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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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was sich nicht mittheilt, sondern innerhalb der Gränzen
seines Gegenstandes gehalten wird, wie das Licht, das
in den Farben verborgen ist, so lange sie nicht von der
Sonne erleuchtet werden. Doch kann man nicht wis-
sen, ob die Farben nicht in tiefer Nacht ihre Lichtlein
umherstreuen."

"Freylich hat dieser Gegenstand die Köpfe der scharf-
sinnigsten Philosophen auf mancherley Weise in Uebung
gesetzt, und wir finden uns gegenwärtig weder im Fal-
le noch im Stande seine Dunkelheit zu enthüllen. Woll-
test Du mir aber den Einwurf machen, die Finsterniß
sey eine Privation und könne deshalb niemals etwas
Positives, niemals eine active Eigenschaft werden, wel-
che nämlich zu strahlen und sich auf den Wänden ab-
zubilden vermöchte; so erwähne ich der Kälte dagegen,
welche auch eine reine Privation ist und doch, bezüg-
lich auf die Materie, als wirksame Eigenschaft er-
scheint."

Das Uebrige werden diejenigen, welche bey der
Sache interessirt sind, bey ihm selbst nachsehen; nur
bemerken wir noch, daß ihm verschiedene Hauptpuncte,
die wir in der Rubrik von den physiologischen Farben
behandelt haben, nicht unbekannt gewesen; daß nämlich
helle und dunkle Bilder von gleichem Maß dem Auge
als verschieden groß erscheinen, daß das Bild im Auge
eine Dauer habe, daß lebhafte Lichteindrücke farbig ab-
klingen. Erwähnt er auch nur beyläufig dergleichen Er-
scheinungen; so bemerkt man mit Vergnügen, wie le-

was ſich nicht mittheilt, ſondern innerhalb der Graͤnzen
ſeines Gegenſtandes gehalten wird, wie das Licht, das
in den Farben verborgen iſt, ſo lange ſie nicht von der
Sonne erleuchtet werden. Doch kann man nicht wiſ-
ſen, ob die Farben nicht in tiefer Nacht ihre Lichtlein
umherſtreuen.“

„Freylich hat dieſer Gegenſtand die Koͤpfe der ſcharf-
ſinnigſten Philoſophen auf mancherley Weiſe in Uebung
geſetzt, und wir finden uns gegenwaͤrtig weder im Fal-
le noch im Stande ſeine Dunkelheit zu enthuͤllen. Woll-
teſt Du mir aber den Einwurf machen, die Finſterniß
ſey eine Privation und koͤnne deshalb niemals etwas
Poſitives, niemals eine active Eigenſchaft werden, wel-
che naͤmlich zu ſtrahlen und ſich auf den Waͤnden ab-
zubilden vermoͤchte; ſo erwaͤhne ich der Kaͤlte dagegen,
welche auch eine reine Privation iſt und doch, bezuͤg-
lich auf die Materie, als wirkſame Eigenſchaft er-
ſcheint.“

Das Uebrige werden diejenigen, welche bey der
Sache intereſſirt ſind, bey ihm ſelbſt nachſehen; nur
bemerken wir noch, daß ihm verſchiedene Hauptpuncte,
die wir in der Rubrik von den phyſiologiſchen Farben
behandelt haben, nicht unbekannt geweſen; daß naͤmlich
helle und dunkle Bilder von gleichem Maß dem Auge
als verſchieden groß erſcheinen, daß das Bild im Auge
eine Dauer habe, daß lebhafte Lichteindruͤcke farbig ab-
klingen. Erwaͤhnt er auch nur beylaͤufig dergleichen Er-
ſcheinungen; ſo bemerkt man mit Vergnuͤgen, wie le-

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[251/0285] was ſich nicht mittheilt, ſondern innerhalb der Graͤnzen ſeines Gegenſtandes gehalten wird, wie das Licht, das in den Farben verborgen iſt, ſo lange ſie nicht von der Sonne erleuchtet werden. Doch kann man nicht wiſ- ſen, ob die Farben nicht in tiefer Nacht ihre Lichtlein umherſtreuen.“ „Freylich hat dieſer Gegenſtand die Koͤpfe der ſcharf- ſinnigſten Philoſophen auf mancherley Weiſe in Uebung geſetzt, und wir finden uns gegenwaͤrtig weder im Fal- le noch im Stande ſeine Dunkelheit zu enthuͤllen. Woll- teſt Du mir aber den Einwurf machen, die Finſterniß ſey eine Privation und koͤnne deshalb niemals etwas Poſitives, niemals eine active Eigenſchaft werden, wel- che naͤmlich zu ſtrahlen und ſich auf den Waͤnden ab- zubilden vermoͤchte; ſo erwaͤhne ich der Kaͤlte dagegen, welche auch eine reine Privation iſt und doch, bezuͤg- lich auf die Materie, als wirkſame Eigenſchaft er- ſcheint.“ Das Uebrige werden diejenigen, welche bey der Sache intereſſirt ſind, bey ihm ſelbſt nachſehen; nur bemerken wir noch, daß ihm verſchiedene Hauptpuncte, die wir in der Rubrik von den phyſiologiſchen Farben behandelt haben, nicht unbekannt geweſen; daß naͤmlich helle und dunkle Bilder von gleichem Maß dem Auge als verſchieden groß erſcheinen, daß das Bild im Auge eine Dauer habe, daß lebhafte Lichteindruͤcke farbig ab- klingen. Erwaͤhnt er auch nur beylaͤufig dergleichen Er- ſcheinungen; ſo bemerkt man mit Vergnuͤgen, wie le-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/285>, abgerufen am 27.11.2024.