man sehe seine 15 und 23ste Figur und auf unserer siebenten Tafel Figur 5. 6. 7. Allein da er bey allem Zerren des Bildes, weder in dem vorigen Versuche noch beym gegenwärtigen, die Farben aus einander sondern kann; so faßt er in der Zeichnung die Kreise immer noch mit punctirten Linien ein, so daß sie als gesondert und nicht gesondert, auf dem Papier ange- deutet sind. Da flüchtet man sich denn hinter eine andere Supposition; man versichert, daß es nicht etwa fünf oder sieben, sondern unendliche homogene Strahlen gebe. Hat man also diejenigen die man erst für nach- barlich annahm, von einander abgesondert, so tritt immer ein Zwischenstrahl gleich hervor und macht die mühselige, schon als glücklich gelungen angegebene Operation abermals unmöglich.
246.
Auf dieses elfte Experiment hin, ohne solches im mindesten zu untersuchen, hat man die Möglichkeit einer vollkommnen Absonderung jener homogen supponirten Strahlen in Schulen fortgelehrt, und die Figuren nach der Hypothese, ohne die Natur oder den Versuch zu fragen, kecklich abgebildet. Wir können nicht umhin, den 370sten Paragraph der Erxlebenschen Naturlehre hier Wort vor Wort abdrucken zu lassen, damit man an diesem Beyspiel sehe, wie verwegen ein compilirender Compendienschreiber seyn muß, um ein unbearbeitetes oder falschbearbeitetes Capitel fertig zu machen.
man ſehe ſeine 15 und 23ſte Figur und auf unſerer ſiebenten Tafel Figur 5. 6. 7. Allein da er bey allem Zerren des Bildes, weder in dem vorigen Verſuche noch beym gegenwaͤrtigen, die Farben aus einander ſondern kann; ſo faßt er in der Zeichnung die Kreiſe immer noch mit punctirten Linien ein, ſo daß ſie als geſondert und nicht geſondert, auf dem Papier ange- deutet ſind. Da fluͤchtet man ſich denn hinter eine andere Suppoſition; man verſichert, daß es nicht etwa fuͤnf oder ſieben, ſondern unendliche homogene Strahlen gebe. Hat man alſo diejenigen die man erſt fuͤr nach- barlich annahm, von einander abgeſondert, ſo tritt immer ein Zwiſchenſtrahl gleich hervor und macht die muͤhſelige, ſchon als gluͤcklich gelungen angegebene Operation abermals unmoͤglich.
246.
Auf dieſes elfte Experiment hin, ohne ſolches im mindeſten zu unterſuchen, hat man die Moͤglichkeit einer vollkommnen Abſonderung jener homogen ſupponirten Strahlen in Schulen fortgelehrt, und die Figuren nach der Hypotheſe, ohne die Natur oder den Verſuch zu fragen, kecklich abgebildet. Wir koͤnnen nicht umhin, den 370ſten Paragraph der Erxlebenſchen Naturlehre hier Wort vor Wort abdrucken zu laſſen, damit man an dieſem Beyſpiel ſehe, wie verwegen ein compilirender Compendienſchreiber ſeyn muß, um ein unbearbeitetes oder falſchbearbeitetes Capitel fertig zu machen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0546"n="492"/>
man ſehe ſeine 15 und 23ſte Figur und auf unſerer<lb/>ſiebenten Tafel Figur 5. 6. 7. Allein da er bey allem<lb/>
Zerren des Bildes, weder in dem vorigen Verſuche<lb/>
noch beym gegenwaͤrtigen, die Farben aus einander<lb/>ſondern kann; ſo faßt er in der Zeichnung die Kreiſe<lb/>
immer noch mit punctirten Linien ein, ſo daß ſie als<lb/>
geſondert und nicht geſondert, auf dem Papier ange-<lb/>
deutet ſind. Da fluͤchtet man ſich denn hinter eine<lb/>
andere Suppoſition; man verſichert, daß es nicht etwa<lb/>
fuͤnf oder ſieben, ſondern unendliche homogene Strahlen<lb/>
gebe. Hat man alſo diejenigen die man erſt fuͤr nach-<lb/>
barlich annahm, von einander abgeſondert, ſo tritt<lb/>
immer ein Zwiſchenſtrahl gleich hervor und macht die<lb/>
muͤhſelige, ſchon als gluͤcklich gelungen angegebene<lb/>
Operation abermals unmoͤglich.</p></div><lb/><divn="5"><head>246.</head><lb/><p>Auf dieſes elfte Experiment hin, ohne ſolches im<lb/>
mindeſten zu unterſuchen, hat man die Moͤglichkeit einer<lb/>
vollkommnen Abſonderung jener homogen ſupponirten<lb/>
Strahlen in Schulen fortgelehrt, und die Figuren nach<lb/>
der Hypotheſe, ohne die Natur oder den Verſuch zu<lb/>
fragen, kecklich abgebildet. Wir koͤnnen nicht umhin,<lb/>
den 370ſten Paragraph der Erxlebenſchen Naturlehre hier<lb/>
Wort vor Wort abdrucken zu laſſen, damit man an<lb/>
dieſem Beyſpiel ſehe, wie verwegen ein compilirender<lb/>
Compendienſchreiber ſeyn muß, um ein unbearbeitetes<lb/>
oder falſchbearbeitetes Capitel fertig zu machen.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[492/0546]
man ſehe ſeine 15 und 23ſte Figur und auf unſerer
ſiebenten Tafel Figur 5. 6. 7. Allein da er bey allem
Zerren des Bildes, weder in dem vorigen Verſuche
noch beym gegenwaͤrtigen, die Farben aus einander
ſondern kann; ſo faßt er in der Zeichnung die Kreiſe
immer noch mit punctirten Linien ein, ſo daß ſie als
geſondert und nicht geſondert, auf dem Papier ange-
deutet ſind. Da fluͤchtet man ſich denn hinter eine
andere Suppoſition; man verſichert, daß es nicht etwa
fuͤnf oder ſieben, ſondern unendliche homogene Strahlen
gebe. Hat man alſo diejenigen die man erſt fuͤr nach-
barlich annahm, von einander abgeſondert, ſo tritt
immer ein Zwiſchenſtrahl gleich hervor und macht die
muͤhſelige, ſchon als gluͤcklich gelungen angegebene
Operation abermals unmoͤglich.
246.
Auf dieſes elfte Experiment hin, ohne ſolches im
mindeſten zu unterſuchen, hat man die Moͤglichkeit einer
vollkommnen Abſonderung jener homogen ſupponirten
Strahlen in Schulen fortgelehrt, und die Figuren nach
der Hypotheſe, ohne die Natur oder den Verſuch zu
fragen, kecklich abgebildet. Wir koͤnnen nicht umhin,
den 370ſten Paragraph der Erxlebenſchen Naturlehre hier
Wort vor Wort abdrucken zu laſſen, damit man an
dieſem Beyſpiel ſehe, wie verwegen ein compilirender
Compendienſchreiber ſeyn muß, um ein unbearbeitetes
oder falſchbearbeitetes Capitel fertig zu machen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/546>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.