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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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unsern Wünschen zu Hülfe. Nun musste
der französische Gelehrte orientalische
Worte und Namen der nationellen Ausspra-
che und Hörweise aneignen und gefällig
machen, welches denn auch in deutsche
Cultur nach und nach herüberging. So sa-
gen wir noch Hegire lieber als Hedschra,
des angenehmen Klanges und der alten Be-
kanntschaft wegen.

Wie viel haben an ihrer Seite die
Engländer nicht geleistet! Und, ob sie
schon über die Aussprache ihres eignen
Idioms nicht einig sind, sich doch, wie
billig, des Rechts bedient, jene Namen
nach ihrer Weise auszusprechen und zu
schreiben, wodurch wir abermals in Schwan-
ken und Zweifel gerathen.

Die Deutschen, denen es am leichte-
sten fällt zu schreiben wie sie sprechen,
die sich fremden Klängen, Quantitäten und
Accenten nicht ungern gleichstellen, gingen
ernstlich zu Werke. Eben aber weil sie
dem Ausländischen und Fremden sich im-
mer mehr anzunähern bemüht gewesen, so
findet man auch hier zwischen älteren und
neueren Schriften grossen Unterschied, so

unsern Wünschen zu Hülfe. Nun muſste
der französische Gelehrte orientalische
Worte und Namen der nationellen Ausspra-
che und Hörweise aneignen und gefällig
machen, welches denn auch in deutsche
Cultur nach und nach herüberging. So sa-
gen wir noch Hegire lieber als Hedschra,
des angenehmen Klanges und der alten Be-
kanntschaft wegen.

Wie viel haben an ihrer Seite die
Engländer nicht geleistet! Und, ob sie
schon über die Aussprache ihres eignen
Idioms nicht einig sind, sich doch, wie
billig, des Rechts bedient, jene Namen
nach ihrer Weise auszusprechen und zu
schreiben, wodurch wir abermals in Schwan-
ken und Zweifel gerathen.

Die Deutschen, denen es am leichte-
sten fällt zu schreiben wie sie sprechen,
die sich fremden Klängen, Quantitäten und
Accenten nicht ungern gleichstellen, gingen
ernstlich zu Werke. Eben aber weil sie
dem Ausländischen und Fremden sich im-
mer mehr anzunähern bemüht gewesen, so
findet man auch hier zwischen älteren und
neueren Schriften groſsen Unterschied, so

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[549/0559] unsern Wünschen zu Hülfe. Nun muſste der französische Gelehrte orientalische Worte und Namen der nationellen Ausspra- che und Hörweise aneignen und gefällig machen, welches denn auch in deutsche Cultur nach und nach herüberging. So sa- gen wir noch Hegire lieber als Hedschra, des angenehmen Klanges und der alten Be- kanntschaft wegen. Wie viel haben an ihrer Seite die Engländer nicht geleistet! Und, ob sie schon über die Aussprache ihres eignen Idioms nicht einig sind, sich doch, wie billig, des Rechts bedient, jene Namen nach ihrer Weise auszusprechen und zu schreiben, wodurch wir abermals in Schwan- ken und Zweifel gerathen. Die Deutschen, denen es am leichte- sten fällt zu schreiben wie sie sprechen, die sich fremden Klängen, Quantitäten und Accenten nicht ungern gleichstellen, gingen ernstlich zu Werke. Eben aber weil sie dem Ausländischen und Fremden sich im- mer mehr anzunähern bemüht gewesen, so findet man auch hier zwischen älteren und neueren Schriften groſsen Unterschied, so

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/559>, abgerufen am 09.11.2024.