Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Diese Mauern, diese Wände Neigen, senken sich zum Ende; Und wenn wir nicht bald entweichen Wird uns Fall und Sturz erreichen. Bin verwegen, wie nicht einer, Aber weiter bringt mich keiner. Doch was soll ich heut erfahren! War's nicht hier, vor so viel Jahren, Wo ich, ängstlich und beklommen, War als guter Fuchs gekommen? Wo ich diesen Bärtigen traute, Mich an ihrem Schnack erbaute. Aus den alten Bücherkrusten Logen sie mir was sie wußten; Was sie wußten selbst nicht glaubten, Sich und mir das Leben raubten. Wie? - Dort hinten in der Zelle Sitzt noch Einer dunkel-helle! Nahend seh' ich's mit Erstaunen,
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen, Wahrlich wie ich ihn verließ, Noch gehüllt im rauhen Vließ! Damals schien er zwar gewandt, Als ich ihn noch nicht verstand. Heute wird es nichts verfangen, Frisch an ihn herangegangen! Diese Mauern, diese Wände Neigen, senken sich zum Ende; Und wenn wir nicht bald entweichen Wird uns Fall und Sturz erreichen. Bin verwegen, wie nicht einer, Aber weiter bringt mich keiner. Doch was soll ich heut erfahren! War’s nicht hier, vor so viel Jahren, Wo ich, ängstlich und beklommen, War als guter Fuchs gekommen? Wo ich diesen Bärtigen traute, Mich an ihrem Schnack erbaute. Aus den alten Bücherkrusten Logen sie mir was sie wußten; Was sie wußten selbst nicht glaubten, Sich und mir das Leben raubten. Wie? – Dort hinten in der Zelle Sitzt noch Einer dunkel-helle! Nahend seh’ ich’s mit Erstaunen,
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen, Wahrlich wie ich ihn verließ, Noch gehüllt im rauhen Vließ! Damals schien er zwar gewandt, Als ich ihn noch nicht verstand. Heute wird es nichts verfangen, Frisch an ihn herangegangen! <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0110" n="98"/> <lg> <l>Diese Mauern, diese Wände</l><lb/> <l>Neigen, senken sich zum Ende;</l><lb/> <l>Und wenn wir nicht bald entweichen</l><lb/> <l>Wird uns Fall und Sturz erreichen.</l><lb/> <l>Bin verwegen, wie nicht einer,</l><lb/> <l>Aber weiter bringt mich keiner.</l><lb/> </lg> <lg> <l>Doch was soll ich heut erfahren!</l><lb/> <l>War’s nicht hier, vor so viel Jahren,</l><lb/> <l>Wo ich, ängstlich und beklommen,</l><lb/> <l>War als guter Fuchs gekommen?</l><lb/> <l>Wo ich diesen Bärtigen traute,</l><lb/> <l>Mich an ihrem Schnack erbaute.</l><lb/> </lg> <lg> <l>Aus den alten Bücherkrusten</l><lb/> <l>Logen sie mir was sie wußten;</l><lb/> <l>Was sie wußten selbst nicht glaubten,</l><lb/> <l>Sich und mir das Leben raubten.</l><lb/> <l>Wie? – Dort hinten in der Zelle</l><lb/> <l>Sitzt noch Einer dunkel-helle!</l><lb/> </lg> <lg> <l>Nahend seh’ ich’s mit Erstaunen,</l><lb/> <l>Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,</l><lb/> <l>Wahrlich wie ich ihn verließ,</l><lb/> <l>Noch gehüllt im rauhen Vließ!</l><lb/> <l>Damals schien er zwar gewandt,</l><lb/> <l>Als ich ihn noch nicht verstand.</l><lb/> <l>Heute wird es nichts verfangen,</l><lb/> <l>Frisch an ihn herangegangen!</l><lb/> </lg> </lg> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0110]
Diese Mauern, diese Wände
Neigen, senken sich zum Ende;
Und wenn wir nicht bald entweichen
Wird uns Fall und Sturz erreichen.
Bin verwegen, wie nicht einer,
Aber weiter bringt mich keiner.
Doch was soll ich heut erfahren!
War’s nicht hier, vor so viel Jahren,
Wo ich, ängstlich und beklommen,
War als guter Fuchs gekommen?
Wo ich diesen Bärtigen traute,
Mich an ihrem Schnack erbaute.
Aus den alten Bücherkrusten
Logen sie mir was sie wußten;
Was sie wußten selbst nicht glaubten,
Sich und mir das Leben raubten.
Wie? – Dort hinten in der Zelle
Sitzt noch Einer dunkel-helle!
Nahend seh’ ich’s mit Erstaunen,
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,
Wahrlich wie ich ihn verließ,
Noch gehüllt im rauhen Vließ!
Damals schien er zwar gewandt,
Als ich ihn noch nicht verstand.
Heute wird es nichts verfangen,
Frisch an ihn herangegangen!
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