einer zweydeutigen Lage. Josua und Ka- leb, die beherztesten unter den zwölf Ab- gesandten, rathen zum Angriff, rufen auf, getrauen sich das Land zu gewinnen. In- dessen wird durch übertriebene Beschrei- bung von bewaffneten Riesen-Geschlech- tern allenthalben Furcht und Schrecken er- regt; das verschüchterte Heer weigert sich hinauf zu rücken. Moses weiss sich wie- der nicht zu helfen, erst fordert er sie auf, dann scheint auch ihm ein Angriff von die- ser Seite gefährlich. Er schlägt vor nach Osten zu ziehen. Hier mochte nun einem biedern Theil des Heeres gar zu unwürdig scheinen, solch einen ernstlichen, mühsam verfolgten Plan, auf diesem ersehnten Punct, aufzugeben. Sie rotten sich zusammen und ziehen wirklich das Gebirg hinauf. Moses aber bleibt zurück, das Heiligthum setzt sich nicht in Bewegung, daher ziemt es weder Josua noch Kaleb sich an die Spitze der Kühneren zu stellen. Genug! der nicht unterstützte, eigenmächtige Vortrab wird geschlagen, Ungeduld vermehrt sich. Der so oft schon ausgebrochene Unmuth des Volkes, die mehreren Meutereyen, an de-
einer zweydeutigen Lage. Josua und Ka- leb, die beherztesten unter den zwölf Ab- gesandten, rathen zum Angriff, rufen auf, getrauen sich das Land zu gewinnen. In- dessen wird durch übertriebene Beschrei- bung von bewaffneten Riesen-Geschlech- tern allenthalben Furcht und Schrecken er- regt; das verschüchterte Heer weigert sich hinauf zu rücken. Moses weiſs sich wie- der nicht zu helfen, erst fordert er sie auf, dann scheint auch ihm ein Angriff von die- ser Seite gefährlich. Er schlägt vor nach Osten zu ziehen. Hier mochte nun einem biedern Theil des Heeres gar zu unwürdig scheinen, solch einen ernstlichen, mühsam verfolgten Plan, auf diesem ersehnten Punct, aufzugeben. Sie rotten sich zusammen und ziehen wirklich das Gebirg hinauf. Moses aber bleibt zurück, das Heiligthum setzt sich nicht in Bewegung, daher ziemt es weder Josua noch Kaleb sich an die Spitze der Kühneren zu stellen. Genug! der nicht unterstützte, eigenmächtige Vortrab wird geschlagen, Ungeduld vermehrt sich. Der so oft schon ausgebrochene Unmuth des Volkes, die mehreren Meutereyen, an de-
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[440[442]/0452]
einer zweydeutigen Lage. Josua und Ka-
leb, die beherztesten unter den zwölf Ab-
gesandten, rathen zum Angriff, rufen auf,
getrauen sich das Land zu gewinnen. In-
dessen wird durch übertriebene Beschrei-
bung von bewaffneten Riesen-Geschlech-
tern allenthalben Furcht und Schrecken er-
regt; das verschüchterte Heer weigert sich
hinauf zu rücken. Moses weiſs sich wie-
der nicht zu helfen, erst fordert er sie auf,
dann scheint auch ihm ein Angriff von die-
ser Seite gefährlich. Er schlägt vor nach
Osten zu ziehen. Hier mochte nun einem
biedern Theil des Heeres gar zu unwürdig
scheinen, solch einen ernstlichen, mühsam
verfolgten Plan, auf diesem ersehnten Punct,
aufzugeben. Sie rotten sich zusammen und
ziehen wirklich das Gebirg hinauf. Moses
aber bleibt zurück, das Heiligthum setzt
sich nicht in Bewegung, daher ziemt es
weder Josua noch Kaleb sich an die Spitze
der Kühneren zu stellen. Genug! der nicht
unterstützte, eigenmächtige Vortrab wird
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 440[442]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/452>, abgerufen am 22.12.2024.
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