Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

sich leicht wieder aufs neue erregen: nach unserer
Meynung ein Urphänomen, das unmittelbar an der
Idee steht und nichts Irdisches über sich erkennt.

742.

Mit der Electricität verhält es sich wieder auf
eine eigne Weise. Das Electrische, als ein Gleich-
gültiges, kennen wir nicht. Es ist für uns ein Nichts,
ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichgültigkeitspunct,
der aber in allen erscheinenden Wesen liegt, und zu-
gleich der Quellpunct ist, aus dem bey dem gering-
sten Anlaß eine Doppelerscheinung hervortritt, welche
nur insofern erscheint, als sie wieder verschwindet.
Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten
erregt wird, sind, nach Beschaffenheit der besondern
Körper, unendlich verschieden. Von dem gröbsten
mechanischen Reiben sehr unterschiedener Körper an ein-
ander bis zu dem leisesten Nebeneinanderseyn zweyer
völlig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch
anders determinirten Körper, ist die Erscheinung rege
und gegenwärtig, ja auffallend und mächtig, und
zwar dergestalt bestimmt und geeignet, daß wir die
Formeln der Polarität, des Plus und Minus, als
Nord und Süd, als Glas und Harz, schicklich und
naturgemäß anwenden.

743.

Diese Erscheinung, ob sie gleich der Oberfläche
besonders folgt, ist doch keinesweges oberflächlich. Sie
wirkt auf die Bestimmung körperlicher Eigenschaften,

ſich leicht wieder aufs neue erregen: nach unſerer
Meynung ein Urphaͤnomen, das unmittelbar an der
Idee ſteht und nichts Irdiſches uͤber ſich erkennt.

742.

Mit der Electricitaͤt verhaͤlt es ſich wieder auf
eine eigne Weiſe. Das Electriſche, als ein Gleich-
guͤltiges, kennen wir nicht. Es iſt fuͤr uns ein Nichts,
ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichguͤltigkeitspunct,
der aber in allen erſcheinenden Weſen liegt, und zu-
gleich der Quellpunct iſt, aus dem bey dem gering-
ſten Anlaß eine Doppelerſcheinung hervortritt, welche
nur inſofern erſcheint, als ſie wieder verſchwindet.
Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten
erregt wird, ſind, nach Beſchaffenheit der beſondern
Koͤrper, unendlich verſchieden. Von dem groͤbſten
mechaniſchen Reiben ſehr unterſchiedener Koͤrper an ein-
ander bis zu dem leiſeſten Nebeneinanderſeyn zweyer
voͤllig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch
anders determinirten Koͤrper, iſt die Erſcheinung rege
und gegenwaͤrtig, ja auffallend und maͤchtig, und
zwar dergeſtalt beſtimmt und geeignet, daß wir die
Formeln der Polaritaͤt, des Plus und Minus, als
Nord und Suͤd, als Glas und Harz, ſchicklich und
naturgemaͤß anwenden.

743.

Dieſe Erſcheinung, ob ſie gleich der Oberflaͤche
beſonders folgt, iſt doch keinesweges oberflaͤchlich. Sie
wirkt auf die Beſtimmung koͤrperlicher Eigenſchaften,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0332" n="278"/>
&#x017F;ich leicht wieder aufs neue erregen: nach un&#x017F;erer<lb/>
Meynung ein Urpha&#x0364;nomen, das unmittelbar an der<lb/>
Idee &#x017F;teht und nichts Irdi&#x017F;ches u&#x0364;ber &#x017F;ich erkennt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>742.</head><lb/>
              <p>Mit der Electricita&#x0364;t verha&#x0364;lt es &#x017F;ich wieder auf<lb/>
eine eigne Wei&#x017F;e. Das Electri&#x017F;che, als ein Gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltiges, kennen wir nicht. Es i&#x017F;t fu&#x0364;r uns ein Nichts,<lb/>
ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichgu&#x0364;ltigkeitspunct,<lb/>
der aber in allen er&#x017F;cheinenden We&#x017F;en liegt, und zu-<lb/>
gleich der Quellpunct i&#x017F;t, aus dem bey dem gering-<lb/>
&#x017F;ten Anlaß eine Doppeler&#x017F;cheinung hervortritt, welche<lb/>
nur in&#x017F;ofern er&#x017F;cheint, als &#x017F;ie wieder ver&#x017F;chwindet.<lb/>
Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten<lb/>
erregt wird, &#x017F;ind, nach Be&#x017F;chaffenheit der be&#x017F;ondern<lb/>
Ko&#x0364;rper, unendlich ver&#x017F;chieden. Von dem gro&#x0364;b&#x017F;ten<lb/>
mechani&#x017F;chen Reiben &#x017F;ehr unter&#x017F;chiedener Ko&#x0364;rper an ein-<lb/>
ander bis zu dem lei&#x017F;e&#x017F;ten Nebeneinander&#x017F;eyn zweyer<lb/>
vo&#x0364;llig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch<lb/>
anders determinirten Ko&#x0364;rper, i&#x017F;t die Er&#x017F;cheinung rege<lb/>
und gegenwa&#x0364;rtig, ja auffallend und ma&#x0364;chtig, und<lb/>
zwar derge&#x017F;talt be&#x017F;timmt und geeignet, daß wir die<lb/>
Formeln der Polarita&#x0364;t, des Plus und Minus, als<lb/>
Nord und Su&#x0364;d, als Glas und Harz, &#x017F;chicklich und<lb/>
naturgema&#x0364;ß anwenden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>743.</head><lb/>
              <p>Die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung, ob &#x017F;ie gleich der Oberfla&#x0364;che<lb/>
be&#x017F;onders folgt, i&#x017F;t doch keinesweges oberfla&#x0364;chlich. Sie<lb/>
wirkt auf die Be&#x017F;timmung ko&#x0364;rperlicher Eigen&#x017F;chaften,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0332] ſich leicht wieder aufs neue erregen: nach unſerer Meynung ein Urphaͤnomen, das unmittelbar an der Idee ſteht und nichts Irdiſches uͤber ſich erkennt. 742. Mit der Electricitaͤt verhaͤlt es ſich wieder auf eine eigne Weiſe. Das Electriſche, als ein Gleich- guͤltiges, kennen wir nicht. Es iſt fuͤr uns ein Nichts, ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichguͤltigkeitspunct, der aber in allen erſcheinenden Weſen liegt, und zu- gleich der Quellpunct iſt, aus dem bey dem gering- ſten Anlaß eine Doppelerſcheinung hervortritt, welche nur inſofern erſcheint, als ſie wieder verſchwindet. Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten erregt wird, ſind, nach Beſchaffenheit der beſondern Koͤrper, unendlich verſchieden. Von dem groͤbſten mechaniſchen Reiben ſehr unterſchiedener Koͤrper an ein- ander bis zu dem leiſeſten Nebeneinanderſeyn zweyer voͤllig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch anders determinirten Koͤrper, iſt die Erſcheinung rege und gegenwaͤrtig, ja auffallend und maͤchtig, und zwar dergeſtalt beſtimmt und geeignet, daß wir die Formeln der Polaritaͤt, des Plus und Minus, als Nord und Suͤd, als Glas und Harz, ſchicklich und naturgemaͤß anwenden. 743. Dieſe Erſcheinung, ob ſie gleich der Oberflaͤche beſonders folgt, iſt doch keinesweges oberflaͤchlich. Sie wirkt auf die Beſtimmung koͤrperlicher Eigenſchaften,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/332
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/332>, abgerufen am 23.12.2024.