Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
640.

Daß in den Muscheln solche Säfte sich befinden,
zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugsam, in-
dem sie uns dieselben noch in ihrem flüssigen und fär-
benden Zustande darbietet; wovon der Saft des Tin-
tenfisches ein Zeugniß gibt; ein weit stärkeres aber
derjenige Purpursaft, welcher in mehreren Schnecken
gefunden wird, der von Alters her so berühmt ist
und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es
gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wür-
mer, welche sich in Schalgehäusen aufhalten, ein
gewisses Gefäß, das mit einem rothen Safte gefüllt
ist. Dieser enthält ein sehr stark und dauerhaft fär-
bendes Wesen, so daß man die ganzen Thiere zer-
knirschen, kochen und aus dieser animalischen Brühe
doch noch eine hinreichend färbende Feuchtigkeit heraus-
nehmen konnte. Es läßt sich aber dieses farbgefüllte
Gefäß auch von dem Thiere absondern, wodurch denn
freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird.

641.

Dieser Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht
und der Luft ausgesetzt, erst gelblich, dann grünlich er-
scheint, dann ins Blaue, von da ins Violette über-
geht, immer aber ein höheres Roth annimmt, und
zuletzt durch Einwirkung der Sonne, besonders wenn
er auf Battist aufgetragen worden, eine reine hohe
rothe Farbe annimmt.

640.

Daß in den Muſcheln ſolche Saͤfte ſich befinden,
zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugſam, in-
dem ſie uns dieſelben noch in ihrem fluͤſſigen und faͤr-
benden Zuſtande darbietet; wovon der Saft des Tin-
tenfiſches ein Zeugniß gibt; ein weit ſtaͤrkeres aber
derjenige Purpurſaft, welcher in mehreren Schnecken
gefunden wird, der von Alters her ſo beruͤhmt iſt
und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es
gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wuͤr-
mer, welche ſich in Schalgehaͤuſen aufhalten, ein
gewiſſes Gefaͤß, das mit einem rothen Safte gefuͤllt
iſt. Dieſer enthaͤlt ein ſehr ſtark und dauerhaft faͤr-
bendes Weſen, ſo daß man die ganzen Thiere zer-
knirſchen, kochen und aus dieſer animaliſchen Bruͤhe
doch noch eine hinreichend faͤrbende Feuchtigkeit heraus-
nehmen konnte. Es laͤßt ſich aber dieſes farbgefuͤllte
Gefaͤß auch von dem Thiere abſondern, wodurch denn
freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird.

641.

Dieſer Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht
und der Luft ausgeſetzt, erſt gelblich, dann gruͤnlich er-
ſcheint, dann ins Blaue, von da ins Violette uͤber-
geht, immer aber ein hoͤheres Roth annimmt, und
zuletzt durch Einwirkung der Sonne, beſonders wenn
er auf Battiſt aufgetragen worden, eine reine hohe
rothe Farbe annimmt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0291" n="237"/>
            <div n="4">
              <head>640.</head><lb/>
              <p>Daß in den Mu&#x017F;cheln &#x017F;olche Sa&#x0364;fte &#x017F;ich befinden,<lb/>
zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genug&#x017F;am, in-<lb/>
dem &#x017F;ie uns die&#x017F;elben noch in ihrem flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen und fa&#x0364;r-<lb/>
benden Zu&#x017F;tande darbietet; wovon der Saft des Tin-<lb/>
tenfi&#x017F;ches ein Zeugniß gibt; ein weit &#x017F;ta&#x0364;rkeres aber<lb/>
derjenige Purpur&#x017F;aft, welcher in mehreren Schnecken<lb/>
gefunden wird, der von Alters her &#x017F;o beru&#x0364;hmt i&#x017F;t<lb/>
und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es<lb/>
gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wu&#x0364;r-<lb/>
mer, welche &#x017F;ich in Schalgeha&#x0364;u&#x017F;en aufhalten, ein<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;es Gefa&#x0364;ß, das mit einem rothen Safte gefu&#x0364;llt<lb/>
i&#x017F;t. Die&#x017F;er entha&#x0364;lt ein &#x017F;ehr &#x017F;tark und dauerhaft fa&#x0364;r-<lb/>
bendes We&#x017F;en, &#x017F;o daß man die ganzen Thiere zer-<lb/>
knir&#x017F;chen, kochen und aus die&#x017F;er animali&#x017F;chen Bru&#x0364;he<lb/>
doch noch eine hinreichend fa&#x0364;rbende Feuchtigkeit heraus-<lb/>
nehmen konnte. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich aber die&#x017F;es farbgefu&#x0364;llte<lb/>
Gefa&#x0364;ß auch von dem Thiere ab&#x017F;ondern, wodurch denn<lb/>
freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>641.</head><lb/>
              <p>Die&#x017F;er Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht<lb/>
und der Luft ausge&#x017F;etzt, er&#x017F;t gelblich, dann gru&#x0364;nlich er-<lb/>
&#x017F;cheint, dann ins Blaue, von da ins Violette u&#x0364;ber-<lb/>
geht, immer aber ein ho&#x0364;heres Roth annimmt, und<lb/>
zuletzt durch Einwirkung der Sonne, be&#x017F;onders wenn<lb/>
er auf Batti&#x017F;t aufgetragen worden, eine reine hohe<lb/>
rothe Farbe annimmt.</p>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0291] 640. Daß in den Muſcheln ſolche Saͤfte ſich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugſam, in- dem ſie uns dieſelben noch in ihrem fluͤſſigen und faͤr- benden Zuſtande darbietet; wovon der Saft des Tin- tenfiſches ein Zeugniß gibt; ein weit ſtaͤrkeres aber derjenige Purpurſaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von Alters her ſo beruͤhmt iſt und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wuͤr- mer, welche ſich in Schalgehaͤuſen aufhalten, ein gewiſſes Gefaͤß, das mit einem rothen Safte gefuͤllt iſt. Dieſer enthaͤlt ein ſehr ſtark und dauerhaft faͤr- bendes Weſen, ſo daß man die ganzen Thiere zer- knirſchen, kochen und aus dieſer animaliſchen Bruͤhe doch noch eine hinreichend faͤrbende Feuchtigkeit heraus- nehmen konnte. Es laͤßt ſich aber dieſes farbgefuͤllte Gefaͤß auch von dem Thiere abſondern, wodurch denn freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird. 641. Dieſer Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht und der Luft ausgeſetzt, erſt gelblich, dann gruͤnlich er- ſcheint, dann ins Blaue, von da ins Violette uͤber- geht, immer aber ein hoͤheres Roth annimmt, und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, beſonders wenn er auf Battiſt aufgetragen worden, eine reine hohe rothe Farbe annimmt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/291
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/291>, abgerufen am 23.12.2024.