Kräfte und der damit innig verbundenen Charakterstärke. Das wüste Treiben frü- herer Kreuzzüge hatte sich nun zur Kriegs- kunst und zu ritterlichem Wesen herange- bildet auch die Galanterie in sich aufge- nommen. Wir sehen den Jüngling wie er mehreren Schönen, besonders in Gedichten, den Hof macht, zuletzt aber höchst un- glücklich wird als ihn die eine, die er sich anzueignen, mit der er sich ernstlich zu verbinden gedenkt, hinantsetzt und einem unwürdigen sich hingiebt. Sein Schmerz ist gränzenlos und um sich Luft zu machen beschliesst er, im Pilgerkleide, nach dem heiligen Lande zu wallen.
Im Jahre 1614 gelangt er nach Constan- tinopel, wo sein adeliches, einnehmendes Wesen die beste Aufnahme gewinnt. Nach Art seiner früheren Studien wirft er sich gleich auf die orientalischen Sprachen, ver- schafft sich zuerst eine Uebersicht der tür- kischen Literatur, Landesart und Sitten, und begiebt sich sodann, nicht ohne Be- dauern seiner neu erworbenen Freunde, nach Aegypten. Seinen dortigen Aufenthalt nutzt er ebenfalls um die alterthümliche Welt und
Kräfte und der damit innig verbundenen Charakterstärke. Das wüste Treiben frü- herer Kreuzzüge hatte sich nun zur Kriegs- kunst und zu ritterlichem Wesen herange- bildet auch die Galanterie in sich aufge- nommen. Wir sehen den Jüngling wie er mehreren Schönen, besonders in Gedichten, den Hof macht, zuletzt aber höchst un- glücklich wird als ihn die eine, die er sich anzueignen, mit der er sich ernstlich zu verbinden gedenkt, hinantsetzt und einem unwürdigen sich hingiebt. Sein Schmerz ist gränzenlos und um sich Luft zu machen beschlieſst er, im Pilgerkleide, nach dem heiligen Lande zu wallen.
Im Jahre 1614 gelangt er nach Constan- tinopel, wo sein adeliches, einnehmendes Wesen die beste Aufnahme gewinnt. Nach Art seiner früheren Studien wirft er sich gleich auf die orientalischen Sprachen, ver- schafft sich zuerst eine Uebersicht der tür- kischen Literatur, Landesart und Sitten, und begiebt sich sodann, nicht ohne Be- dauern seiner neu erworbenen Freunde, nach Aegypten. Seinen dortigen Aufenthalt nutzt er ebenfalls um die alterthümliche Welt und
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[467[469]/0479]
Kräfte und der damit innig verbundenen
Charakterstärke. Das wüste Treiben frü-
herer Kreuzzüge hatte sich nun zur Kriegs-
kunst und zu ritterlichem Wesen herange-
bildet auch die Galanterie in sich aufge-
nommen. Wir sehen den Jüngling wie er
mehreren Schönen, besonders in Gedichten,
den Hof macht, zuletzt aber höchst un-
glücklich wird als ihn die eine, die er sich
anzueignen, mit der er sich ernstlich zu
verbinden gedenkt, hinantsetzt und einem
unwürdigen sich hingiebt. Sein Schmerz
ist gränzenlos und um sich Luft zu machen
beschlieſst er, im Pilgerkleide, nach dem
heiligen Lande zu wallen.
Im Jahre 1614 gelangt er nach Constan-
tinopel, wo sein adeliches, einnehmendes
Wesen die beste Aufnahme gewinnt. Nach
Art seiner früheren Studien wirft er sich
gleich auf die orientalischen Sprachen, ver-
schafft sich zuerst eine Uebersicht der tür-
kischen Literatur, Landesart und Sitten,
und begiebt sich sodann, nicht ohne Be-
dauern seiner neu erworbenen Freunde, nach
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 467[469]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/479>, abgerufen am 22.12.2024.
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