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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Durch Bacons Anlaß und Anstoß war der Sinn
der Zeit auf das Reale, das Wirkliche gerichtet wor-
den. Dieser außerordentliche Mann hatte das große
Verdienst, auf die ganze Breite der Naturforschung auf-
merksam gemacht zu haben. Bey einzelnen Erfahrun-
gen drang er auf genaue Beobachtung der Bedin-
gungen, auf Erwägung aller begleitenden Umstände.
Der Blick in die Unendlichkeit der Natur war geöffnet
und zwar bey einer Nation, die ihn sowohl nach innen
als nach außen am lebhaftesten und weitesten umher-
wenden konnte. Sehr viele fanden eine leidenschaft-
liche Freude an solchen Versuchen, welche die Erfah-
rungen wiederholten, sicherten und mannigfaltiger
machten; andere ergetzten sich hingegen an der nächsten
Aussicht auf Anwendung und Nutzen.

Wie aber in der wissenschaftlichen Welt nicht
leicht ohne Trennung gewirkt werden kann, so findet
man auch hier eine entschiedene Spaltung zwischen
Theorie und Praxis. Man hatte noch in frischem An-
denken, wie die weichende Scholastik durch eine selt-
same Philosophie, durch den Carthesianismus sogleich
wieder ersetzt worden. Hier sah man aufs Neue ein
Beyspiel, was ein einziger trefflicher Kopf auf andere
zu wirken, wie er sie nach seinem Sinne zu bilden
im Stande ist. Wie entfernt man sey die Gesinnun-
gen eines Einzelnen gelten zu lassen, drückte die So-
cietät unter ihrem Wappen durch den Wahlspruch aus:
Nullius in Verba; und damit man ja vor allem All-
gemeinen, vor allem was eine Theorie nur von fern

Durch Bacons Anlaß und Anſtoß war der Sinn
der Zeit auf das Reale, das Wirkliche gerichtet wor-
den. Dieſer außerordentliche Mann hatte das große
Verdienſt, auf die ganze Breite der Naturforſchung auf-
merkſam gemacht zu haben. Bey einzelnen Erfahrun-
gen drang er auf genaue Beobachtung der Bedin-
gungen, auf Erwaͤgung aller begleitenden Umſtaͤnde.
Der Blick in die Unendlichkeit der Natur war geoͤffnet
und zwar bey einer Nation, die ihn ſowohl nach innen
als nach außen am lebhafteſten und weiteſten umher-
wenden konnte. Sehr viele fanden eine leidenſchaft-
liche Freude an ſolchen Verſuchen, welche die Erfah-
rungen wiederholten, ſicherten und mannigfaltiger
machten; andere ergetzten ſich hingegen an der naͤchſten
Ausſicht auf Anwendung und Nutzen.

Wie aber in der wiſſenſchaftlichen Welt nicht
leicht ohne Trennung gewirkt werden kann, ſo findet
man auch hier eine entſchiedene Spaltung zwiſchen
Theorie und Praxis. Man hatte noch in friſchem An-
denken, wie die weichende Scholaſtik durch eine ſelt-
ſame Philoſophie, durch den Cartheſianismus ſogleich
wieder erſetzt worden. Hier ſah man aufs Neue ein
Beyſpiel, was ein einziger trefflicher Kopf auf andere
zu wirken, wie er ſie nach ſeinem Sinne zu bilden
im Stande iſt. Wie entfernt man ſey die Geſinnun-
gen eines Einzelnen gelten zu laſſen, druͤckte die So-
cietaͤt unter ihrem Wappen durch den Wahlſpruch aus:
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gemeinen, vor allem was eine Theorie nur von fern

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[391/0425] Durch Bacons Anlaß und Anſtoß war der Sinn der Zeit auf das Reale, das Wirkliche gerichtet wor- den. Dieſer außerordentliche Mann hatte das große Verdienſt, auf die ganze Breite der Naturforſchung auf- merkſam gemacht zu haben. Bey einzelnen Erfahrun- gen drang er auf genaue Beobachtung der Bedin- gungen, auf Erwaͤgung aller begleitenden Umſtaͤnde. Der Blick in die Unendlichkeit der Natur war geoͤffnet und zwar bey einer Nation, die ihn ſowohl nach innen als nach außen am lebhafteſten und weiteſten umher- wenden konnte. Sehr viele fanden eine leidenſchaft- liche Freude an ſolchen Verſuchen, welche die Erfah- rungen wiederholten, ſicherten und mannigfaltiger machten; andere ergetzten ſich hingegen an der naͤchſten Ausſicht auf Anwendung und Nutzen. Wie aber in der wiſſenſchaftlichen Welt nicht leicht ohne Trennung gewirkt werden kann, ſo findet man auch hier eine entſchiedene Spaltung zwiſchen Theorie und Praxis. Man hatte noch in friſchem An- denken, wie die weichende Scholaſtik durch eine ſelt- ſame Philoſophie, durch den Cartheſianismus ſogleich wieder erſetzt worden. Hier ſah man aufs Neue ein Beyſpiel, was ein einziger trefflicher Kopf auf andere zu wirken, wie er ſie nach ſeinem Sinne zu bilden im Stande iſt. Wie entfernt man ſey die Geſinnun- gen eines Einzelnen gelten zu laſſen, druͤckte die So- cietaͤt unter ihrem Wappen durch den Wahlſpruch aus: Nullius in Verba; und damit man ja vor allem All- gemeinen, vor allem was eine Theorie nur von fern

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/425>, abgerufen am 22.11.2024.