nichts hat auf ihn gewirkt; er ist ein treff- licher, starker Mann geworden, aber unter allen Verhältnissen roh geblieben. Und als einen solchen kräftigen, kurz gebundenen, verschlossenen, der Mittheilung unfähigen finden wir ihn auch in der Verbannung wieder. Seine kühne Faust erwirbt ihm die Neigung eines Midianitischen Fürsten- priesters, der ihn sogleich mit seiner Fa- milie verbindet. Nun lernt er die Wüste kennen, wo er künftig in dem beschwerli- chen Amte eines Heerführers auftreten soll.
Und nun lasset uns vor allen Dingen einen Blick auf die Midianiten werfen, un- ter welchen sich Moses gegenwärtig befin- det. Wir haben sie als ein grosses Volk anzuerkennen, das, wie alle nomadischen und handlenden Völker, durch mannigfaltige Beschäftigung seiner Stämme, durch eine bewegliche Ausbreitung, noch grösser er- scheint als es ist. Wir finden die Midiani- ten am Berge Horeb, an der westlichen Seite des kleinen Meerbusens und sodann bis gegen Moab und den Arnon. Schon zeitig fanden wir sie als Handelsleute, die
nichts hat auf ihn gewirkt; er ist ein treff- licher, starker Mann geworden, aber unter allen Verhältnissen roh geblieben. Und als einen solchen kräftigen, kurz gebundenen, verschlossenen, der Mittheilung unfähigen finden wir ihn auch in der Verbannung wieder. Seine kühne Faust erwirbt ihm die Neigung eines Midianitischen Fürsten- priesters, der ihn sogleich mit seiner Fa- milie verbindet. Nun lernt er die Wüste kennen, wo er künftig in dem beschwerli- chen Amte eines Heerführers auftreten soll.
Und nun lasset uns vor allen Dingen einen Blick auf die Midianiten werfen, un- ter welchen sich Moses gegenwärtig befin- det. Wir haben sie als ein groſses Volk anzuerkennen, das, wie alle nomadischen und handlenden Völker, durch mannigfaltige Beschäftigung seiner Stämme, durch eine bewegliche Ausbreitung, noch gröſser er- scheint als es ist. Wir finden die Midiani- ten am Berge Horeb, an der westlichen Seite des kleinen Meerbusens und sodann bis gegen Moab und den Arnon. Schon zeitig fanden wir sie als Handelsleute, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0442"n="430[432]"/>
nichts hat auf ihn gewirkt; er ist ein treff-<lb/>
licher, starker Mann geworden, aber unter<lb/>
allen Verhältnissen roh geblieben. Und als<lb/>
einen solchen kräftigen, kurz gebundenen,<lb/>
verschlossenen, der Mittheilung unfähigen<lb/>
finden wir ihn auch in der Verbannung<lb/>
wieder. Seine kühne Faust erwirbt ihm<lb/>
die Neigung eines Midianitischen Fürsten-<lb/>
priesters, der ihn sogleich mit seiner Fa-<lb/>
milie verbindet. Nun lernt er die Wüste<lb/>
kennen, wo er künftig in dem beschwerli-<lb/>
chen Amte eines Heerführers auftreten soll.</p><lb/><p>Und nun lasset uns vor allen Dingen<lb/>
einen Blick auf die Midianiten werfen, un-<lb/>
ter welchen sich Moses gegenwärtig befin-<lb/>
det. Wir haben sie als ein groſses Volk<lb/>
anzuerkennen, das, wie alle nomadischen<lb/>
und handlenden Völker, durch mannigfaltige<lb/>
Beschäftigung seiner Stämme, durch eine<lb/>
bewegliche Ausbreitung, noch gröſser er-<lb/>
scheint als es ist. Wir finden die Midiani-<lb/>
ten am Berge Horeb, an der westlichen<lb/>
Seite des kleinen Meerbusens und sodann<lb/>
bis gegen Moab und den Arnon. Schon<lb/>
zeitig fanden wir sie als Handelsleute, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[430[432]/0442]
nichts hat auf ihn gewirkt; er ist ein treff-
licher, starker Mann geworden, aber unter
allen Verhältnissen roh geblieben. Und als
einen solchen kräftigen, kurz gebundenen,
verschlossenen, der Mittheilung unfähigen
finden wir ihn auch in der Verbannung
wieder. Seine kühne Faust erwirbt ihm
die Neigung eines Midianitischen Fürsten-
priesters, der ihn sogleich mit seiner Fa-
milie verbindet. Nun lernt er die Wüste
kennen, wo er künftig in dem beschwerli-
chen Amte eines Heerführers auftreten soll.
Und nun lasset uns vor allen Dingen
einen Blick auf die Midianiten werfen, un-
ter welchen sich Moses gegenwärtig befin-
det. Wir haben sie als ein groſses Volk
anzuerkennen, das, wie alle nomadischen
und handlenden Völker, durch mannigfaltige
Beschäftigung seiner Stämme, durch eine
bewegliche Ausbreitung, noch gröſser er-
scheint als es ist. Wir finden die Midiani-
ten am Berge Horeb, an der westlichen
Seite des kleinen Meerbusens und sodann
bis gegen Moab und den Arnon. Schon
zeitig fanden wir sie als Handelsleute, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 430[432]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/442>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.