Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

germassen dadurch helfen dass man die drey
Hauptelemente in einem Kreis gegen einander
überstellt und sich Musterstücke sucht, wo je-
des Element einzeln obwaltet. Alsdann sammle
man Beyspiele die sich nach der einen oder nach
der andern Seite hinneigen, bis endlich die
Vereinigung von allen dreyen erscheint und
somit der ganze Kreis in sich geschlossen ist.

Auf diesem Wege gelangt man zu
schönen Ansichten, sowohl der Dichtarten,
als des Charakters der Nationen und ihres
Geschmacks in einer Zeitfolge. Und ob-
gleich diese Verfahrungsart mehr zu eigner
Belehrung, Unterhaltung und Massregel,
als zum Unterricht anderer geeignet seyn
mag, so wäre doch vielleicht ein Schema
aufzustellen, welches zugleich die äusseren
zufälligen Formen und diese inneren noth-
wendigen Uranfänge in fasslicher Ordnung
darbrächte. Der Versuch jedoch wird im-
mer so schwierig seyn als in der Natur-
kunde das Bestreben den Bezug auszufinden
der äusseren Kennzeichen von Mineralien
und Pflanzen zu ihren inneren Bestandthei-
len, um eine naturgemässe Ordnung dem
Geiste darzustellen.


germaſsen dadurch helfen daſs man die drey
Hauptelemente in einem Kreis gegen einander
überstellt und sich Musterstücke sucht, wo je-
des Element einzeln obwaltet. Alsdann sammle
man Beyspiele die sich nach der einen oder nach
der andern Seite hinneigen, bis endlich die
Vereinigung von allen dreyen erscheint und
somit der ganze Kreis in sich geschlossen ist.

Auf diesem Wege gelangt man zu
schönen Ansichten, sowohl der Dichtarten,
als des Charakters der Nationen und ihres
Geschmacks in einer Zeitfolge. Und ob-
gleich diese Verfahrungsart mehr zu eigner
Belehrung, Unterhaltung und Maſsregel,
als zum Unterricht anderer geeignet seyn
mag, so wäre doch vielleicht ein Schema
aufzustellen, welches zugleich die äuſseren
zufälligen Formen und diese inneren noth-
wendigen Uranfänge in faſslicher Ordnung
darbrächte. Der Versuch jedoch wird im-
mer so schwierig seyn als in der Natur-
kunde das Bestreben den Bezug auszufinden
der äuſseren Kennzeichen von Mineralien
und Pflanzen zu ihren inneren Bestandthei-
len, um eine naturgemäſse Ordnung dem
Geiste darzustellen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0393" n="383"/>
germa&#x017F;sen dadurch helfen da&#x017F;s man die drey<lb/>
Hauptelemente in einem Kreis gegen einander<lb/>
überstellt und sich Musterstücke sucht, wo je-<lb/>
des Element einzeln obwaltet. Alsdann sammle<lb/>
man Beyspiele die sich nach der einen oder nach<lb/>
der andern Seite hinneigen, bis endlich die<lb/>
Vereinigung von allen dreyen erscheint und<lb/>
somit der ganze Kreis in sich geschlossen ist.</p><lb/>
          <p>Auf diesem Wege gelangt man zu<lb/>
schönen Ansichten, sowohl der Dichtarten,<lb/>
als des Charakters der Nationen und ihres<lb/>
Geschmacks in einer Zeitfolge. Und ob-<lb/>
gleich diese Verfahrungsart mehr zu eigner<lb/>
Belehrung, Unterhaltung und Ma&#x017F;sregel,<lb/>
als zum Unterricht anderer geeignet seyn<lb/>
mag, so wäre doch vielleicht ein Schema<lb/>
aufzustellen, welches zugleich die äu&#x017F;seren<lb/>
zufälligen Formen und diese inneren noth-<lb/>
wendigen Uranfänge in fa&#x017F;slicher Ordnung<lb/>
darbrächte. Der Versuch jedoch wird im-<lb/>
mer so schwierig seyn als in der Natur-<lb/>
kunde das Bestreben den Bezug auszufinden<lb/>
der äu&#x017F;seren Kennzeichen von Mineralien<lb/>
und Pflanzen zu ihren inneren Bestandthei-<lb/>
len, um eine naturgemä&#x017F;se Ordnung dem<lb/>
Geiste darzustellen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0393] germaſsen dadurch helfen daſs man die drey Hauptelemente in einem Kreis gegen einander überstellt und sich Musterstücke sucht, wo je- des Element einzeln obwaltet. Alsdann sammle man Beyspiele die sich nach der einen oder nach der andern Seite hinneigen, bis endlich die Vereinigung von allen dreyen erscheint und somit der ganze Kreis in sich geschlossen ist. Auf diesem Wege gelangt man zu schönen Ansichten, sowohl der Dichtarten, als des Charakters der Nationen und ihres Geschmacks in einer Zeitfolge. Und ob- gleich diese Verfahrungsart mehr zu eigner Belehrung, Unterhaltung und Maſsregel, als zum Unterricht anderer geeignet seyn mag, so wäre doch vielleicht ein Schema aufzustellen, welches zugleich die äuſseren zufälligen Formen und diese inneren noth- wendigen Uranfänge in faſslicher Ordnung darbrächte. Der Versuch jedoch wird im- mer so schwierig seyn als in der Natur- kunde das Bestreben den Bezug auszufinden der äuſseren Kennzeichen von Mineralien und Pflanzen zu ihren inneren Bestandthei- len, um eine naturgemäſse Ordnung dem Geiste darzustellen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/393
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/393>, abgerufen am 22.12.2024.