nachbildete, erneuerte, erweiterte, mit der grössten Klarheit die Tugenden und Fehler seiner Vorgänger in sich vereinigte, so blieb der Folgezeit nichts übrig als zu seyn wie er, insofern sie sich nicht verschlim- merte; und so ist es denn auch drey Jahr- hunderte durch geblieben. Wobey wir nur noch bemerken dass, wenn früher oder später das Drama hätte durchbrechen und ein Dichter dieser Art sich hervorthun können, der ganze Gang der Literatur eine andere Wendung genommen hätte.
Wagten wir nun mit diesem Wenigen fünfhundert Jahre persischer Dicht- und Rede-Kunst zu schildern; so sey es, um mit Quintilian unserm alten Meister zu re- den, von Freunden aufgenommen in der Art wie man runde Zahlen erlaubt, nicht um genauer Bestimmung willen, sondern um etwas Allgemeines, bequemlichkeits- halber, annäherend auszusprechen.
nachbildete, erneuerte, erweiterte, mit der gröſsten Klarheit die Tugenden und Fehler seiner Vorgänger in sich vereinigte, so blieb der Folgezeit nichts übrig als zu seyn wie er, insofern sie sich nicht verschlim- merte; und so ist es denn auch drey Jahr- hunderte durch geblieben. Wobey wir nur noch bemerken daſs, wenn früher oder später das Drama hätte durchbrechen und ein Dichter dieser Art sich hervorthun können, der ganze Gang der Literatur eine andere Wendung genommen hätte.
Wagten wir nun mit diesem Wenigen fünfhundert Jahre persischer Dicht- und Rede-Kunst zu schildern; so sey es, um mit Quintilian unserm alten Meister zu re- den, von Freunden aufgenommen in der Art wie man runde Zahlen erlaubt, nicht um genauer Bestimmung willen, sondern um etwas Allgemeines, bequemlichkeits- halber, annäherend auszusprechen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0334"n="324"/>
nachbildete, erneuerte, erweiterte, mit der<lb/>
gröſsten Klarheit die Tugenden und Fehler<lb/>
seiner Vorgänger in sich vereinigte, so<lb/>
blieb der Folgezeit nichts übrig als zu seyn<lb/>
wie er, insofern sie sich nicht verschlim-<lb/>
merte; und so ist es denn auch drey Jahr-<lb/>
hunderte durch geblieben. Wobey wir nur<lb/>
noch bemerken daſs, wenn früher oder<lb/>
später das Drama hätte durchbrechen und<lb/>
ein Dichter dieser Art sich hervorthun<lb/>
können, der ganze Gang der Literatur eine<lb/>
andere Wendung genommen hätte.</p><lb/><p>Wagten wir nun mit diesem Wenigen<lb/>
fünfhundert Jahre persischer Dicht- und<lb/>
Rede-Kunst zu schildern; so sey es, um<lb/>
mit Quintilian unserm alten Meister zu re-<lb/>
den, von Freunden aufgenommen in der<lb/>
Art wie man runde Zahlen erlaubt, nicht<lb/>
um genauer Bestimmung willen, sondern<lb/>
um etwas Allgemeines, bequemlichkeits-<lb/>
halber, annäherend auszusprechen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[324/0334]
nachbildete, erneuerte, erweiterte, mit der
gröſsten Klarheit die Tugenden und Fehler
seiner Vorgänger in sich vereinigte, so
blieb der Folgezeit nichts übrig als zu seyn
wie er, insofern sie sich nicht verschlim-
merte; und so ist es denn auch drey Jahr-
hunderte durch geblieben. Wobey wir nur
noch bemerken daſs, wenn früher oder
später das Drama hätte durchbrechen und
ein Dichter dieser Art sich hervorthun
können, der ganze Gang der Literatur eine
andere Wendung genommen hätte.
Wagten wir nun mit diesem Wenigen
fünfhundert Jahre persischer Dicht- und
Rede-Kunst zu schildern; so sey es, um
mit Quintilian unserm alten Meister zu re-
den, von Freunden aufgenommen in der
Art wie man runde Zahlen erlaubt, nicht
um genauer Bestimmung willen, sondern
um etwas Allgemeines, bequemlichkeits-
halber, annäherend auszusprechen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/334>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.