klagen, begiebt er sich nach Hofe, ist lange vergebens bemüht zu Ansari durchzudrin- gen, und durch dessen Vorsprache seinen Zweck zu erreichen. Endlich macht eine glückliche, gehaltvolle Reimzeile, aus dem Stegreife gesprochen, ihn dem Dichterkö- nige bekannt, welcher, Vertrauen zu sei- nem Talente fassend, ihn empfiehlt und ihm den Auftrag des grossen Werkes verschafft. Firdusi beginnt das Schach Nameh unter günstigen Umständen, er wird im Anfange theilweis hinlänglich belohnt, nach drey- ssigjähriger Arbeit hingegen entspricht das königliche Geschenk seiner Erwartung kei- neswegs. Erbittert verlässt er den Hof und stirbt, eben da der König seiner mit Gunst abermals gedenkt. Mahmud überlebt ihn kaum ein Jahr, innerhalb welches der alte Essedi, Firdusi's Meister, das Schach Nameh völlig zu Ende schreibt.
Dieses Werk ist ein wichtiges, ernstes, mythisch-historisches National-Fundament, worin das Herkommen, das Daseyn, die Wirkung alter Helden aufbewahrt wird. Es bezieht sich auf frühere und spätere Vergangenheit, desshalb das eigentlich Ge-
klagen, begiebt er sich nach Hofe, ist lange vergebens bemüht zu Ansari durchzudrin- gen, und durch dessen Vorsprache seinen Zweck zu erreichen. Endlich macht eine glückliche, gehaltvolle Reimzeile, aus dem Stegreife gesprochen, ihn dem Dichterkö- nige bekannt, welcher, Vertrauen zu sei- nem Talente fassend, ihn empfiehlt und ihm den Auftrag des groſsen Werkes verschafft. Firdusi beginnt das Schach Nameh unter günstigen Umständen, er wird im Anfange theilweis hinlänglich belohnt, nach drey- ſsigjähriger Arbeit hingegen entspricht das königliche Geschenk seiner Erwartung kei- neswegs. Erbittert verläſst er den Hof und stirbt, eben da der König seiner mit Gunst abermals gedenkt. Mahmud überlebt ihn kaum ein Jahr, innerhalb welches der alte Essedi, Firdusi’s Meister, das Schach Nameh völlig zu Ende schreibt.
Dieses Werk ist ein wichtiges, ernstes, mythisch-historisches National-Fundament, worin das Herkommen, das Daseyn, die Wirkung alter Helden aufbewahrt wird. Es bezieht sich auf frühere und spätere Vergangenheit, deſshalb das eigentlich Ge-
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[304/0314]
klagen, begiebt er sich nach Hofe, ist lange
vergebens bemüht zu Ansari durchzudrin-
gen, und durch dessen Vorsprache seinen
Zweck zu erreichen. Endlich macht eine
glückliche, gehaltvolle Reimzeile, aus dem
Stegreife gesprochen, ihn dem Dichterkö-
nige bekannt, welcher, Vertrauen zu sei-
nem Talente fassend, ihn empfiehlt und ihm
den Auftrag des groſsen Werkes verschafft.
Firdusi beginnt das Schach Nameh unter
günstigen Umständen, er wird im Anfange
theilweis hinlänglich belohnt, nach drey-
ſsigjähriger Arbeit hingegen entspricht das
königliche Geschenk seiner Erwartung kei-
neswegs. Erbittert verläſst er den Hof und
stirbt, eben da der König seiner mit Gunst
abermals gedenkt. Mahmud überlebt ihn
kaum ein Jahr, innerhalb welches der alte
Essedi, Firdusi’s Meister, das Schach Nameh
völlig zu Ende schreibt.
Dieses Werk ist ein wichtiges, ernstes,
mythisch-historisches National-Fundament,
worin das Herkommen, das Daseyn, die
Wirkung alter Helden aufbewahrt wird.
Es bezieht sich auf frühere und spätere
Vergangenheit, deſshalb das eigentlich Ge-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/314>, abgerufen am 22.12.2024.
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