Wiederherstellung dessen was Nationell hei- ssen konnte. Doch auch hier überwog die Bildung des Ueberwundenen nach und nach die Rohheit des Ueberwinders und die Ma- hometanischen Sieger gefielen sich in der Prachtliebe, den angenehmen Sitten und den dichterischen Resten der Besiegten. Daher bleibt noch immer, als die glän- zendste Epoche berühmt, die Zeit, wo die Barmekiden Einfluss hatten zu Bagdad. Diese, vom Balch abstammend, nicht so- wohl selbst Mönche als Patrone und Be- schützer grosser Klöster und Bildungsan- stalten, bewahrten unter sich das heilige Feuer der Dicht- und Redekunst und be- haupteten durch ihre Welt-Klugheit und Charakter-Grösse einen hohen Rang auch in der politischen Sphäre. Die Zeit der Bar- mekiden heisst daher sprichwörtlich: eine Zeit localen, lebendigen Wesens und Wir- kens, von der man, wenn sie vorüber ist, nur hoffen kann dass sie erst nach gerau- men Jahren an fremden Orten unter ähn- lichen Umständen vielleicht wieder aufquel- len werde.
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Wiederherstellung dessen was Nationell hei- ſsen konnte. Doch auch hier überwog die Bildung des Ueberwundenen nach und nach die Rohheit des Ueberwinders und die Ma- hometanischen Sieger gefielen sich in der Prachtliebe, den angenehmen Sitten und den dichterischen Resten der Besiegten. Daher bleibt noch immer, als die glän- zendste Epoche berühmt, die Zeit, wo die Barmekiden Einfluſs hatten zu Bagdad. Diese, vom Balch abstammend, nicht so- wohl selbst Mönche als Patrone und Be- schützer groſser Klöster und Bildungsan- stalten, bewahrten unter sich das heilige Feuer der Dicht- und Redekunst und be- haupteten durch ihre Welt-Klugheit und Charakter-Gröſse einen hohen Rang auch in der politischen Sphäre. Die Zeit der Bar- mekiden heiſst daher sprichwörtlich: eine Zeit localen, lebendigen Wesens und Wir- kens, von der man, wenn sie vorüber ist, nur hoffen kann daſs sie erst nach gerau- men Jahren an fremden Orten unter ähn- lichen Umständen vielleicht wieder aufquel- len werde.
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Wiederherstellung dessen was Nationell hei-
ſsen konnte. Doch auch hier überwog die
Bildung des Ueberwundenen nach und nach
die Rohheit des Ueberwinders und die Ma-
hometanischen Sieger gefielen sich in der
Prachtliebe, den angenehmen Sitten und
den dichterischen Resten der Besiegten.
Daher bleibt noch immer, als die glän-
zendste Epoche berühmt, die Zeit, wo die
Barmekiden Einfluſs hatten zu Bagdad.
Diese, vom Balch abstammend, nicht so-
wohl selbst Mönche als Patrone und Be-
schützer groſser Klöster und Bildungsan-
stalten, bewahrten unter sich das heilige
Feuer der Dicht- und Redekunst und be-
haupteten durch ihre Welt-Klugheit und
Charakter-Gröſse einen hohen Rang auch
in der politischen Sphäre. Die Zeit der Bar-
mekiden heiſst daher sprichwörtlich: eine
Zeit localen, lebendigen Wesens und Wir-
kens, von der man, wenn sie vorüber ist,
nur hoffen kann daſs sie erst nach gerau-
men Jahren an fremden Orten unter ähn-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/299>, abgerufen am 11.01.2025.
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