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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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bemerkt mit Grimaldi die Ablenkung des Lichtes und
thut Vorschläge, wie man die Sonne anschauen könne,
ohne geblendet zu werden; richtet eine tragbare Camera
obscura
zu bequemerer Abzeichnung ein und bemüht
sich ums reflectirende Telescop.

Seine Farbenlehre ist freylich barok. Er nimmt
nur zwey Farben an, Blau und Roth; diese sollen
durch schiefe oder ungleiche Erschütterung aufs Auge
erregt werden. Seitdem Descartes die Lehre von dem
Lichte materialisirt und mechanisirt hatte, so können
sich die Denker nicht wieder aus diesem Kreise heraus-
finden: denn diejenigen welche Licht und Farben nicht
materiell nehmen wollen, müssen doch zur mechanischen
Erklärung greifen, und so schwankt die Lehre immer
fort in einem unfruchtbaren Raume, sie mag sich nach
der dynamischen oder atomistischen Seite neigen.

Das Capitel der Farben, die wir epoptische ge-
nannt haben, ist ihm mancherley schuldig. Er macht
auf den Versuch mit den Seifenblasen aufmerksam,
auf die farbigen Kreise im russischen Glase und zwischen
den an einander gedruckten Glasplatten. Doch konnte
er diese Erscheinungen nicht zusammenbringen noch ru-
briciren.

Was von ihm als Secretär der Londner Societät
und als Gegner Newtons zu sagen ist, wird künftig
beygebracht werden.



21 *

bemerkt mit Grimaldi die Ablenkung des Lichtes und
thut Vorſchlaͤge, wie man die Sonne anſchauen koͤnne,
ohne geblendet zu werden; richtet eine tragbare Camera
obscura
zu bequemerer Abzeichnung ein und bemuͤht
ſich ums reflectirende Telescop.

Seine Farbenlehre iſt freylich barok. Er nimmt
nur zwey Farben an, Blau und Roth; dieſe ſollen
durch ſchiefe oder ungleiche Erſchuͤtterung aufs Auge
erregt werden. Seitdem Descartes die Lehre von dem
Lichte materialiſirt und mechaniſirt hatte, ſo koͤnnen
ſich die Denker nicht wieder aus dieſem Kreiſe heraus-
finden: denn diejenigen welche Licht und Farben nicht
materiell nehmen wollen, muͤſſen doch zur mechaniſchen
Erklaͤrung greifen, und ſo ſchwankt die Lehre immer
fort in einem unfruchtbaren Raume, ſie mag ſich nach
der dynamiſchen oder atomiſtiſchen Seite neigen.

Das Capitel der Farben, die wir epoptiſche ge-
nannt haben, iſt ihm mancherley ſchuldig. Er macht
auf den Verſuch mit den Seifenblaſen aufmerkſam,
auf die farbigen Kreiſe im ruſſiſchen Glaſe und zwiſchen
den an einander gedruckten Glasplatten. Doch konnte
er dieſe Erſcheinungen nicht zuſammenbringen noch ru-
briciren.

Was von ihm als Secretaͤr der Londner Societaͤt
und als Gegner Newtons zu ſagen iſt, wird kuͤnftig
beygebracht werden.



21 *
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[323/0357] bemerkt mit Grimaldi die Ablenkung des Lichtes und thut Vorſchlaͤge, wie man die Sonne anſchauen koͤnne, ohne geblendet zu werden; richtet eine tragbare Camera obscura zu bequemerer Abzeichnung ein und bemuͤht ſich ums reflectirende Telescop. Seine Farbenlehre iſt freylich barok. Er nimmt nur zwey Farben an, Blau und Roth; dieſe ſollen durch ſchiefe oder ungleiche Erſchuͤtterung aufs Auge erregt werden. Seitdem Descartes die Lehre von dem Lichte materialiſirt und mechaniſirt hatte, ſo koͤnnen ſich die Denker nicht wieder aus dieſem Kreiſe heraus- finden: denn diejenigen welche Licht und Farben nicht materiell nehmen wollen, muͤſſen doch zur mechaniſchen Erklaͤrung greifen, und ſo ſchwankt die Lehre immer fort in einem unfruchtbaren Raume, ſie mag ſich nach der dynamiſchen oder atomiſtiſchen Seite neigen. Das Capitel der Farben, die wir epoptiſche ge- nannt haben, iſt ihm mancherley ſchuldig. Er macht auf den Verſuch mit den Seifenblaſen aufmerkſam, auf die farbigen Kreiſe im ruſſiſchen Glaſe und zwiſchen den an einander gedruckten Glasplatten. Doch konnte er dieſe Erſcheinungen nicht zuſammenbringen noch ru- briciren. Was von ihm als Secretaͤr der Londner Societaͤt und als Gegner Newtons zu ſagen iſt, wird kuͤnftig beygebracht werden. 21 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/357>, abgerufen am 23.11.2024.