Nun wissen wir aber, daß man, um der Erschei- nung auf den Grund zu kommen, zugleich ein verrück- tes helles und ein verrücktes dunkles Bild betrachten muß. Da finden sich nun zwey Farben, die man für einfach ansprechen kann, Gelb und Blau, zwey gestei- gerte, Gelbroth und Blauroth, und zwey gemischte, Grün und Purpur. Auf diese Unterschiede hatte New- ton keine Acht, sondern betrachtete nur die bey starker Verrückung eines hellen Bildes vorkommenden Farben, unterschied, zählte sie, nahm ihrer fünf oder sieben an, ja ließ deren, weil in einer stätigen Reihe sich unend- liche Einschnitte machen lassen, unzählige gelten; und diese alle sollten nun, so viel ihrer auch seyn möchten, primitive, primäre, in dem Licht für sich befindliche Urfarben seyn.
490.
Bey genauerer Betrachtung mußte er jedoch fin- den, daß manche von diesen einfachen Urfarben gerade so aussahen wie andere, die man durch Mischung her- vorbringen konnte. Wie nun aber das Gemischte dem Ursprünglichen, und das Ursprüngliche dem Gemischten ähnlich, ja gleich seyn könne, dieß wäre freylich in einem naturgemäßen Vortrag schwer genug darzustellen gewesen; in der Newtonischen Behandlung wird es jedoch möglich, und wir wollen, ohne uns weiter im Allgemeinen aufzuhalten, gleich zu dem Vortrag des Verfassers übergehen, und in kurzen Anmerkungen, wie
489.
Nun wiſſen wir aber, daß man, um der Erſchei- nung auf den Grund zu kommen, zugleich ein verruͤck- tes helles und ein verruͤcktes dunkles Bild betrachten muß. Da finden ſich nun zwey Farben, die man fuͤr einfach anſprechen kann, Gelb und Blau, zwey geſtei- gerte, Gelbroth und Blauroth, und zwey gemiſchte, Gruͤn und Purpur. Auf dieſe Unterſchiede hatte New- ton keine Acht, ſondern betrachtete nur die bey ſtarker Verruͤckung eines hellen Bildes vorkommenden Farben, unterſchied, zaͤhlte ſie, nahm ihrer fuͤnf oder ſieben an, ja ließ deren, weil in einer ſtaͤtigen Reihe ſich unend- liche Einſchnitte machen laſſen, unzaͤhlige gelten; und dieſe alle ſollten nun, ſo viel ihrer auch ſeyn moͤchten, primitive, primaͤre, in dem Licht fuͤr ſich befindliche Urfarben ſeyn.
490.
Bey genauerer Betrachtung mußte er jedoch fin- den, daß manche von dieſen einfachen Urfarben gerade ſo ausſahen wie andere, die man durch Miſchung her- vorbringen konnte. Wie nun aber das Gemiſchte dem Urſpruͤnglichen, und das Urſpruͤngliche dem Gemiſchten aͤhnlich, ja gleich ſeyn koͤnne, dieß waͤre freylich in einem naturgemaͤßen Vortrag ſchwer genug darzuſtellen geweſen; in der Newtoniſchen Behandlung wird es jedoch moͤglich, und wir wollen, ohne uns weiter im Allgemeinen aufzuhalten, gleich zu dem Vortrag des Verfaſſers uͤbergehen, und in kurzen Anmerkungen, wie
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489.
Nun wiſſen wir aber, daß man, um der Erſchei-
nung auf den Grund zu kommen, zugleich ein verruͤck-
tes helles und ein verruͤcktes dunkles Bild betrachten
muß. Da finden ſich nun zwey Farben, die man fuͤr
einfach anſprechen kann, Gelb und Blau, zwey geſtei-
gerte, Gelbroth und Blauroth, und zwey gemiſchte,
Gruͤn und Purpur. Auf dieſe Unterſchiede hatte New-
ton keine Acht, ſondern betrachtete nur die bey ſtarker
Verruͤckung eines hellen Bildes vorkommenden Farben,
unterſchied, zaͤhlte ſie, nahm ihrer fuͤnf oder ſieben an,
ja ließ deren, weil in einer ſtaͤtigen Reihe ſich unend-
liche Einſchnitte machen laſſen, unzaͤhlige gelten; und
dieſe alle ſollten nun, ſo viel ihrer auch ſeyn moͤchten,
primitive, primaͤre, in dem Licht fuͤr ſich befindliche
Urfarben ſeyn.
490.
Bey genauerer Betrachtung mußte er jedoch fin-
den, daß manche von dieſen einfachen Urfarben gerade
ſo ausſahen wie andere, die man durch Miſchung her-
vorbringen konnte. Wie nun aber das Gemiſchte dem
Urſpruͤnglichen, und das Urſpruͤngliche dem Gemiſchten
aͤhnlich, ja gleich ſeyn koͤnne, dieß waͤre freylich in
einem naturgemaͤßen Vortrag ſchwer genug darzuſtellen
geweſen; in der Newtoniſchen Behandlung wird es
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/627>, abgerufen am 23.12.2024.
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