Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Lehre in den Compendien unserer Experimental-
physik so laconisch vorgetragen werden konnte. Mehr
gedachte Versuche gehen wir nun einzeln durch.

189.

In dem dritten Versuche wird das Hauptphäno-
men, das prismatische Spectrum, unrichtig als Scale
dargestellt; da es ursprünglich aus einem Entgegenge-
setzten, das sich erst später vereinigt, besteht. Der
vierte Versuch zeigt uns eben diese Erscheinung subjec-
tiv, ohne daß wir mit ihrer Natur tiefer bekannt wür-
den. Im fünften neigt sich gedachtes Bild durch wie-
derholte Refraction etwas verlängert zur Seite. Wo-
her diese Neigung in der Diagonale so wie die Ver-
längerung sich herschreibe, wird von uns umständlich
dargethan.

190.

Der sechste Versuch ist das sogenannte Experimen-
tum Crucis,
und hier ist wohl der Ort anzuzeigen,
was eigentlich durch diesen Ausdruck gemeynt sey.
Crux bedeutet hier einen in Kreuzesform an der Land-
straße stehenden Wegweiser, und dieser Versuch soll
also für einen solchen gelten, der uns vor allem Irr-
thum bewahrt und unmittelbar auf das Ziel hindeutet.
Wie es mit ihm beschaffen, wissen diejenigen, die unse-
rer Ausführung gefolgt sind. Eigentlich gerathen wir
dadurch ganz ins Stecken und werden um nichts wei-
ter gebracht, nicht einmal weiter gewiesen. Denn im
Grunde ist es nur ein Idem per Idem. Refrangirt

ſchen Lehre in den Compendien unſerer Experimental-
phyſik ſo laconiſch vorgetragen werden konnte. Mehr
gedachte Verſuche gehen wir nun einzeln durch.

189.

In dem dritten Verſuche wird das Hauptphaͤno-
men, das prismatiſche Spectrum, unrichtig als Scale
dargeſtellt; da es urſpruͤnglich aus einem Entgegenge-
ſetzten, das ſich erſt ſpaͤter vereinigt, beſteht. Der
vierte Verſuch zeigt uns eben dieſe Erſcheinung ſubjec-
tiv, ohne daß wir mit ihrer Natur tiefer bekannt wuͤr-
den. Im fuͤnften neigt ſich gedachtes Bild durch wie-
derholte Refraction etwas verlaͤngert zur Seite. Wo-
her dieſe Neigung in der Diagonale ſo wie die Ver-
laͤngerung ſich herſchreibe, wird von uns umſtaͤndlich
dargethan.

190.

Der ſechſte Verſuch iſt das ſogenannte Experimen-
tum Crucis,
und hier iſt wohl der Ort anzuzeigen,
was eigentlich durch dieſen Ausdruck gemeynt ſey.
Crux bedeutet hier einen in Kreuzesform an der Land-
ſtraße ſtehenden Wegweiſer, und dieſer Verſuch ſoll
alſo fuͤr einen ſolchen gelten, der uns vor allem Irr-
thum bewahrt und unmittelbar auf das Ziel hindeutet.
Wie es mit ihm beſchaffen, wiſſen diejenigen, die unſe-
rer Ausfuͤhrung gefolgt ſind. Eigentlich gerathen wir
dadurch ganz ins Stecken und werden um nichts wei-
ter gebracht, nicht einmal weiter gewieſen. Denn im
Grunde iſt es nur ein Idem per Idem. Refrangirt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0518" n="464"/>
&#x017F;chen Lehre in den Compendien un&#x017F;erer Experimental-<lb/>
phy&#x017F;ik &#x017F;o laconi&#x017F;ch vorgetragen werden konnte. Mehr<lb/>
gedachte Ver&#x017F;uche gehen wir nun einzeln durch.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>189.</head><lb/>
                <p>In dem dritten Ver&#x017F;uche wird das Hauptpha&#x0364;no-<lb/>
men, das prismati&#x017F;che Spectrum, unrichtig als Scale<lb/>
darge&#x017F;tellt; da es ur&#x017F;pru&#x0364;nglich aus einem Entgegenge-<lb/>
&#x017F;etzten, das &#x017F;ich er&#x017F;t &#x017F;pa&#x0364;ter vereinigt, be&#x017F;teht. Der<lb/>
vierte Ver&#x017F;uch zeigt uns eben die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung &#x017F;ubjec-<lb/>
tiv, ohne daß wir mit ihrer Natur tiefer bekannt wu&#x0364;r-<lb/>
den. Im fu&#x0364;nften neigt &#x017F;ich gedachtes Bild durch wie-<lb/>
derholte Refraction etwas verla&#x0364;ngert zur Seite. Wo-<lb/>
her die&#x017F;e Neigung in der Diagonale &#x017F;o wie die Ver-<lb/>
la&#x0364;ngerung &#x017F;ich her&#x017F;chreibe, wird von uns um&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
dargethan.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>190.</head><lb/>
                <p>Der &#x017F;ech&#x017F;te Ver&#x017F;uch i&#x017F;t das &#x017F;ogenannte <hi rendition="#aq">Experimen-<lb/>
tum Crucis,</hi> und hier i&#x017F;t wohl der Ort anzuzeigen,<lb/>
was eigentlich durch die&#x017F;en Ausdruck gemeynt &#x017F;ey.<lb/><hi rendition="#aq">Crux</hi> bedeutet hier einen in Kreuzesform an der Land-<lb/>
&#x017F;traße &#x017F;tehenden Wegwei&#x017F;er, und die&#x017F;er Ver&#x017F;uch &#x017F;oll<lb/>
al&#x017F;o fu&#x0364;r einen &#x017F;olchen gelten, der uns vor allem Irr-<lb/>
thum bewahrt und unmittelbar auf das Ziel hindeutet.<lb/>
Wie es mit ihm be&#x017F;chaffen, wi&#x017F;&#x017F;en diejenigen, die un&#x017F;e-<lb/>
rer Ausfu&#x0364;hrung gefolgt &#x017F;ind. Eigentlich gerathen wir<lb/>
dadurch ganz ins Stecken und werden um nichts wei-<lb/>
ter gebracht, nicht einmal weiter gewie&#x017F;en. Denn im<lb/>
Grunde i&#x017F;t es nur ein <hi rendition="#aq">Idem per Idem.</hi> Refrangirt<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0518] ſchen Lehre in den Compendien unſerer Experimental- phyſik ſo laconiſch vorgetragen werden konnte. Mehr gedachte Verſuche gehen wir nun einzeln durch. 189. In dem dritten Verſuche wird das Hauptphaͤno- men, das prismatiſche Spectrum, unrichtig als Scale dargeſtellt; da es urſpruͤnglich aus einem Entgegenge- ſetzten, das ſich erſt ſpaͤter vereinigt, beſteht. Der vierte Verſuch zeigt uns eben dieſe Erſcheinung ſubjec- tiv, ohne daß wir mit ihrer Natur tiefer bekannt wuͤr- den. Im fuͤnften neigt ſich gedachtes Bild durch wie- derholte Refraction etwas verlaͤngert zur Seite. Wo- her dieſe Neigung in der Diagonale ſo wie die Ver- laͤngerung ſich herſchreibe, wird von uns umſtaͤndlich dargethan. 190. Der ſechſte Verſuch iſt das ſogenannte Experimen- tum Crucis, und hier iſt wohl der Ort anzuzeigen, was eigentlich durch dieſen Ausdruck gemeynt ſey. Crux bedeutet hier einen in Kreuzesform an der Land- ſtraße ſtehenden Wegweiſer, und dieſer Verſuch ſoll alſo fuͤr einen ſolchen gelten, der uns vor allem Irr- thum bewahrt und unmittelbar auf das Ziel hindeutet. Wie es mit ihm beſchaffen, wiſſen diejenigen, die unſe- rer Ausfuͤhrung gefolgt ſind. Eigentlich gerathen wir dadurch ganz ins Stecken und werden um nichts wei- ter gebracht, nicht einmal weiter gewieſen. Denn im Grunde iſt es nur ein Idem per Idem. Refrangirt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/518
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/518>, abgerufen am 23.12.2024.