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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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gentlich nicht zu Poeten geboren waren, so schärfte sich
doch am Alterthum ihr Blick für die Natur und für
die Darstellung derselben.

Ein Büchelchen de coronis gab er 1526 heraus.
Die Anmuth des gewählten Gegenstandes zeugt für die
Anmuth seines Geistes. Er führt in demselben sehr
kurz und leicht alle Kränze und Kronen vor, womit
sich Götter und Heroen, Priester, Helden, Dichter,
Schmausende und Leidtragende zu schmücken pflegten,
und man begreift sehr leicht, wie bey solcher Gelegen-
heit ein gesunder Blick auf Farbe mußte aufmerksam
gemacht werden.

So finden wir denn auch in der kleinen Schrift
über die Farben einen Mann, dem es um das Ver-
ständniß der Alten zu thun ist. Es entgeht ihm nicht,
daß die Farbenbenennungen sehr beweglich sind und
von mancherley Gegenständen gebraucht werden. Er
dringt daher auf den ersten Ursprung der Worte, und
ob wir gleich seinem Etymologisiren nicht immer bey-
stimmen, so folgen wir ihm doch gern und belehren
uns an und mit ihm.

Beyde oben benannte Aufsätze wurden mit seinen
übrigen poetischen Schriften von Conrad Geßner 1545
zu Basel herausgegeben, wobey sich bemerken läßt, daß
ihm seine Zeitgenossen eine gewisse Originalität zuge-
standen, indem sie ihn andern entgegensetzen, die nur
durch Zusammenstellung von Worten und Phrasen der

13 *

gentlich nicht zu Poeten geboren waren, ſo ſchaͤrfte ſich
doch am Alterthum ihr Blick fuͤr die Natur und fuͤr
die Darſtellung derſelben.

Ein Buͤchelchen de coronis gab er 1526 heraus.
Die Anmuth des gewaͤhlten Gegenſtandes zeugt fuͤr die
Anmuth ſeines Geiſtes. Er fuͤhrt in demſelben ſehr
kurz und leicht alle Kraͤnze und Kronen vor, womit
ſich Goͤtter und Heroen, Prieſter, Helden, Dichter,
Schmauſende und Leidtragende zu ſchmuͤcken pflegten,
und man begreift ſehr leicht, wie bey ſolcher Gelegen-
heit ein geſunder Blick auf Farbe mußte aufmerkſam
gemacht werden.

So finden wir denn auch in der kleinen Schrift
uͤber die Farben einen Mann, dem es um das Ver-
ſtaͤndniß der Alten zu thun iſt. Es entgeht ihm nicht,
daß die Farbenbenennungen ſehr beweglich ſind und
von mancherley Gegenſtaͤnden gebraucht werden. Er
dringt daher auf den erſten Urſprung der Worte, und
ob wir gleich ſeinem Etymologiſiren nicht immer bey-
ſtimmen, ſo folgen wir ihm doch gern und belehren
uns an und mit ihm.

Beyde oben benannte Aufſaͤtze wurden mit ſeinen
uͤbrigen poetiſchen Schriften von Conrad Geßner 1545
zu Baſel herausgegeben, wobey ſich bemerken laͤßt, daß
ihm ſeine Zeitgenoſſen eine gewiſſe Originalitaͤt zuge-
ſtanden, indem ſie ihn andern entgegenſetzen, die nur
durch Zuſammenſtellung von Worten und Phraſen der

13 *
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[195/0229] gentlich nicht zu Poeten geboren waren, ſo ſchaͤrfte ſich doch am Alterthum ihr Blick fuͤr die Natur und fuͤr die Darſtellung derſelben. Ein Buͤchelchen de coronis gab er 1526 heraus. Die Anmuth des gewaͤhlten Gegenſtandes zeugt fuͤr die Anmuth ſeines Geiſtes. Er fuͤhrt in demſelben ſehr kurz und leicht alle Kraͤnze und Kronen vor, womit ſich Goͤtter und Heroen, Prieſter, Helden, Dichter, Schmauſende und Leidtragende zu ſchmuͤcken pflegten, und man begreift ſehr leicht, wie bey ſolcher Gelegen- heit ein geſunder Blick auf Farbe mußte aufmerkſam gemacht werden. So finden wir denn auch in der kleinen Schrift uͤber die Farben einen Mann, dem es um das Ver- ſtaͤndniß der Alten zu thun iſt. Es entgeht ihm nicht, daß die Farbenbenennungen ſehr beweglich ſind und von mancherley Gegenſtaͤnden gebraucht werden. Er dringt daher auf den erſten Urſprung der Worte, und ob wir gleich ſeinem Etymologiſiren nicht immer bey- ſtimmen, ſo folgen wir ihm doch gern und belehren uns an und mit ihm. Beyde oben benannte Aufſaͤtze wurden mit ſeinen uͤbrigen poetiſchen Schriften von Conrad Geßner 1545 zu Baſel herausgegeben, wobey ſich bemerken laͤßt, daß ihm ſeine Zeitgenoſſen eine gewiſſe Originalitaͤt zuge- ſtanden, indem ſie ihn andern entgegenſetzen, die nur durch Zuſammenſtellung von Worten und Phraſen der 13 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/229>, abgerufen am 22.05.2024.