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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Wann sie das Weiße fühlt, durch andere wieder vom
Schwarzen,
Wieder auf andere Art von jeglicher anderen
Farbe;
Auch an der Farbe des Dinges, wofern du solches be-
rührest,
Wenig lieget, vielmehr an der Form und der eigenen
Bildung:
Also erhellt, daß Stoffe durchaus nicht Farbe be-
dürfen,
Sondern verschiedene Formen, verschiedne Gefühle zu
wecken.

Sollte gewisser Farben Natur bestimmten Fi-
guren
Eigen nicht seyn, und könnte daher mit jeglicher
Farbe
Jegliche Bildung der Stoffe bestehn: wie kömmt es,
daß Dinge
Nicht auf ähnliche Art in jegliche Farbe sich klei-
den?
Dann so träf' es sich wohl, daß zuweilen den fliegen-
den Raben
Weißer Schimmer entglänzte, von weißem Gefieder und
Flügel;
Schwarze Schwanen entstünden, aus schwarzen Saa-
men erzeuget,
Oder auch einfach und bunt, in jeder beliebigen
Färbung.

Wann ſie das Weiße fuͤhlt, durch andere wieder vom
Schwarzen,
Wieder auf andere Art von jeglicher anderen
Farbe;
Auch an der Farbe des Dinges, wofern du ſolches be-
ruͤhreſt,
Wenig lieget, vielmehr an der Form und der eigenen
Bildung:
Alſo erhellt, daß Stoffe durchaus nicht Farbe be-
duͤrfen,
Sondern verſchiedene Formen, verſchiedne Gefuͤhle zu
wecken.

Sollte gewiſſer Farben Natur beſtimmten Fi-
guren
Eigen nicht ſeyn, und koͤnnte daher mit jeglicher
Farbe
Jegliche Bildung der Stoffe beſtehn: wie koͤmmt es,
daß Dinge
Nicht auf aͤhnliche Art in jegliche Farbe ſich klei-
den?
Dann ſo traͤf’ es ſich wohl, daß zuweilen den fliegen-
den Raben
Weißer Schimmer entglaͤnzte, von weißem Gefieder und
Fluͤgel;
Schwarze Schwanen entſtuͤnden, aus ſchwarzen Saa-
men erzeuget,
Oder auch einfach und bunt, in jeder beliebigen
Faͤrbung.
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[66/0100] Wann ſie das Weiße fuͤhlt, durch andere wieder vom Schwarzen, Wieder auf andere Art von jeglicher anderen Farbe; Auch an der Farbe des Dinges, wofern du ſolches be- ruͤhreſt, Wenig lieget, vielmehr an der Form und der eigenen Bildung: Alſo erhellt, daß Stoffe durchaus nicht Farbe be- duͤrfen, Sondern verſchiedene Formen, verſchiedne Gefuͤhle zu wecken. Sollte gewiſſer Farben Natur beſtimmten Fi- guren Eigen nicht ſeyn, und koͤnnte daher mit jeglicher Farbe Jegliche Bildung der Stoffe beſtehn: wie koͤmmt es, daß Dinge Nicht auf aͤhnliche Art in jegliche Farbe ſich klei- den? Dann ſo traͤf’ es ſich wohl, daß zuweilen den fliegen- den Raben Weißer Schimmer entglaͤnzte, von weißem Gefieder und Fluͤgel; Schwarze Schwanen entſtuͤnden, aus ſchwarzen Saa- men erzeuget, Oder auch einfach und bunt, in jeder beliebigen Faͤrbung.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/100>, abgerufen am 28.11.2024.