Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Augenblick thun, als fertig ansehen und mit ih-
nen operiren.

137.

Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchlö-
cherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, ope-
riren mit denselben und verrücken sie durch eine zweyte
Refraction, so muß das eintreten, was wir überhaupt
von Verrückung farbiger Bilder dargethan haben: Es
müssen nehmlich an ihnen abermals Ränder und Säu-
me entstehen, aber entweder durch die Farbe des Bil-
des begünstigte oder verkümmerte. Das isolirte gelbro-
the Bild nehmen wir aus dem einwärts strebenden
gelbrothen Rande; an seiner untern Gränze wird es
durch einen gleichnamigen neuen Rand an Farbe ver-
stärkt, das allenfalls entspringende Gelb verliert sich
und an der entgegengesetzten Seite kann wegen des
Widerspruchs kein Blau und folglich auch kein Violett
entstehen. Das Gelbrothe bleibt also gleichsam in sich
selbst zurückgedrängt, erscheint kleiner und geringer als
es seyn sollte. Das violette Bild hingegen ist ein
Theil des aus dem ganzen Bilde hinausstrebenden vio-
letten Saumes. Es wird allenfalls an seiner untern
Gränze ein wenig verkümmert und hat oben die völlige
Freyheit, vorwärts zu gehen. Dieses mit jenen obigen
Betrachtungen zusammengenommen, läßt auf ein weite-
res Vorrücken des Violetten auch durch diesen Umstand
schließen. Jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen
Werth, sondern führen es nur an, damit man sich bey
einer so complicirten Sache eines jeden Nebenumstan-

28 *

einen Augenblick thun, als fertig anſehen und mit ih-
nen operiren.

137.

Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchloͤ-
cherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, ope-
riren mit denſelben und verruͤcken ſie durch eine zweyte
Refraction, ſo muß das eintreten, was wir uͤberhaupt
von Verruͤckung farbiger Bilder dargethan haben: Es
muͤſſen nehmlich an ihnen abermals Raͤnder und Saͤu-
me entſtehen, aber entweder durch die Farbe des Bil-
des beguͤnſtigte oder verkuͤmmerte. Das iſolirte gelbro-
the Bild nehmen wir aus dem einwaͤrts ſtrebenden
gelbrothen Rande; an ſeiner untern Graͤnze wird es
durch einen gleichnamigen neuen Rand an Farbe ver-
ſtaͤrkt, das allenfalls entſpringende Gelb verliert ſich
und an der entgegengeſetzten Seite kann wegen des
Widerſpruchs kein Blau und folglich auch kein Violett
entſtehen. Das Gelbrothe bleibt alſo gleichſam in ſich
ſelbſt zuruͤckgedraͤngt, erſcheint kleiner und geringer als
es ſeyn ſollte. Das violette Bild hingegen iſt ein
Theil des aus dem ganzen Bilde hinausſtrebenden vio-
letten Saumes. Es wird allenfalls an ſeiner untern
Graͤnze ein wenig verkuͤmmert und hat oben die voͤllige
Freyheit, vorwaͤrts zu gehen. Dieſes mit jenen obigen
Betrachtungen zuſammengenommen, laͤßt auf ein weite-
res Vorruͤcken des Violetten auch durch dieſen Umſtand
ſchließen. Jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen
Werth, ſondern fuͤhren es nur an, damit man ſich bey
einer ſo complicirten Sache eines jeden Nebenumſtan-

28 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0489" n="435"/>
einen Augenblick thun, als fertig an&#x017F;ehen und mit ih-<lb/>
nen operiren.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>137.</head><lb/>
                <p>Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchlo&#x0364;-<lb/>
cherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, ope-<lb/>
riren mit den&#x017F;elben und verru&#x0364;cken &#x017F;ie durch eine zweyte<lb/>
Refraction, &#x017F;o muß das eintreten, was wir u&#x0364;berhaupt<lb/>
von Verru&#x0364;ckung farbiger Bilder dargethan haben: Es<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nehmlich an ihnen abermals Ra&#x0364;nder und Sa&#x0364;u-<lb/>
me ent&#x017F;tehen, aber entweder durch die Farbe des Bil-<lb/>
des begu&#x0364;n&#x017F;tigte oder verku&#x0364;mmerte. Das i&#x017F;olirte gelbro-<lb/>
the Bild nehmen wir aus dem einwa&#x0364;rts &#x017F;trebenden<lb/>
gelbrothen Rande; an &#x017F;einer untern Gra&#x0364;nze wird es<lb/>
durch einen gleichnamigen neuen Rand an Farbe ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkt, das allenfalls ent&#x017F;pringende Gelb verliert &#x017F;ich<lb/>
und an der entgegenge&#x017F;etzten Seite kann wegen des<lb/>
Wider&#x017F;pruchs kein Blau und folglich auch kein Violett<lb/>
ent&#x017F;tehen. Das Gelbrothe bleibt al&#x017F;o gleich&#x017F;am in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zuru&#x0364;ckgedra&#x0364;ngt, er&#x017F;cheint kleiner und geringer als<lb/>
es &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Das violette Bild hingegen i&#x017F;t ein<lb/>
Theil des aus dem ganzen Bilde hinaus&#x017F;trebenden vio-<lb/>
letten Saumes. Es wird allenfalls an &#x017F;einer untern<lb/>
Gra&#x0364;nze ein wenig verku&#x0364;mmert und hat oben die vo&#x0364;llige<lb/>
Freyheit, vorwa&#x0364;rts zu gehen. Die&#x017F;es mit jenen obigen<lb/>
Betrachtungen zu&#x017F;ammengenommen, la&#x0364;ßt auf ein weite-<lb/>
res Vorru&#x0364;cken des Violetten auch durch die&#x017F;en Um&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;chließen. Jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen<lb/>
Werth, &#x017F;ondern fu&#x0364;hren es nur an, damit man &#x017F;ich bey<lb/>
einer &#x017F;o complicirten Sache eines jeden Nebenum&#x017F;tan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">28 *</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0489] einen Augenblick thun, als fertig anſehen und mit ih- nen operiren. 137. Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchloͤ- cherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, ope- riren mit denſelben und verruͤcken ſie durch eine zweyte Refraction, ſo muß das eintreten, was wir uͤberhaupt von Verruͤckung farbiger Bilder dargethan haben: Es muͤſſen nehmlich an ihnen abermals Raͤnder und Saͤu- me entſtehen, aber entweder durch die Farbe des Bil- des beguͤnſtigte oder verkuͤmmerte. Das iſolirte gelbro- the Bild nehmen wir aus dem einwaͤrts ſtrebenden gelbrothen Rande; an ſeiner untern Graͤnze wird es durch einen gleichnamigen neuen Rand an Farbe ver- ſtaͤrkt, das allenfalls entſpringende Gelb verliert ſich und an der entgegengeſetzten Seite kann wegen des Widerſpruchs kein Blau und folglich auch kein Violett entſtehen. Das Gelbrothe bleibt alſo gleichſam in ſich ſelbſt zuruͤckgedraͤngt, erſcheint kleiner und geringer als es ſeyn ſollte. Das violette Bild hingegen iſt ein Theil des aus dem ganzen Bilde hinausſtrebenden vio- letten Saumes. Es wird allenfalls an ſeiner untern Graͤnze ein wenig verkuͤmmert und hat oben die voͤllige Freyheit, vorwaͤrts zu gehen. Dieſes mit jenen obigen Betrachtungen zuſammengenommen, laͤßt auf ein weite- res Vorruͤcken des Violetten auch durch dieſen Umſtand ſchließen. Jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen Werth, ſondern fuͤhren es nur an, damit man ſich bey einer ſo complicirten Sache eines jeden Nebenumſtan- 28 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/489
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/489>, abgerufen am 23.12.2024.