Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.Durchsichtigkeit und Weiße haben an und für sich Die Färberey konnte sich leicht und bequem ver- Durchſichtigkeit und Weiße haben an und fuͤr ſich Die Faͤrberey konnte ſich leicht und bequem ver- <TEI> <text> <front> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="XXVI"/> Durchſichtigkeit und Weiße haben an und fuͤr ſich<lb/> ſchon etwas edles und wuͤnſchenswerthes. Alle er-<lb/> ſten Glaͤſer waren farbig; ein farbloſes Glas mit<lb/> Abſicht darzuſtellen gelang erſt ſpaͤtern Bemuͤhun-<lb/> gen. Wenig Geſpinnſte, oder was ſonſt zu Ge-<lb/> waͤndern benutzt werden kann, iſt von Anfang weiß;<lb/> und ſo mußte man aufmerkſam werden auf die ent-<lb/> faͤrbende Kraft des Lichtes, beſonders bey Vermitt-<lb/> lung gewiſſer Feuchtigkeiten. Auch hat man gewiß<lb/> bald genug den guͤnſtigen Bezug eines reinen weißen<lb/> Grundes zu der darauf zu bringenden Farbe in<lb/> fruͤheren Zeiten eingeſehen.</p><lb/> <p>Die Faͤrberey konnte ſich leicht und bequem ver-<lb/> vollkommnen. Das Miſchen, Sudlen und Manſchen<lb/> iſt dem Menſchen angeboren. Schwankendes Taſten<lb/> und Verſuchen iſt ſeine Luſt. Alle Arten von Infu-<lb/> ſionen gehen in Gaͤhrung oder in Faͤulniß uͤber;<lb/> beyde Eigenſchaften beguͤnſtigen die Farbe in einem<lb/> entgegengeſetzten Sinne. Selbſt untereinander ge-<lb/> miſcht und verbunden heben ſie die Farbe nicht auf,<lb/> ſondern bedingen ſie nur. Das Saure und Alca-<lb/> liſche in ſeinem rohſten empiriſchen Vorkommen, in<lb/> ſeinen abſurdeſten Miſchungen wurde von jeher zur<lb/> Faͤrberey gebraucht, und viele Faͤrberecepte bis auf<lb/> den heutigen Tag ſind laͤcherlich und zweckwidrig.</p><lb/> </div> </div> </front> </text> </TEI> [XXVI/0032]
Durchſichtigkeit und Weiße haben an und fuͤr ſich
ſchon etwas edles und wuͤnſchenswerthes. Alle er-
ſten Glaͤſer waren farbig; ein farbloſes Glas mit
Abſicht darzuſtellen gelang erſt ſpaͤtern Bemuͤhun-
gen. Wenig Geſpinnſte, oder was ſonſt zu Ge-
waͤndern benutzt werden kann, iſt von Anfang weiß;
und ſo mußte man aufmerkſam werden auf die ent-
faͤrbende Kraft des Lichtes, beſonders bey Vermitt-
lung gewiſſer Feuchtigkeiten. Auch hat man gewiß
bald genug den guͤnſtigen Bezug eines reinen weißen
Grundes zu der darauf zu bringenden Farbe in
fruͤheren Zeiten eingeſehen.
Die Faͤrberey konnte ſich leicht und bequem ver-
vollkommnen. Das Miſchen, Sudlen und Manſchen
iſt dem Menſchen angeboren. Schwankendes Taſten
und Verſuchen iſt ſeine Luſt. Alle Arten von Infu-
ſionen gehen in Gaͤhrung oder in Faͤulniß uͤber;
beyde Eigenſchaften beguͤnſtigen die Farbe in einem
entgegengeſetzten Sinne. Selbſt untereinander ge-
miſcht und verbunden heben ſie die Farbe nicht auf,
ſondern bedingen ſie nur. Das Saure und Alca-
liſche in ſeinem rohſten empiriſchen Vorkommen, in
ſeinen abſurdeſten Miſchungen wurde von jeher zur
Faͤrberey gebraucht, und viele Faͤrberecepte bis auf
den heutigen Tag ſind laͤcherlich und zweckwidrig.
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