den sind. Wie er aber andrerseits sagen kann, Schwarz auf Blau sey alsdann sichtbar gewesen, wenn Schwarz auf Roth nicht mehr erschien, ist uns ganz und gar unbegreiflich.
76.
Wir haben zwar bemerkt, daß, wenn man für die weiße Tafel die Stelle gefunden hat, wo sich das Ab- bild am deutlichsten zeigt, man mit derselben noch etwas weniges vor und rückwärts gehen kann, ohne der Deut- lichkeit merklich Abbruch zu thun. Wenn man jedoch etwas zu weit vor oder zu weit zurückgeht, so nimmt die Deutlichkeit der Bilder ab, und wenn man sie un- ter sich vergleicht, geschieht es in der Maße, daß die stark vom Grunde abstechenden sich länger als die schwach abstechenden erhalten. So sieht man Welß auf Schwarz noch ziemlich deutlich, wenn Weiß auf Grau undeutlich wird. Man sieht Schwarz auf Mennigroth noch einigermaßen, wenn Schwarz auf Indigblau schon verschwindet, und so verhält es sich mit den übrigen Farben durch alle Bedingungen unserer Vorbilder. Daß es aber für das Abbild eine Stelle geben könne, wo das weniger abstechende deutlich, das mehr abstechende undeutlich sey, davon haben wir noch keine Spur ent- decken können, und wir müssen also die Newtonische Assertion bloß als eine beliebige, aus dem vorgefaßten Vorurtheil entsprungene, bloß mit den Augen des Gei- stes gesehene Erscheinung halten und angeben. Da der Apparat leicht ist, und die Versuche keine großen Um- stände erfordern, so sind andre vielleicht glücklicher, etwas
den ſind. Wie er aber andrerſeits ſagen kann, Schwarz auf Blau ſey alsdann ſichtbar geweſen, wenn Schwarz auf Roth nicht mehr erſchien, iſt uns ganz und gar unbegreiflich.
76.
Wir haben zwar bemerkt, daß, wenn man fuͤr die weiße Tafel die Stelle gefunden hat, wo ſich das Ab- bild am deutlichſten zeigt, man mit derſelben noch etwas weniges vor und ruͤckwaͤrts gehen kann, ohne der Deut- lichkeit merklich Abbruch zu thun. Wenn man jedoch etwas zu weit vor oder zu weit zuruͤckgeht, ſo nimmt die Deutlichkeit der Bilder ab, und wenn man ſie un- ter ſich vergleicht, geſchieht es in der Maße, daß die ſtark vom Grunde abſtechenden ſich laͤnger als die ſchwach abſtechenden erhalten. So ſieht man Welß auf Schwarz noch ziemlich deutlich, wenn Weiß auf Grau undeutlich wird. Man ſieht Schwarz auf Mennigroth noch einigermaßen, wenn Schwarz auf Indigblau ſchon verſchwindet, und ſo verhaͤlt es ſich mit den uͤbrigen Farben durch alle Bedingungen unſerer Vorbilder. Daß es aber fuͤr das Abbild eine Stelle geben koͤnne, wo das weniger abſtechende deutlich, das mehr abſtechende undeutlich ſey, davon haben wir noch keine Spur ent- decken koͤnnen, und wir muͤſſen alſo die Newtoniſche Aſſertion bloß als eine beliebige, aus dem vorgefaßten Vorurtheil entſprungene, bloß mit den Augen des Gei- ſtes geſehene Erſcheinung halten und angeben. Da der Apparat leicht iſt, und die Verſuche keine großen Um- ſtaͤnde erfordern, ſo ſind andre vielleicht gluͤcklicher, etwas
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den ſind. Wie er aber andrerſeits ſagen kann, Schwarz
auf Blau ſey alsdann ſichtbar geweſen, wenn Schwarz
auf Roth nicht mehr erſchien, iſt uns ganz und gar
unbegreiflich.
76.
Wir haben zwar bemerkt, daß, wenn man fuͤr die
weiße Tafel die Stelle gefunden hat, wo ſich das Ab-
bild am deutlichſten zeigt, man mit derſelben noch etwas
weniges vor und ruͤckwaͤrts gehen kann, ohne der Deut-
lichkeit merklich Abbruch zu thun. Wenn man jedoch
etwas zu weit vor oder zu weit zuruͤckgeht, ſo nimmt
die Deutlichkeit der Bilder ab, und wenn man ſie un-
ter ſich vergleicht, geſchieht es in der Maße, daß die
ſtark vom Grunde abſtechenden ſich laͤnger als die
ſchwach abſtechenden erhalten. So ſieht man Welß auf
Schwarz noch ziemlich deutlich, wenn Weiß auf Grau
undeutlich wird. Man ſieht Schwarz auf Mennigroth
noch einigermaßen, wenn Schwarz auf Indigblau ſchon
verſchwindet, und ſo verhaͤlt es ſich mit den uͤbrigen
Farben durch alle Bedingungen unſerer Vorbilder. Daß
es aber fuͤr das Abbild eine Stelle geben koͤnne, wo
das weniger abſtechende deutlich, das mehr abſtechende
undeutlich ſey, davon haben wir noch keine Spur ent-
decken koͤnnen, und wir muͤſſen alſo die Newtoniſche
Aſſertion bloß als eine beliebige, aus dem vorgefaßten
Vorurtheil entſprungene, bloß mit den Augen des Gei-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/451>, abgerufen am 23.12.2024.
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