den Abtheilungen dieses wichtigen Werkes der geschicht- liche Vortrag mit dem Lehrvortrage dergestalt innig verknüpft ist, daß einer dem andern auf und nachhilft, wie vielleicht in keinem andern Buche. Und was den Inhalt betrifft, so wäre nur wenig hinzuzufügen, um ihn bis auf den heutigen Tag durchaus vollständig zu machen. Wenn man dem alten Testamente einen Aus- zug aus Josephus beyfügte, um die jüdische Geschichte bis zur Zerstörung Jerusalems fortzuführen; wenn man, nach der Apostelgeschichte, eine gedrängte Dar- stellung der Ausbreitung des Christenthums und der Zerstreuung des Judenthums durch die Welt, bis auf die letzten treuen Missionsbemühungen Apostel-ähn- licher Männer, bis auf den neusten Schacher- und Wucherbetrieb der Nachkommen Abrahams, einschal- tete; wenn man vor der Offenbarung Johannis die reine christliche Lehre im Sinn des neuen Testamentes zusammengefaßt ausstellte, um die verworrene Lehrart der Episteln zu entwirren und aufzuhellen: so verdiente dieses Werk gleich gegenwärtig wieder in seinen alten Rang einzutreten, nicht nur als allgemeines Buch, sondern auch als allgemeine Bibliothek der Völker zu gelten, und es würde gewiß, je höher die Jahr- hunderte an Bildung steigen, immer mehr zum Theil als Fundament, zum Theil als Werkzeug der Erzie- hung, freylich nicht von naseweisen, sondern von wahr- haft weisen Menschen, genutzt werden können.
Die Bibel an sich selbst, und dieß bedenken wir nicht genug, hat in der ältern Zeit fast gar keine Wir-
den Abtheilungen dieſes wichtigen Werkes der geſchicht- liche Vortrag mit dem Lehrvortrage dergeſtalt innig verknuͤpft iſt, daß einer dem andern auf und nachhilft, wie vielleicht in keinem andern Buche. Und was den Inhalt betrifft, ſo waͤre nur wenig hinzuzufuͤgen, um ihn bis auf den heutigen Tag durchaus vollſtaͤndig zu machen. Wenn man dem alten Teſtamente einen Aus- zug aus Joſephus beyfuͤgte, um die juͤdiſche Geſchichte bis zur Zerſtoͤrung Jeruſalems fortzufuͤhren; wenn man, nach der Apoſtelgeſchichte, eine gedraͤngte Dar- ſtellung der Ausbreitung des Chriſtenthums und der Zerſtreuung des Judenthums durch die Welt, bis auf die letzten treuen Miſſionsbemuͤhungen Apoſtel-aͤhn- licher Maͤnner, bis auf den neuſten Schacher- und Wucherbetrieb der Nachkommen Abrahams, einſchal- tete; wenn man vor der Offenbarung Johannis die reine chriſtliche Lehre im Sinn des neuen Teſtamentes zuſammengefaßt auſſtellte, um die verworrene Lehrart der Epiſteln zu entwirren und aufzuhellen: ſo verdiente dieſes Werk gleich gegenwaͤrtig wieder in ſeinen alten Rang einzutreten, nicht nur als allgemeines Buch, ſondern auch als allgemeine Bibliothek der Voͤlker zu gelten, und es wuͤrde gewiß, je hoͤher die Jahr- hunderte an Bildung ſteigen, immer mehr zum Theil als Fundament, zum Theil als Werkzeug der Erzie- hung, freylich nicht von naſeweiſen, ſondern von wahr- haft weiſen Menſchen, genutzt werden koͤnnen.
Die Bibel an ſich ſelbſt, und dieß bedenken wir nicht genug, hat in der aͤltern Zeit faſt gar keine Wir-
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den Abtheilungen dieſes wichtigen Werkes der geſchicht-
liche Vortrag mit dem Lehrvortrage dergeſtalt innig
verknuͤpft iſt, daß einer dem andern auf und nachhilft,
wie vielleicht in keinem andern Buche. Und was den
Inhalt betrifft, ſo waͤre nur wenig hinzuzufuͤgen, um
ihn bis auf den heutigen Tag durchaus vollſtaͤndig zu
machen. Wenn man dem alten Teſtamente einen Aus-
zug aus Joſephus beyfuͤgte, um die juͤdiſche Geſchichte
bis zur Zerſtoͤrung Jeruſalems fortzufuͤhren; wenn
man, nach der Apoſtelgeſchichte, eine gedraͤngte Dar-
ſtellung der Ausbreitung des Chriſtenthums und der
Zerſtreuung des Judenthums durch die Welt, bis
auf die letzten treuen Miſſionsbemuͤhungen Apoſtel-aͤhn-
licher Maͤnner, bis auf den neuſten Schacher- und
Wucherbetrieb der Nachkommen Abrahams, einſchal-
tete; wenn man vor der Offenbarung Johannis die
reine chriſtliche Lehre im Sinn des neuen Teſtamentes
zuſammengefaßt auſſtellte, um die verworrene Lehrart
der Epiſteln zu entwirren und aufzuhellen: ſo verdiente
dieſes Werk gleich gegenwaͤrtig wieder in ſeinen alten
Rang einzutreten, nicht nur als allgemeines Buch,
ſondern auch als allgemeine Bibliothek der Voͤlker
zu gelten, und es wuͤrde gewiß, je hoͤher die Jahr-
hunderte an Bildung ſteigen, immer mehr zum Theil
als Fundament, zum Theil als Werkzeug der Erzie-
hung, freylich nicht von naſeweiſen, ſondern von wahr-
haft weiſen Menſchen, genutzt werden koͤnnen.
Die Bibel an ſich ſelbſt, und dieß bedenken wir
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/173>, abgerufen am 21.11.2024.
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