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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Wo der von Magellan angeführte gedruckte
Brief Beccaria's steht, habe ich nicht finden können.

Einer Täuschung habe ich noch zu erwähnen, die
bey den Versuchen mit Prismen und farbigen Gläsern
vorkommen kann. Die Phosphoren können wirklich bis-
weilen in einer ganz entgegengesetzten, als ihrer ge-
wöhnlichen Farbe, leuchtend erscheinen. Dieß ist dann
der Fall, wenn das Auge des Beobachtenden von ir-
gend einer lebhaften Farbe afficirt war. So sah ich
Bononische Steine, welche im prismatischen Roth weiß-
lich leuchtend werden, im Dunkeln mit grünlichem Lichte
glänzen, wenn ich auch nur flüchtig vorher (ja selbst
eine Minute und länger vorher) in das Roth gesehen
hatte. Wenn ich dieß vermieden hatte, so erschienen
sie weiß oder höchst blaßgelb. Eine ähnliche Verände-
rung der Farbe bemerkte ich auch einmal an den rosen-
rothen Kalkphosphoren, als ich diese vor ein violettes
von der Sonne erhelltes Glas hielt; sie leuchteten mir
nun im Dunkeln rothgelb. Mein Gehülfe dagegen, wel-
cher sich ganz im Dunkeln befunden hatte, versicherte
das schönste rosenrothe Licht zu sehen. Als sich meine
Augen von dem vorigen Eindrucke erholt hatten, er-
schienen auch mir diese Phosphoren im Dunkeln rosen-
roth, so wie sie nun meinem Gehülfen, welcher in das
violette Licht gesehen hatte, gelbroth schienen. Durch
Violett wird, nach bekannten physiologischen Gesetzen
(E. 47. ff.) Gelb im Auge hervorgerufen, so wie durch
Roth Grün, durch Orange Blau, und umgekehrt;
und auf diese Weise entsteht im gegenwärtigen Fall, wie

Wo der von Magellan angefuͤhrte gedruckte
Brief Beccaria’s ſteht, habe ich nicht finden koͤnnen.

Einer Taͤuſchung habe ich noch zu erwaͤhnen, die
bey den Verſuchen mit Prismen und farbigen Glaͤſern
vorkommen kann. Die Phosphoren koͤnnen wirklich bis-
weilen in einer ganz entgegengeſetzten, als ihrer ge-
woͤhnlichen Farbe, leuchtend erſcheinen. Dieß iſt dann
der Fall, wenn das Auge des Beobachtenden von ir-
gend einer lebhaften Farbe afficirt war. So ſah ich
Bononiſche Steine, welche im prismatiſchen Roth weiß-
lich leuchtend werden, im Dunkeln mit gruͤnlichem Lichte
glaͤnzen, wenn ich auch nur fluͤchtig vorher (ja ſelbſt
eine Minute und laͤnger vorher) in das Roth geſehen
hatte. Wenn ich dieß vermieden hatte, ſo erſchienen
ſie weiß oder hoͤchſt blaßgelb. Eine aͤhnliche Veraͤnde-
rung der Farbe bemerkte ich auch einmal an den roſen-
rothen Kalkphosphoren, als ich dieſe vor ein violettes
von der Sonne erhelltes Glas hielt; ſie leuchteten mir
nun im Dunkeln rothgelb. Mein Gehuͤlfe dagegen, wel-
cher ſich ganz im Dunkeln befunden hatte, verſicherte
das ſchoͤnſte roſenrothe Licht zu ſehen. Als ſich meine
Augen von dem vorigen Eindrucke erholt hatten, er-
ſchienen auch mir dieſe Phosphoren im Dunkeln roſen-
roth, ſo wie ſie nun meinem Gehuͤlfen, welcher in das
violette Licht geſehen hatte, gelbroth ſchienen. Durch
Violett wird, nach bekannten phyſiologiſchen Geſetzen
(E. 47. ff.) Gelb im Auge hervorgerufen, ſo wie durch
Roth Gruͤn, durch Orange Blau, und umgekehrt;
und auf dieſe Weiſe entſteht im gegenwaͤrtigen Fall, wie

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[715/0749] Wo der von Magellan angefuͤhrte gedruckte Brief Beccaria’s ſteht, habe ich nicht finden koͤnnen. Einer Taͤuſchung habe ich noch zu erwaͤhnen, die bey den Verſuchen mit Prismen und farbigen Glaͤſern vorkommen kann. Die Phosphoren koͤnnen wirklich bis- weilen in einer ganz entgegengeſetzten, als ihrer ge- woͤhnlichen Farbe, leuchtend erſcheinen. Dieß iſt dann der Fall, wenn das Auge des Beobachtenden von ir- gend einer lebhaften Farbe afficirt war. So ſah ich Bononiſche Steine, welche im prismatiſchen Roth weiß- lich leuchtend werden, im Dunkeln mit gruͤnlichem Lichte glaͤnzen, wenn ich auch nur fluͤchtig vorher (ja ſelbſt eine Minute und laͤnger vorher) in das Roth geſehen hatte. Wenn ich dieß vermieden hatte, ſo erſchienen ſie weiß oder hoͤchſt blaßgelb. Eine aͤhnliche Veraͤnde- rung der Farbe bemerkte ich auch einmal an den roſen- rothen Kalkphosphoren, als ich dieſe vor ein violettes von der Sonne erhelltes Glas hielt; ſie leuchteten mir nun im Dunkeln rothgelb. Mein Gehuͤlfe dagegen, wel- cher ſich ganz im Dunkeln befunden hatte, verſicherte das ſchoͤnſte roſenrothe Licht zu ſehen. Als ſich meine Augen von dem vorigen Eindrucke erholt hatten, er- ſchienen auch mir dieſe Phosphoren im Dunkeln roſen- roth, ſo wie ſie nun meinem Gehuͤlfen, welcher in das violette Licht geſehen hatte, gelbroth ſchienen. Durch Violett wird, nach bekannten phyſiologiſchen Geſetzen (E. 47. ff.) Gelb im Auge hervorgerufen, ſo wie durch Roth Gruͤn, durch Orange Blau, und umgekehrt; und auf dieſe Weiſe entſteht im gegenwaͤrtigen Fall, wie

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/749>, abgerufen am 22.11.2024.