[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.[irrelevantes Material - 2 Zeilen fehlen] [Joseph Görres: Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. I. Band 1806. 470 S.[,] II. B. 1808. 548 S. u. III. B. 1808. 232 S. Mit Kupfern. Heidelberg bey Mohr und Zimmer. gr. 8. (10 fl. 30 kr.) Des Knaben Horn schweigt, die Glocken verklingen, die Töne sind gestillt, das Liederspiel ist geschlossen; die das wundersame Klingen gehört, treten zusammen und besprechen, was sie vernommen. Neu war es nicht, was sie gerührt, alte verblichene Töne waren ihnen wie eine sympathetische Schrift in der Wärme wieder aufgefrischt; wie ein Strom milder Muttermilch waren ihnen diese Gesänge in das frühe Leben geflossen, und wie frisches, kühles Bergwasser aus den Brüsten der Erde; später aber hatten sie sich selbst Gerstenwein gebraut, mit dem bittern Hopfen der Kritik gewürzt, und vergaßen der früheren Labung. Der grausame Lärm der Welt hatte diese singenden Stimmen frühe schon niedergeschrieen, wie unarticulirte Traumaccente lebten sie gebrochen und unkenntlich nur noch im Wiederhall der Erinnerung; die, mit denen sie ehehin so vertraut gewesen, konnten sich kaum auf sie zurückbesinnen, und gingen unter ihnen herum und kannten sie nicht, und thaten stolz und spröde gegen sie. Des Knaben Wort hat diese Verblendung gelöst, der Vorhang ging in die Höhe, der erste Jugend und die späteren Alter von einander schied; der dunkele Raum dahinter ist beleuchtet, und die fabelhafte Zeit des Menschen erscheint mit den vielen bunten Gestalten erfüllt. Nicht alle haben dies Schauspiel im Guten aufgenommen, sie möchten lieber als halbjährige Kinder Spinnmaschinen, denn diesen Ammenkram getrieben haben: [irrelevantes Material – 2 Zeilen fehlen] [Joseph Goͤrres: Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. I. Band 1806. 470 S.[,] II. B. 1808. 548 S. u. III. B. 1808. 232 S. Mit Kupfern. Heidelberg bey Mohr und Zimmer. gr. 8. (10 fl. 30 kr.) Des Knaben Horn schweigt, die Glocken verklingen, die Toͤne sind gestillt, das Liederspiel ist geschlossen; die das wundersame Klingen gehoͤrt, treten zusammen und besprechen, was sie vernommen. Neu war es nicht, was sie geruͤhrt, alte verblichene Toͤne waren ihnen wie eine sympathetische Schrift in der Waͤrme wieder aufgefrischt; wie ein Strom milder Muttermilch waren ihnen diese Gesaͤnge in das fruͤhe Leben geflossen, und wie frisches, kuͤhles Bergwasser aus den Bruͤsten der Erde; spaͤter aber hatten sie sich selbst Gerstenwein gebraut, mit dem bittern Hopfen der Kritik gewuͤrzt, und vergaßen der fruͤheren Labung. Der grausame Laͤrm der Welt hatte diese singenden Stimmen fruͤhe schon niedergeschrieen, wie unarticulirte Traumaccente lebten sie gebrochen und unkenntlich nur noch im Wiederhall der Erinnerung; die, mit denen sie ehehin so vertraut gewesen, konnten sich kaum auf sie zuruͤckbesinnen, und gingen unter ihnen herum und kannten sie nicht, und thaten stolz und sproͤde gegen sie. Des Knaben Wort hat diese Verblendung geloͤst, der Vorhang ging in die Hoͤhe, der erste Jugend und die spaͤteren Alter von einander schied; der dunkele Raum dahinter ist beleuchtet, und die fabelhafte Zeit des Menschen erscheint mit den vielen bunten Gestalten erfuͤllt. Nicht alle haben dies Schauspiel im Guten aufgenommen, sie moͤchten lieber als halbjaͤhrige Kinder Spinnmaschinen, denn diesen Ammenkram getrieben haben: <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="[222]"/> <div> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="2"/><lb/> </div> <space dim="vertical"/><lb/> <div> <head rendition="#c"> <supplied><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11854019X">Joseph Goͤrres</persName>: Rezension zu:</supplied> <bibl><hi rendition="#g">Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. <ref target="http://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806"><hi rendition="#aq">I</hi>. 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Des Knaben Wort hat diese Verblendung geloͤst, der Vorhang ging in die Hoͤhe, der erste Jugend und die spaͤteren Alter von einander schied; der dunkele Raum dahinter ist beleuchtet, und die fabelhafte Zeit des Menschen erscheint mit den vielen bunten Gestalten erfuͤllt. Nicht alle haben dies Schauspiel im Guten aufgenommen, sie moͤchten lieber als halbjaͤhrige Kinder Spinnmaschinen, denn diesen Ammenkram getrieben haben:<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[222]/0002]
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Joseph Goͤrres: Rezension zu: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. I. Band 1806. 470 S., II. B. 1808. 548 S. u. III. B. 1808. 232 S. Mit Kupfern. Heidelberg bey Mohr und Zimmer. gr. 8. (10 fl. 30 kr.)
Des Knaben Horn schweigt, die Glocken verklingen, die Toͤne sind gestillt, das Liederspiel ist geschlossen; die das wundersame Klingen gehoͤrt, treten zusammen und besprechen, was sie vernommen. Neu war es nicht, was sie geruͤhrt, alte verblichene Toͤne waren ihnen wie eine sympathetische Schrift in der Waͤrme wieder aufgefrischt; wie ein Strom milder Muttermilch waren ihnen diese Gesaͤnge in das fruͤhe Leben geflossen, und wie frisches, kuͤhles Bergwasser aus den Bruͤsten der Erde; spaͤter aber hatten sie sich selbst Gerstenwein gebraut, mit dem bittern Hopfen der Kritik gewuͤrzt, und vergaßen der fruͤheren Labung. Der grausame Laͤrm der Welt hatte diese singenden Stimmen fruͤhe schon niedergeschrieen, wie unarticulirte Traumaccente lebten sie gebrochen und unkenntlich nur noch im Wiederhall der Erinnerung; die, mit denen sie ehehin so vertraut gewesen, konnten sich kaum auf sie zuruͤckbesinnen, und gingen unter ihnen herum und kannten sie nicht, und thaten stolz und sproͤde gegen sie. Des Knaben Wort hat diese Verblendung geloͤst, der Vorhang ging in die Hoͤhe, der erste Jugend und die spaͤteren Alter von einander schied; der dunkele Raum dahinter ist beleuchtet, und die fabelhafte Zeit des Menschen erscheint mit den vielen bunten Gestalten erfuͤllt. Nicht alle haben dies Schauspiel im Guten aufgenommen, sie moͤchten lieber als halbjaͤhrige Kinder Spinnmaschinen, denn diesen Ammenkram getrieben haben:
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Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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