die altdeutsche heilige Familie im Kreis der Engel aus, rührend und gar herzlich klagt der Himmelsschäfer des Herrn Leiden am Oelberg, Pura und Dorothea schildern den Kampf des Christenthumes mit dem Heidenthume, dem alten Drachen, den auch der Ritter St. Georg bekämpft, Ursula, Romanze aus jener seltsamen Odyssee, St. Meinrad die alten Kraniche des Jbycus über der romantischen Clause des Heiligen schwebend, der Abschied von Maria im ersten, und die Legende von dem Grafen und der heiligen Catharina im zweyten Bande wunderschön die Liebe zu den Heiligen und ihre Gegenliebe schildernd, das Lied vom Kloster Trebniz stotternd den gleichen Gegenstand ausdrückend, Faust des Lasters Höllenfahrt, Sündenlust die Trostlosigkeit der Verdammniß, die Vorboten des jüngsten Gerichtes, die drohenden Zeichen des Untergangs in dunkler Glühschrift an die Wand hinschreibend, die Erlösung aber wieder tröstend Zeugniß der göttlichen Erbarmung gebend. Und wie es denn der Geist der früheren Zeit gewesen, auch Witz und Schutz hat dem Ernste des religiösen Sinnes keineswegs widerstanden, und komische Legenden schließen sich daher auch jenen an. Construction der Welt in diesem Sinne burleske Parodie der Schöpfungsgeschichte, Aussicht in die Ewigkeit und Neujerusalem, muntere, arglose Lache zum Himmel aufschlagend, Zucht bringt Frucht und Rosenkranz neckisches Bußlied, auch Abrahams St. Clara Tischpredigt gehört in diesen Orden. Spottend tritt der Witz im verwandelten Einsiedler hervor, und in der Klosterscheu und im Klosterleben ist eine harte Pein erklärt sich entschiedne Oppostion gegen geistliche Jnstitution, veranlaßt durch die Reformation oder auch sie vorbedeutend. Gott, und Augustin und der Engel erzaͤhlen die Vernichtung der Weltlichkeit in der Liebe zur Ewigkeit; in heiterer Landschaft ruht die altdeutsche heilige Familie im Kreis der Engel aus, ruͤhrend und gar herzlich klagt der Himmelsschaͤfer des Herrn Leiden am Oelberg, Pura und Dorothea schildern den Kampf des Christenthumes mit dem Heidenthume, dem alten Drachen, den auch der Ritter St. Georg bekaͤmpft, Ursula, Romanze aus jener seltsamen Odyssée, St. Meinrad die alten Kraniche des Jbycus uͤber der romantischen Clause des Heiligen schwebend, der Abschied von Maria im ersten, und die Legende von dem Grafen und der heiligen Catharina im zweyten Bande wunderschoͤn die Liebe zu den Heiligen und ihre Gegenliebe schildernd, das Lied vom Kloster Trebniz stotternd den gleichen Gegenstand ausdruͤckend, Faust des Lasters Hoͤllenfahrt, Suͤndenlust die Trostlosigkeit der Verdammniß, die Vorboten des juͤngsten Gerichtes, die drohenden Zeichen des Untergangs in dunkler Gluͤhschrift an die Wand hinschreibend, die Erloͤsung aber wieder troͤstend Zeugniß der goͤttlichen Erbarmung gebend. Und wie es denn der Geist der fruͤheren Zeit gewesen, auch Witz und Schutz hat dem Ernste des religioͤsen Sinnes keineswegs widerstanden, und komische Legenden schließen sich daher auch jenen an. Construction der Welt in diesem Sinne burleske Parodie der Schoͤpfungsgeschichte, Aussicht in die Ewigkeit und Neujerusalem, muntere, arglose Lache zum Himmel aufschlagend, Zucht bringt Frucht und Rosenkranz neckisches Bußlied, auch Abrahams St. Clara Tischpredigt gehoͤrt in diesen Orden. Spottend tritt der Witz im verwandelten Einsiedler hervor, und in der Klosterscheu und im Klosterleben ist eine harte Pein erklaͤrt sich entschiedne Oppostion gegen geistliche Jnstitution, veranlaßt durch die Reformation oder auch sie vorbedeutend. <TEI> <text> <body> <div> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0017" n="237"/> Gott</hi>, und Augustin und der Engel erzaͤhlen die Vernichtung der Weltlichkeit in der Liebe zur Ewigkeit; in heiterer Landschaft ruht die altdeutsche heilige Familie im Kreis der Engel aus, ruͤhrend und gar herzlich klagt der <hi rendition="#g">Himmelsschaͤfer</hi> des Herrn Leiden am <hi rendition="#g">Oelberg</hi>, <hi rendition="#g">Pura</hi> und <hi rendition="#g">Dorothea</hi> schildern den Kampf des Christenthumes mit dem Heidenthume, dem alten Drachen, den auch der <hi rendition="#g">Ritter St. Georg</hi> bekaͤmpft, <hi rendition="#g">Ursula</hi>, Romanze aus jener seltsamen Odyss<hi rendition="#aq">é</hi>e, <hi rendition="#g">St. Meinrad</hi> die alten Kraniche des Jbycus uͤber der romantischen Clause des Heiligen schwebend, der <hi rendition="#g">Abschied von Maria</hi> im ersten, und die Legende von dem <hi rendition="#g">Grafen und der heiligen Catharina</hi> im zweyten Bande wunderschoͤn die Liebe zu den Heiligen und ihre Gegenliebe schildernd, das Lied vom <hi rendition="#g">Kloster Trebniz</hi> stotternd den gleichen Gegenstand ausdruͤckend, <hi rendition="#g">Faust</hi> des Lasters Hoͤllenfahrt, <hi rendition="#g">Suͤndenlust</hi> die Trostlosigkeit der Verdammniß, die <hi rendition="#g">Vorboten des juͤngsten Gerichtes</hi>, die drohenden Zeichen des Untergangs in dunkler Gluͤhschrift an die Wand hinschreibend, die <hi rendition="#g">Erloͤsung</hi> aber wieder troͤstend Zeugniß der goͤttlichen Erbarmung gebend. 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Gott, und Augustin und der Engel erzaͤhlen die Vernichtung der Weltlichkeit in der Liebe zur Ewigkeit; in heiterer Landschaft ruht die altdeutsche heilige Familie im Kreis der Engel aus, ruͤhrend und gar herzlich klagt der Himmelsschaͤfer des Herrn Leiden am Oelberg, Pura und Dorothea schildern den Kampf des Christenthumes mit dem Heidenthume, dem alten Drachen, den auch der Ritter St. Georg bekaͤmpft, Ursula, Romanze aus jener seltsamen Odyssée, St. Meinrad die alten Kraniche des Jbycus uͤber der romantischen Clause des Heiligen schwebend, der Abschied von Maria im ersten, und die Legende von dem Grafen und der heiligen Catharina im zweyten Bande wunderschoͤn die Liebe zu den Heiligen und ihre Gegenliebe schildernd, das Lied vom Kloster Trebniz stotternd den gleichen Gegenstand ausdruͤckend, Faust des Lasters Hoͤllenfahrt, Suͤndenlust die Trostlosigkeit der Verdammniß, die Vorboten des juͤngsten Gerichtes, die drohenden Zeichen des Untergangs in dunkler Gluͤhschrift an die Wand hinschreibend, die Erloͤsung aber wieder troͤstend Zeugniß der goͤttlichen Erbarmung gebend. Und wie es denn der Geist der fruͤheren Zeit gewesen, auch Witz und Schutz hat dem Ernste des religioͤsen Sinnes keineswegs widerstanden, und komische Legenden schließen sich daher auch jenen an. Construction der Welt in diesem Sinne burleske Parodie der Schoͤpfungsgeschichte, Aussicht in die Ewigkeit und Neujerusalem, muntere, arglose Lache zum Himmel aufschlagend, Zucht bringt Frucht und Rosenkranz neckisches Bußlied, auch Abrahams St. Clara Tischpredigt gehoͤrt in diesen Orden. Spottend tritt der Witz im verwandelten Einsiedler hervor, und in der Klosterscheu und im Klosterleben ist eine harte Pein erklaͤrt sich entschiedne Oppostion gegen geistliche Jnstitution, veranlaßt durch die Reformation oder auch sie vorbedeutend.
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(2018-02-08T18:42:42Z)
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Rudolf Brandmeyer: Herausgeber
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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