Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

seyn. Selbst die Kriege die, so manches
hindernd, zerstören, haben der gründlichen
Einsicht viele Vortheile gebracht. Von den
Himelaja-Gebirgen herab sind uns die Län-
dereyen zu beiden Seiten des Indus, die
bisher noch mährchenhaft genug geblieben,
klar, mit der übrigen Welt im Zusammen-
hang erschienen. Ueber die Halbinsel hin-
unter bis Java können wir nach Belieben,
nach Kräften und Gelegenheit unsere Ueber-
sicht ausdehnen und uns im Besondersten
unterrichten; und so öffnet sich den jün-
gern Freunden des Orients eine Pforte nach
der andern, um die Geheimnisse jener Ur-
welt, die Mängel einer seltsamen Verfas-
sung und unglücklichen Religion, so wie
die Herrlichkeit der Poesie kennen zu ler-
nen, in die sich reine Menschheit, edle
Sitte, Heiterkeit und Liebe flüchtet, um
uns über Castenstreit, phantastische Reli-
gions-Ungeheuer und abstrusen Mysticis-
mus zu trösten und zu überzeugen, dass
doch zuletzt in ihr das Heil der Mensch-
heit aufbewahrt bleibe.


seyn. Selbst die Kriege die, so manches
hindernd, zerstören, haben der gründlichen
Einsicht viele Vortheile gebracht. Von den
Himelaja-Gebirgen herab sind uns die Län-
dereyen zu beiden Seiten des Indus, die
bisher noch mährchenhaft genug geblieben,
klar, mit der übrigen Welt im Zusammen-
hang erschienen. Ueber die Halbinsel hin-
unter bis Java können wir nach Belieben,
nach Kräften und Gelegenheit unsere Ueber-
sicht ausdehnen und uns im Besondersten
unterrichten; und so öffnet sich den jün-
gern Freunden des Orients eine Pforte nach
der andern, um die Geheimnisse jener Ur-
welt, die Mängel einer seltsamen Verfas-
sung und unglücklichen Religion, so wie
die Herrlichkeit der Poesie kennen zu ler-
nen, in die sich reine Menschheit, edle
Sitte, Heiterkeit und Liebe flüchtet, um
uns über Castenstreit, phantastische Reli-
gions-Ungeheuer und abstrusen Mysticis-
mus zu trösten und zu überzeugen, daſs
doch zuletzt in ihr das Heil der Mensch-
heit aufbewahrt bleibe.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0514" n="504"/>
seyn. Selbst die Kriege die, so manches<lb/>
hindernd, zerstören, haben der gründlichen<lb/>
Einsicht viele Vortheile gebracht. Von den<lb/>
Himelaja-Gebirgen herab sind uns die Län-<lb/>
dereyen zu beiden Seiten des Indus, die<lb/>
bisher noch mährchenhaft genug geblieben,<lb/>
klar, mit der übrigen Welt im Zusammen-<lb/>
hang erschienen. Ueber die Halbinsel hin-<lb/>
unter bis Java können wir nach Belieben,<lb/>
nach Kräften und Gelegenheit unsere Ueber-<lb/>
sicht ausdehnen und uns im Besondersten<lb/>
unterrichten; und so öffnet sich den jün-<lb/>
gern Freunden des Orients eine Pforte nach<lb/>
der andern, um die Geheimnisse jener Ur-<lb/>
welt, die Mängel einer seltsamen Verfas-<lb/>
sung und unglücklichen Religion, so wie<lb/>
die Herrlichkeit der Poesie kennen zu ler-<lb/>
nen, in die sich reine Menschheit, edle<lb/>
Sitte, Heiterkeit und Liebe flüchtet, um<lb/>
uns über Castenstreit, phantastische Reli-<lb/>
gions-Ungeheuer und abstrusen Mysticis-<lb/>
mus zu trösten und zu überzeugen, da&#x017F;s<lb/>
doch zuletzt in ihr das Heil der Mensch-<lb/>
heit aufbewahrt bleibe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[504/0514] seyn. Selbst die Kriege die, so manches hindernd, zerstören, haben der gründlichen Einsicht viele Vortheile gebracht. Von den Himelaja-Gebirgen herab sind uns die Län- dereyen zu beiden Seiten des Indus, die bisher noch mährchenhaft genug geblieben, klar, mit der übrigen Welt im Zusammen- hang erschienen. Ueber die Halbinsel hin- unter bis Java können wir nach Belieben, nach Kräften und Gelegenheit unsere Ueber- sicht ausdehnen und uns im Besondersten unterrichten; und so öffnet sich den jün- gern Freunden des Orients eine Pforte nach der andern, um die Geheimnisse jener Ur- welt, die Mängel einer seltsamen Verfas- sung und unglücklichen Religion, so wie die Herrlichkeit der Poesie kennen zu ler- nen, in die sich reine Menschheit, edle Sitte, Heiterkeit und Liebe flüchtet, um uns über Castenstreit, phantastische Reli- gions-Ungeheuer und abstrusen Mysticis- mus zu trösten und zu überzeugen, daſs doch zuletzt in ihr das Heil der Mensch- heit aufbewahrt bleibe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/514
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/514>, abgerufen am 22.12.2024.