ges das Auge angezogen; wovon der Grund doch wohl nur in dem früher noch gar nicht, oder doch nur unbestimmt, angedeuteten Licht und Schatten zu suchen ist.
Auch hinsichtlich auf die Gegenstände scheinen die vom Apollodorus gemalten Werke sich von denen des Polygnot wesentlich unterschieden, und meist nur ein- zelne oder doch eingeschränkte Figuren dargestellt zu ha- ben, welche vom Symbolischen, als dem vornehmlich der Plastik gehörigen Feld, abwichen und allmählig den für die Malerey besser geeigneten dramatischen Charakter annahmen.
Nach dem Ruhme zu urtheilen, welchen die Al- ten einstimmig dem Xeuxis von Heraklea gegeben, muß derselbe sich außerordentliche Verdienste um die Kunst erworben haben. Und wenn wir seine Bemühungen bloß aus dem beschränktern Gesichtspunct, den wir hier vorzüglich im Auge haben müssen, ansehen; so scheint durch ihn sowohl eine freyere malerische Be- handlung, als auch in Hinsicht auf das Colorit und den Gebrauch von Licht und Schatten mehr Freyheit eingeführt worden zu seyn.
Betrachten wir aber, was Xeuxis auch in andern Theilen geleistet, so scheint er als einer der großen Beförderer der Kunst im allgemeinen anzusehen: denn seine Erfindungen waren von der edelsten, gehaltvollsten Art, die Formen nach dem Zeitgeschmack von würdi-
ges das Auge angezogen; wovon der Grund doch wohl nur in dem fruͤher noch gar nicht, oder doch nur unbeſtimmt, angedeuteten Licht und Schatten zu ſuchen iſt.
Auch hinſichtlich auf die Gegenſtaͤnde ſcheinen die vom Apollodorus gemalten Werke ſich von denen des Polygnot weſentlich unterſchieden, und meiſt nur ein- zelne oder doch eingeſchraͤnkte Figuren dargeſtellt zu ha- ben, welche vom Symboliſchen, als dem vornehmlich der Plaſtik gehoͤrigen Feld, abwichen und allmaͤhlig den fuͤr die Malerey beſſer geeigneten dramatiſchen Charakter annahmen.
Nach dem Ruhme zu urtheilen, welchen die Al- ten einſtimmig dem Xeuxis von Heraklea gegeben, muß derſelbe ſich außerordentliche Verdienſte um die Kunſt erworben haben. Und wenn wir ſeine Bemuͤhungen bloß aus dem beſchraͤnktern Geſichtspunct, den wir hier vorzuͤglich im Auge haben muͤſſen, anſehen; ſo ſcheint durch ihn ſowohl eine freyere maleriſche Be- handlung, als auch in Hinſicht auf das Colorit und den Gebrauch von Licht und Schatten mehr Freyheit eingefuͤhrt worden zu ſeyn.
Betrachten wir aber, was Xeuxis auch in andern Theilen geleiſtet, ſo ſcheint er als einer der großen Befoͤrderer der Kunſt im allgemeinen anzuſehen: denn ſeine Erfindungen waren von der edelſten, gehaltvollſten Art, die Formen nach dem Zeitgeſchmack von wuͤrdi-
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ges das Auge angezogen; wovon der Grund doch
wohl nur in dem fruͤher noch gar nicht, oder doch
nur unbeſtimmt, angedeuteten Licht und Schatten zu
ſuchen iſt.
Auch hinſichtlich auf die Gegenſtaͤnde ſcheinen die
vom Apollodorus gemalten Werke ſich von denen des
Polygnot weſentlich unterſchieden, und meiſt nur ein-
zelne oder doch eingeſchraͤnkte Figuren dargeſtellt zu ha-
ben, welche vom Symboliſchen, als dem vornehmlich
der Plaſtik gehoͤrigen Feld, abwichen und allmaͤhlig
den fuͤr die Malerey beſſer geeigneten dramatiſchen
Charakter annahmen.
Nach dem Ruhme zu urtheilen, welchen die Al-
ten einſtimmig dem Xeuxis von Heraklea gegeben, muß
derſelbe ſich außerordentliche Verdienſte um die Kunſt
erworben haben. Und wenn wir ſeine Bemuͤhungen
bloß aus dem beſchraͤnktern Geſichtspunct, den wir
hier vorzuͤglich im Auge haben muͤſſen, anſehen; ſo
ſcheint durch ihn ſowohl eine freyere maleriſche Be-
handlung, als auch in Hinſicht auf das Colorit und
den Gebrauch von Licht und Schatten mehr Freyheit
eingefuͤhrt worden zu ſeyn.
Betrachten wir aber, was Xeuxis auch in andern
Theilen geleiſtet, ſo ſcheint er als einer der großen
Befoͤrderer der Kunſt im allgemeinen anzuſehen: denn
ſeine Erfindungen waren von der edelſten, gehaltvollſten
Art, die Formen nach dem Zeitgeſchmack von wuͤrdi-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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