Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

In der neuern Zeit brachte die Chemie eine Haupt-
veränderung hervor; sie zerlegte die natürlichen Körper
und setzte daraus künstliche auf mancherley Weise wie-
der zusammen; sie zerstörte eine wirkliche Welt, um
eine neue, bisher unbekannte, kaum möglich geschie-
nene, nicht geahndete wieder hervor zu bauen. Nun
ward man genöthigt, über die wahrscheinlichen Anfänge
der Dinge und über das daraus Entsprungene immer
mehr nachzudenken, so daß man sich bis an unsre Zeit
zu immer neuen und höheren Vorstellungsarten herauf-
gehoben sah, und das um so mehr, als der Chemiker
mit dem Physiker einen unauflöslichen Bund schloß,
um dasjenige, was bisher als einfach erschienen war,
wo nicht in Theile zu zerlegen, doch wenigstens in
den mannigfaltigsten Bezug zu setzen, und ihm eine
bewundernswürdige Vielseitigkeit abzugewinnen. In
dieser Rücksicht haben wir zu unsern Zwecken gegen-
wärtig nur eines einzigen Mannes zu gedenken.


Paracelsus.

geb. 1493. gest. 1543.

Man ist gegen den Geist und die Talente dieses
außerordentlichen Mannes in der neuern Zeit mehr als
in einer früheren gerecht, daher man uns eine Schil-
derung derselben gern erlassen wird. Uns ist er des-
halb merkwürdig, weil er den Reihen derjenigen an-

In der neuern Zeit brachte die Chemie eine Haupt-
veraͤnderung hervor; ſie zerlegte die natuͤrlichen Koͤrper
und ſetzte daraus kuͤnſtliche auf mancherley Weiſe wie-
der zuſammen; ſie zerſtoͤrte eine wirkliche Welt, um
eine neue, bisher unbekannte, kaum moͤglich geſchie-
nene, nicht geahndete wieder hervor zu bauen. Nun
ward man genoͤthigt, uͤber die wahrſcheinlichen Anfaͤnge
der Dinge und uͤber das daraus Entſprungene immer
mehr nachzudenken, ſo daß man ſich bis an unſre Zeit
zu immer neuen und hoͤheren Vorſtellungsarten herauf-
gehoben ſah, und das um ſo mehr, als der Chemiker
mit dem Phyſiker einen unaufloͤslichen Bund ſchloß,
um dasjenige, was bisher als einfach erſchienen war,
wo nicht in Theile zu zerlegen, doch wenigſtens in
den mannigfaltigſten Bezug zu ſetzen, und ihm eine
bewundernswuͤrdige Vielſeitigkeit abzugewinnen. In
dieſer Ruͤckſicht haben wir zu unſern Zwecken gegen-
waͤrtig nur eines einzigen Mannes zu gedenken.


Paracelſus.

geb. 1493. geſt. 1543.

Man iſt gegen den Geiſt und die Talente dieſes
außerordentlichen Mannes in der neuern Zeit mehr als
in einer fruͤheren gerecht, daher man uns eine Schil-
derung derſelben gern erlaſſen wird. Uns iſt er des-
halb merkwuͤrdig, weil er den Reihen derjenigen an-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0239" n="205"/>
          <p>In der neuern Zeit brachte die Chemie eine Haupt-<lb/>
vera&#x0364;nderung hervor; &#x017F;ie zerlegte die natu&#x0364;rlichen Ko&#x0364;rper<lb/>
und &#x017F;etzte daraus ku&#x0364;n&#x017F;tliche auf mancherley Wei&#x017F;e wie-<lb/>
der zu&#x017F;ammen; &#x017F;ie zer&#x017F;to&#x0364;rte eine wirkliche Welt, um<lb/>
eine neue, bisher unbekannte, kaum mo&#x0364;glich ge&#x017F;chie-<lb/>
nene, nicht geahndete wieder hervor zu bauen. Nun<lb/>
ward man geno&#x0364;thigt, u&#x0364;ber die wahr&#x017F;cheinlichen Anfa&#x0364;nge<lb/>
der Dinge und u&#x0364;ber das daraus Ent&#x017F;prungene immer<lb/>
mehr nachzudenken, &#x017F;o daß man &#x017F;ich bis an un&#x017F;re Zeit<lb/>
zu immer neuen und ho&#x0364;heren Vor&#x017F;tellungsarten herauf-<lb/>
gehoben &#x017F;ah, und das um &#x017F;o mehr, als der Chemiker<lb/>
mit dem Phy&#x017F;iker einen unauflo&#x0364;slichen Bund &#x017F;chloß,<lb/>
um dasjenige, was bisher als einfach er&#x017F;chienen war,<lb/>
wo nicht in Theile zu zerlegen, doch wenig&#x017F;tens in<lb/>
den mannigfaltig&#x017F;ten Bezug zu &#x017F;etzen, und ihm eine<lb/>
bewundernswu&#x0364;rdige Viel&#x017F;eitigkeit abzugewinnen. In<lb/>
die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht haben wir zu un&#x017F;ern Zwecken gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtig nur eines einzigen Mannes zu gedenken.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Paracel&#x017F;us</hi>.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">geb. 1493. ge&#x017F;t. 1543</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>Man i&#x017F;t gegen den Gei&#x017F;t und die Talente die&#x017F;es<lb/>
außerordentlichen Mannes in der neuern Zeit mehr als<lb/>
in einer fru&#x0364;heren gerecht, daher man uns eine Schil-<lb/>
derung der&#x017F;elben gern erla&#x017F;&#x017F;en wird. Uns i&#x017F;t er des-<lb/>
halb merkwu&#x0364;rdig, weil er den Reihen derjenigen an-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0239] In der neuern Zeit brachte die Chemie eine Haupt- veraͤnderung hervor; ſie zerlegte die natuͤrlichen Koͤrper und ſetzte daraus kuͤnſtliche auf mancherley Weiſe wie- der zuſammen; ſie zerſtoͤrte eine wirkliche Welt, um eine neue, bisher unbekannte, kaum moͤglich geſchie- nene, nicht geahndete wieder hervor zu bauen. Nun ward man genoͤthigt, uͤber die wahrſcheinlichen Anfaͤnge der Dinge und uͤber das daraus Entſprungene immer mehr nachzudenken, ſo daß man ſich bis an unſre Zeit zu immer neuen und hoͤheren Vorſtellungsarten herauf- gehoben ſah, und das um ſo mehr, als der Chemiker mit dem Phyſiker einen unaufloͤslichen Bund ſchloß, um dasjenige, was bisher als einfach erſchienen war, wo nicht in Theile zu zerlegen, doch wenigſtens in den mannigfaltigſten Bezug zu ſetzen, und ihm eine bewundernswuͤrdige Vielſeitigkeit abzugewinnen. In dieſer Ruͤckſicht haben wir zu unſern Zwecken gegen- waͤrtig nur eines einzigen Mannes zu gedenken. Paracelſus. geb. 1493. geſt. 1543. Man iſt gegen den Geiſt und die Talente dieſes außerordentlichen Mannes in der neuern Zeit mehr als in einer fruͤheren gerecht, daher man uns eine Schil- derung derſelben gern erlaſſen wird. Uns iſt er des- halb merkwuͤrdig, weil er den Reihen derjenigen an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/239
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/239>, abgerufen am 21.11.2024.