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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Leser bey ihm selbst nachsehen. Uns ist gegenwärtig nur
darum zu thun, das Unstatthafte dieser Vorstellung deut-
lich zu machen. Hier sind keinesweges Kreise, die in
einander greifen; eine Art von Täuschung kann bloß
entstehen, wenn das refrangirte Bild rund ist; wo-
durch denn auch die Gränzen des farbigen Bildes, als
eines Nebenbildes, rundlich erscheinen, da doch
eigentlich der Fortschritt der verschiedenen Abtheilungen
des farbigen Bildes bey den prismatischen Versuchen
immer in Parallellinien geschieht, welche die Linie des
Vorschreitens jederzeit in einem rechten Winkel durch-
schneiden. Wir haben, um dieses deutlich zu machen,
auf unserer fünften und sechsten Tafel angenommen,
daß ein vierecktes Bild verrückt werde; da man sich
denn von dem parallelen Vorrücken der verschiedenen
farbigen Reihen einen deutlichen Begriff machen kann.
Wir müssen es daher abermals wiederholen, hier kann
weder von ineinandergreifenden fünf, noch sieben,
noch unzähligen Kreisen die Rede seyn; sondern an
den Gränzen des Bildes entstehet ein rother Rand,
der sich in den gelben verliert, ein blauer Rand,
der sich in den violetten verliert. Erreicht bey der
Schmäle des Bildes, oder der Stärke der Re-
fraction, der gelbe Saum den blauen Rand über
das weiße Bild, so entsteht Grün; erreicht der
violette Saum den gelbrothen Rand über das
schwarze Bild, so entsteht Purpur. Das kann
man mit Augen sehen, ja man möchte sagen, mit
Händen greifen.

27 *

Leſer bey ihm ſelbſt nachſehen. Uns iſt gegenwaͤrtig nur
darum zu thun, das Unſtatthafte dieſer Vorſtellung deut-
lich zu machen. Hier ſind keinesweges Kreiſe, die in
einander greifen; eine Art von Taͤuſchung kann bloß
entſtehen, wenn das refrangirte Bild rund iſt; wo-
durch denn auch die Graͤnzen des farbigen Bildes, als
eines Nebenbildes, rundlich erſcheinen, da doch
eigentlich der Fortſchritt der verſchiedenen Abtheilungen
des farbigen Bildes bey den prismatiſchen Verſuchen
immer in Parallellinien geſchieht, welche die Linie des
Vorſchreitens jederzeit in einem rechten Winkel durch-
ſchneiden. Wir haben, um dieſes deutlich zu machen,
auf unſerer fuͤnften und ſechſten Tafel angenommen,
daß ein vierecktes Bild verruͤckt werde; da man ſich
denn von dem parallelen Vorruͤcken der verſchiedenen
farbigen Reihen einen deutlichen Begriff machen kann.
Wir muͤſſen es daher abermals wiederholen, hier kann
weder von ineinandergreifenden fuͤnf, noch ſieben,
noch unzaͤhligen Kreiſen die Rede ſeyn; ſondern an
den Graͤnzen des Bildes entſtehet ein rother Rand,
der ſich in den gelben verliert, ein blauer Rand,
der ſich in den violetten verliert. Erreicht bey der
Schmaͤle des Bildes, oder der Staͤrke der Re-
fraction, der gelbe Saum den blauen Rand uͤber
das weiße Bild, ſo entſteht Gruͤn; erreicht der
violette Saum den gelbrothen Rand uͤber das
ſchwarze Bild, ſo entſteht Purpur. Das kann
man mit Augen ſehen, ja man moͤchte ſagen, mit
Haͤnden greifen.

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[419/0473] Leſer bey ihm ſelbſt nachſehen. Uns iſt gegenwaͤrtig nur darum zu thun, das Unſtatthafte dieſer Vorſtellung deut- lich zu machen. Hier ſind keinesweges Kreiſe, die in einander greifen; eine Art von Taͤuſchung kann bloß entſtehen, wenn das refrangirte Bild rund iſt; wo- durch denn auch die Graͤnzen des farbigen Bildes, als eines Nebenbildes, rundlich erſcheinen, da doch eigentlich der Fortſchritt der verſchiedenen Abtheilungen des farbigen Bildes bey den prismatiſchen Verſuchen immer in Parallellinien geſchieht, welche die Linie des Vorſchreitens jederzeit in einem rechten Winkel durch- ſchneiden. Wir haben, um dieſes deutlich zu machen, auf unſerer fuͤnften und ſechſten Tafel angenommen, daß ein vierecktes Bild verruͤckt werde; da man ſich denn von dem parallelen Vorruͤcken der verſchiedenen farbigen Reihen einen deutlichen Begriff machen kann. Wir muͤſſen es daher abermals wiederholen, hier kann weder von ineinandergreifenden fuͤnf, noch ſieben, noch unzaͤhligen Kreiſen die Rede ſeyn; ſondern an den Graͤnzen des Bildes entſtehet ein rother Rand, der ſich in den gelben verliert, ein blauer Rand, der ſich in den violetten verliert. Erreicht bey der Schmaͤle des Bildes, oder der Staͤrke der Re- fraction, der gelbe Saum den blauen Rand uͤber das weiße Bild, ſo entſteht Gruͤn; erreicht der violette Saum den gelbrothen Rand uͤber das ſchwarze Bild, ſo entſteht Purpur. Das kann man mit Augen ſehen, ja man moͤchte ſagen, mit Haͤnden greifen. 27 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/473>, abgerufen am 23.12.2024.