Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.er alles, erscheint sinnlich und übersinnlich er alles, erscheint sinnlich und übersinnlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="319"/> er alles, erscheint sinnlich und übersinnlich<lb/> zugleich; die Herrlichkeit der wirklichen<lb/> und Dichterwelt liegt vor ihm, er bewegt<lb/> sich zwischen beyden. Die Mystik konnte<lb/> ihn nicht anmuthen; weil er aber ohne die-<lb/> selbe den Kreis des National-Interesses nicht<lb/> ausgefüllt hätte, so giebt er historisch Re-<lb/> chenschaft von allen den Thorheiten, durch<lb/> welche, stufenweis, der in seinem irdischen<lb/> Wesen befangene Mensch sich der Gottheit<lb/> unmittelbar anzunähern und sich zuletzt mit<lb/> ihr zu vereinigen gedenkt; da denn doch<lb/> zuletzt nur widernatürliche und widergei-<lb/> stige, grasse Gestalten zum Vorscheine kom-<lb/> men. Denn was thut der Mystiker anders?<lb/> als daſs er sich an Problemen vorbey schleicht,<lb/> oder sie weiter schiebt, wenn es sich thun<lb/> läſst.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [319/0329]
er alles, erscheint sinnlich und übersinnlich
zugleich; die Herrlichkeit der wirklichen
und Dichterwelt liegt vor ihm, er bewegt
sich zwischen beyden. Die Mystik konnte
ihn nicht anmuthen; weil er aber ohne die-
selbe den Kreis des National-Interesses nicht
ausgefüllt hätte, so giebt er historisch Re-
chenschaft von allen den Thorheiten, durch
welche, stufenweis, der in seinem irdischen
Wesen befangene Mensch sich der Gottheit
unmittelbar anzunähern und sich zuletzt mit
ihr zu vereinigen gedenkt; da denn doch
zuletzt nur widernatürliche und widergei-
stige, grasse Gestalten zum Vorscheine kom-
men. Denn was thut der Mystiker anders?
als daſs er sich an Problemen vorbey schleicht,
oder sie weiter schiebt, wenn es sich thun
läſst.
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