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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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zu lange gequält haben. Andre gehen darauf aus,
neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn
auch weiter nichts gewonnen wird. Denn es ist zuletzt
doch nur der Geist, der jede Technik lebendig macht.


Allegorischer, symbolischer, mystischer
Gebrauch der Farbe
.

915.

Es ist oben umständlich nachgewiesen worden,
daß eine jede Farbe einen besondern Eindruck auf den
Menschen mache, und dadurch ihr Wesen sowohl dem
Auge als Gemüth offenbare. Daraus folgt sogleich,
daß die Farbe sich zu gewissen sinnlichen, sittlichen,
ästhetischen Zwecken anwenden lasse.

916.

Einen solchen Gebrauch also, der mit der Na-
tur völlig übereinträfe, könnte man den symbolischen
nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemäß an-
gewendet würde, und das wahre Verhältniß sogleich
die Bedeutung ausspräche. Stellt man z. B. den
Purpur als die Majestät bezeichnend auf, so wird
wohl kein Zweifel seyn, daß der rechte Ausdruck ge-
funden worden; wie sich alles dieses schon oben hin-
reichend auseinandergesetzt findet.

zu lange gequaͤlt haben. Andre gehen darauf aus,
neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn
auch weiter nichts gewonnen wird. Denn es iſt zuletzt
doch nur der Geiſt, der jede Technik lebendig macht.


Allegoriſcher, ſymboliſcher, myſtiſcher
Gebrauch der Farbe
.

915.

Es iſt oben umſtaͤndlich nachgewieſen worden,
daß eine jede Farbe einen beſondern Eindruck auf den
Menſchen mache, und dadurch ihr Weſen ſowohl dem
Auge als Gemuͤth offenbare. Daraus folgt ſogleich,
daß die Farbe ſich zu gewiſſen ſinnlichen, ſittlichen,
aͤſthetiſchen Zwecken anwenden laſſe.

916.

Einen ſolchen Gebrauch alſo, der mit der Na-
tur voͤllig uͤbereintraͤfe, koͤnnte man den ſymboliſchen
nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemaͤß an-
gewendet wuͤrde, und das wahre Verhaͤltniß ſogleich
die Bedeutung ausſpraͤche. Stellt man z. B. den
Purpur als die Majeſtaͤt bezeichnend auf, ſo wird
wohl kein Zweifel ſeyn, daß der rechte Ausdruck ge-
funden worden; wie ſich alles dieſes ſchon oben hin-
reichend auseinandergeſetzt findet.

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[336/0390] zu lange gequaͤlt haben. Andre gehen darauf aus, neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn auch weiter nichts gewonnen wird. Denn es iſt zuletzt doch nur der Geiſt, der jede Technik lebendig macht. Allegoriſcher, ſymboliſcher, myſtiſcher Gebrauch der Farbe. 915. Es iſt oben umſtaͤndlich nachgewieſen worden, daß eine jede Farbe einen beſondern Eindruck auf den Menſchen mache, und dadurch ihr Weſen ſowohl dem Auge als Gemuͤth offenbare. Daraus folgt ſogleich, daß die Farbe ſich zu gewiſſen ſinnlichen, ſittlichen, aͤſthetiſchen Zwecken anwenden laſſe. 916. Einen ſolchen Gebrauch alſo, der mit der Na- tur voͤllig uͤbereintraͤfe, koͤnnte man den ſymboliſchen nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemaͤß an- gewendet wuͤrde, und das wahre Verhaͤltniß ſogleich die Bedeutung ausſpraͤche. Stellt man z. B. den Purpur als die Majeſtaͤt bezeichnend auf, ſo wird wohl kein Zweifel ſeyn, daß der rechte Ausdruck ge- funden worden; wie ſich alles dieſes ſchon oben hin- reichend auseinandergeſetzt findet.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/390>, abgerufen am 23.12.2024.