auf es will; weil es hier nicht etwa überlegen und wählen kann, sondern was ihm vorkommt macht es zu seines gleichen. Wirkt es auf Sinne und Verstandes- kräfte, so entsteht das Bild, das Gleichartige, wie ein jeder weiß, aber auch in der Materie wird dieses Gleichniß gewirkt. Und diejenigen wirksamen Wesen, welche Vernunft und Verstand haben, wenn sie gleich vieles aus Ueberlegung und Wahl des Willens thun, so ist doch diese Wirkung, die Erzeugung des Gleich- nisses, ihnen so gut natürlich als andern Wesen, und so vervielfältigt die Wesenheit der Seele ihre Tugend im Körper und außerhalb des Körpers, und ein jeder Körper schafft auch außer sich seine Tugenden, und die Engel bewegen die Welt durch dergleichen Tu- genden.
Aber Gott schafft die Tugenden aus Nichts, die er alsdann in den Dingen vervielfältigt. Die erschaf- fenen wirksamen Wesen vermögen dieß nicht, sondern leisten das Ihre auf andre Weise, wobey wir uns ge- genwärtig nicht aufhalten können. Nur wiederhohlen wir, daß die Tugenden wirksamer Wesen in dieser Welt alles hervorbringen. Dabey ist aber zweyerley zu bemerken: erstlich die Vervielfältigung des Gleichnisses und der Tugend, von dem Ursprung ihrer Zeugung her; zweytens das mannigfaltige Wirken in dieser Welt, wodurch Fortzeugung und Verderbniß entsteht. Das Zweyte läßt sich nicht ohne das Erste begreifen; des- halb wir uns zuerst an die Vervielfältigung wenden."
auf es will; weil es hier nicht etwa uͤberlegen und waͤhlen kann, ſondern was ihm vorkommt macht es zu ſeines gleichen. Wirkt es auf Sinne und Verſtandes- kraͤfte, ſo entſteht das Bild, das Gleichartige, wie ein jeder weiß, aber auch in der Materie wird dieſes Gleichniß gewirkt. Und diejenigen wirkſamen Weſen, welche Vernunft und Verſtand haben, wenn ſie gleich vieles aus Ueberlegung und Wahl des Willens thun, ſo iſt doch dieſe Wirkung, die Erzeugung des Gleich- niſſes, ihnen ſo gut natuͤrlich als andern Weſen, und ſo vervielfaͤltigt die Weſenheit der Seele ihre Tugend im Koͤrper und außerhalb des Koͤrpers, und ein jeder Koͤrper ſchafft auch außer ſich ſeine Tugenden, und die Engel bewegen die Welt durch dergleichen Tu- genden.
Aber Gott ſchafft die Tugenden aus Nichts, die er alsdann in den Dingen vervielfaͤltigt. Die erſchaf- fenen wirkſamen Weſen vermoͤgen dieß nicht, ſondern leiſten das Ihre auf andre Weiſe, wobey wir uns ge- genwaͤrtig nicht aufhalten koͤnnen. Nur wiederhohlen wir, daß die Tugenden wirkſamer Weſen in dieſer Welt alles hervorbringen. Dabey iſt aber zweyerley zu bemerken: erſtlich die Vervielfaͤltigung des Gleichniſſes und der Tugend, von dem Urſprung ihrer Zeugung her; zweytens das mannigfaltige Wirken in dieſer Welt, wodurch Fortzeugung und Verderbniß entſteht. Das Zweyte laͤßt ſich nicht ohne das Erſte begreifen; des- halb wir uns zuerſt an die Vervielfaͤltigung wenden.“
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auf es will; weil es hier nicht etwa uͤberlegen und
waͤhlen kann, ſondern was ihm vorkommt macht es zu
ſeines gleichen. Wirkt es auf Sinne und Verſtandes-
kraͤfte, ſo entſteht das Bild, das Gleichartige, wie ein
jeder weiß, aber auch in der Materie wird dieſes
Gleichniß gewirkt. Und diejenigen wirkſamen Weſen,
welche Vernunft und Verſtand haben, wenn ſie gleich
vieles aus Ueberlegung und Wahl des Willens thun,
ſo iſt doch dieſe Wirkung, die Erzeugung des Gleich-
niſſes, ihnen ſo gut natuͤrlich als andern Weſen, und
ſo vervielfaͤltigt die Weſenheit der Seele ihre Tugend
im Koͤrper und außerhalb des Koͤrpers, und ein jeder
Koͤrper ſchafft auch außer ſich ſeine Tugenden, und
die Engel bewegen die Welt durch dergleichen Tu-
genden.
Aber Gott ſchafft die Tugenden aus Nichts, die
er alsdann in den Dingen vervielfaͤltigt. Die erſchaf-
fenen wirkſamen Weſen vermoͤgen dieß nicht, ſondern
leiſten das Ihre auf andre Weiſe, wobey wir uns ge-
genwaͤrtig nicht aufhalten koͤnnen. Nur wiederhohlen
wir, daß die Tugenden wirkſamer Weſen in dieſer
Welt alles hervorbringen. Dabey iſt aber zweyerley zu
bemerken: erſtlich die Vervielfaͤltigung des Gleichniſſes
und der Tugend, von dem Urſprung ihrer Zeugung
her; zweytens das mannigfaltige Wirken in dieſer Welt,
wodurch Fortzeugung und Verderbniß entſteht. Das
Zweyte laͤßt ſich nicht ohne das Erſte begreifen; des-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/188>, abgerufen am 24.11.2024.
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