Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Energie erscheint, entsteht eine solche unangenehme
Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewe-
gung wird der schöne Eindruck des Feuers und Gol-
des in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und
die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande,
des Abscheu's und Mißbehagens umgekehrt. Daher
mögen die gelben Hüte der Bankerottirer, die gelben
Ringe auf den Mänteln der Juden entstanden seyn; ja
die sogenannte Hahnreihfarbe ist eigentlich nur ein
schmutziges Gelb.


Rothgelb.

772.

Da sich keine Farbe als stillstehend betrachten läßt,
so kann man das Gelbe sehr leicht durch Verdichtung
und Verdunklung ins Röthliche steigern und erheben.
Die Farbe wächst an Energie und erscheint im Roth-
gelben mächtiger und herrlicher.

773.

Alles was wir vom Gelben gesagt haben, gilt
auch hier, nur im höheren Grade. Das Rothgelbe
gibt eigentlich dem Auge das Gefühl von Wärme und
Wonne, indem es die Farbe der höhern Glut, so
wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne
repräsentirt. Deswegen ist sie auch bey Umgebungen

Energie erſcheint, entſteht eine ſolche unangenehme
Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewe-
gung wird der ſchoͤne Eindruck des Feuers und Gol-
des in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und
die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande,
des Abſcheu’s und Mißbehagens umgekehrt. Daher
moͤgen die gelben Huͤte der Bankerottirer, die gelben
Ringe auf den Maͤnteln der Juden entſtanden ſeyn; ja
die ſogenannte Hahnreihfarbe iſt eigentlich nur ein
ſchmutziges Gelb.


Rothgelb.

772.

Da ſich keine Farbe als ſtillſtehend betrachten laͤßt,
ſo kann man das Gelbe ſehr leicht durch Verdichtung
und Verdunklung ins Roͤthliche ſteigern und erheben.
Die Farbe waͤchſt an Energie und erſcheint im Roth-
gelben maͤchtiger und herrlicher.

773.

Alles was wir vom Gelben geſagt haben, gilt
auch hier, nur im hoͤheren Grade. Das Rothgelbe
gibt eigentlich dem Auge das Gefuͤhl von Waͤrme und
Wonne, indem es die Farbe der hoͤhern Glut, ſo
wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne
repraͤſentirt. Deswegen iſt ſie auch bey Umgebungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0346" n="292"/>
Energie er&#x017F;cheint, ent&#x017F;teht eine &#x017F;olche unangenehme<lb/>
Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewe-<lb/>
gung wird der &#x017F;cho&#x0364;ne Eindruck des Feuers und Gol-<lb/>
des in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und<lb/>
die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande,<lb/>
des Ab&#x017F;cheu&#x2019;s und Mißbehagens umgekehrt. Daher<lb/>
mo&#x0364;gen die gelben Hu&#x0364;te der Bankerottirer, die gelben<lb/>
Ringe auf den Ma&#x0364;nteln der Juden ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn; ja<lb/>
die &#x017F;ogenannte Hahnreihfarbe i&#x017F;t eigentlich nur ein<lb/>
&#x017F;chmutziges Gelb.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Rothgelb</hi>.</hi> </head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>772.</head><lb/>
              <p>Da &#x017F;ich keine Farbe als &#x017F;till&#x017F;tehend betrachten la&#x0364;ßt,<lb/>
&#x017F;o kann man das Gelbe &#x017F;ehr leicht durch Verdichtung<lb/>
und Verdunklung ins Ro&#x0364;thliche &#x017F;teigern und erheben.<lb/>
Die Farbe wa&#x0364;ch&#x017F;t an Energie und er&#x017F;cheint im Roth-<lb/>
gelben ma&#x0364;chtiger und herrlicher.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>773.</head><lb/>
              <p>Alles was wir vom Gelben ge&#x017F;agt haben, gilt<lb/>
auch hier, nur im ho&#x0364;heren Grade. Das Rothgelbe<lb/>
gibt eigentlich dem Auge das Gefu&#x0364;hl von Wa&#x0364;rme und<lb/>
Wonne, indem es die Farbe der ho&#x0364;hern Glut, &#x017F;o<lb/>
wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne<lb/>
repra&#x0364;&#x017F;entirt. Deswegen i&#x017F;t &#x017F;ie auch bey Umgebungen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0346] Energie erſcheint, entſteht eine ſolche unangenehme Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewe- gung wird der ſchoͤne Eindruck des Feuers und Gol- des in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abſcheu’s und Mißbehagens umgekehrt. Daher moͤgen die gelben Huͤte der Bankerottirer, die gelben Ringe auf den Maͤnteln der Juden entſtanden ſeyn; ja die ſogenannte Hahnreihfarbe iſt eigentlich nur ein ſchmutziges Gelb. Rothgelb. 772. Da ſich keine Farbe als ſtillſtehend betrachten laͤßt, ſo kann man das Gelbe ſehr leicht durch Verdichtung und Verdunklung ins Roͤthliche ſteigern und erheben. Die Farbe waͤchſt an Energie und erſcheint im Roth- gelben maͤchtiger und herrlicher. 773. Alles was wir vom Gelben geſagt haben, gilt auch hier, nur im hoͤheren Grade. Das Rothgelbe gibt eigentlich dem Auge das Gefuͤhl von Waͤrme und Wonne, indem es die Farbe der hoͤhern Glut, ſo wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne repraͤſentirt. Deswegen iſt ſie auch bey Umgebungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/346
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/346>, abgerufen am 23.12.2024.