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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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durch den Unterschied der Farben, wiederum müsse
gleichfalls erfrischt werden. Jener Ekel, den wir durch
das längere Ansehen einer Farbe verspüren, rühre nicht
so viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her,
als von der Einrichtung des Auges selbst, vermöge
welcher auch die schönste Farbe durch den allzulang an-
haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und
vielleicht hat die vorsichtige Natur dieses zum Absehen
gehabt, damit wir einen so edlen Sinn nicht immer
mit einer Sache beschäftigen, indem sie unserer Unter-
suchung eine so große Menge darbietet, da sie den Un-
terschied in Abwechselung der Farben weit reizender
machte, als alle Schönheit einer jeden ins besondre."

Wir enthalten uns manche interessante Beobachtung
und Betrachtung hier auszuziehen, um so mehr als
diese Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben-
lehre eigene Hände zu gelangen verdient.


durch den Unterſchied der Farben, wiederum muͤſſe
gleichfalls erfriſcht werden. Jener Ekel, den wir durch
das laͤngere Anſehen einer Farbe verſpuͤren, ruͤhre nicht
ſo viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her,
als von der Einrichtung des Auges ſelbſt, vermoͤge
welcher auch die ſchoͤnſte Farbe durch den allzulang an-
haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und
vielleicht hat die vorſichtige Natur dieſes zum Abſehen
gehabt, damit wir einen ſo edlen Sinn nicht immer
mit einer Sache beſchaͤftigen, indem ſie unſerer Unter-
ſuchung eine ſo große Menge darbietet, da ſie den Un-
terſchied in Abwechſelung der Farben weit reizender
machte, als alle Schoͤnheit einer jeden ins beſondre.“

Wir enthalten uns manche intereſſante Beobachtung
und Betrachtung hier auszuziehen, um ſo mehr als
dieſe Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben-
lehre eigene Haͤnde zu gelangen verdient.


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[578/0612] durch den Unterſchied der Farben, wiederum muͤſſe gleichfalls erfriſcht werden. Jener Ekel, den wir durch das laͤngere Anſehen einer Farbe verſpuͤren, ruͤhre nicht ſo viel von dem uns angeborenen Wankelmuthe her, als von der Einrichtung des Auges ſelbſt, vermoͤge welcher auch die ſchoͤnſte Farbe durch den allzulang an- haltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und vielleicht hat die vorſichtige Natur dieſes zum Abſehen gehabt, damit wir einen ſo edlen Sinn nicht immer mit einer Sache beſchaͤftigen, indem ſie unſerer Unter- ſuchung eine ſo große Menge darbietet, da ſie den Un- terſchied in Abwechſelung der Farben weit reizender machte, als alle Schoͤnheit einer jeden ins beſondre.“ Wir enthalten uns manche intereſſante Beobachtung und Betrachtung hier auszuziehen, um ſo mehr als dieſe Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farben- lehre eigene Haͤnde zu gelangen verdient.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/612>, abgerufen am 22.11.2024.