Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Ich fühl', o Mädchen, deinen Geist Der Füll' und Ordnung um mich säuseln, Der mütterlich dich täglich unterweis't, Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt, Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln. O liebe Hand! so göttergleich! Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich. Und hier! Er hebt einen Bettvorhang auf. Was faßt mich für ein Wonnegraus! Hier möcht' ich volle Stunden säumen. Natur! Hier bildetest in leichten Träumen Den eingebornen Engel aus; Hier lag das Kind! mit warmem Leben Den zarten Busen angefüllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte sich das Götterbild! Und du! Was hat dich hergeführt? Wie innig fühl' ich mich gerührt! Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer? Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
Ich fuͤhl’, o Maͤdchen, deinen Geiſt Der Fuͤll’ und Ordnung um mich ſaͤuſeln, Der muͤtterlich dich taͤglich unterweiſ’t, Den Teppich auf den Tiſch dich reinlich breiten heißt, Sogar den Sand zu deinen Fuͤßen kraͤuſeln. O liebe Hand! ſo goͤttergleich! Die Huͤtte wird durch dich ein Himmelreich. Und hier! Er hebt einen Bettvorhang auf. Was faßt mich fuͤr ein Wonnegraus! Hier moͤcht’ ich volle Stunden ſaͤumen. Natur! Hier bildeteſt in leichten Traͤumen Den eingebornen Engel aus; Hier lag das Kind! mit warmem Leben Den zarten Buſen angefuͤllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte ſich das Goͤtterbild! Und du! Was hat dich hergefuͤhrt? Wie innig fuͤhl’ ich mich geruͤhrt! Was willſt du hier? Was wird das Herz dir ſchwer? Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0180" n="174"/> Ich fuͤhl’, o Maͤdchen, deinen Geiſt<lb/> Der Fuͤll’ und Ordnung um mich ſaͤuſeln,<lb/> Der muͤtterlich dich taͤglich unterweiſ’t,<lb/> Den Teppich auf den Tiſch dich reinlich breiten heißt,<lb/> Sogar den Sand zu deinen Fuͤßen kraͤuſeln.<lb/> O liebe Hand! ſo goͤttergleich!<lb/> Die Huͤtte wird durch dich ein Himmelreich.<lb/> Und hier!</p><lb/> <stage>Er hebt einen Bettvorhang auf.</stage><lb/> <p>Was faßt mich fuͤr ein Wonnegraus!<lb/> Hier moͤcht’ ich volle Stunden ſaͤumen.<lb/> Natur! Hier bildeteſt in leichten Traͤumen<lb/> Den eingebornen Engel aus;<lb/> Hier lag das Kind! mit warmem Leben<lb/> Den zarten Buſen angefuͤllt,<lb/> Und hier mit heilig reinem Weben<lb/> Entwirkte ſich das Goͤtterbild!</p><lb/> <p>Und du! Was hat dich hergefuͤhrt?<lb/> Wie innig fuͤhl’ ich mich geruͤhrt!<lb/> Was willſt du hier? Was wird das Herz dir ſchwer?<lb/> Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr.</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0180]
Ich fuͤhl’, o Maͤdchen, deinen Geiſt
Der Fuͤll’ und Ordnung um mich ſaͤuſeln,
Der muͤtterlich dich taͤglich unterweiſ’t,
Den Teppich auf den Tiſch dich reinlich breiten heißt,
Sogar den Sand zu deinen Fuͤßen kraͤuſeln.
O liebe Hand! ſo goͤttergleich!
Die Huͤtte wird durch dich ein Himmelreich.
Und hier!
Er hebt einen Bettvorhang auf.
Was faßt mich fuͤr ein Wonnegraus!
Hier moͤcht’ ich volle Stunden ſaͤumen.
Natur! Hier bildeteſt in leichten Traͤumen
Den eingebornen Engel aus;
Hier lag das Kind! mit warmem Leben
Den zarten Buſen angefuͤllt,
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte ſich das Goͤtterbild!
Und du! Was hat dich hergefuͤhrt?
Wie innig fuͤhl’ ich mich geruͤhrt!
Was willſt du hier? Was wird das Herz dir ſchwer?
Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/180>, abgerufen am 16.02.2025. |