Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Ich vergaß des Wächters Pflichten, Völlig das beschworne Horn; Drohe nur mich zu vernichten, Schönheit bändigt allen Zorn. Helena. Das Uebel das ich brachte darf ich nicht Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick Verfolgt mich, überall der Männer Busen So zu bethören, daß sie weder sich Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt, Verführend, fechtend, hin und her entrückend, Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen, Sie führten mich im Irren her und hin. Einfach die Welt verwirrt' ich, doppelt mehr, Nun dreyfach, vierfach bring' ich Noth auf Noth. Entferne diesen Guten, laß ihn frei; Den Gottbethörten treffe keine Schmach. Faust. Erstaunt, o Königin, seh' ich zugleich Die sicher Treffende, hier den Getroffnen; Ich seh' den Bogen, der den Pfeil entsandt, Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen Mich treffend. Allwärts ahn' ich überquer Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum. Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir Rebellisch die Getreusten, meine Mauern Unsicher. Also fürcht' ich schon, mein Heer Gehorcht der siegend unbesiegten Frau. Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles, Ich vergaß des Wächters Pflichten, Völlig das beschworne Horn; Drohe nur mich zu vernichten, Schönheit bändigt allen Zorn. Helena. Das Uebel das ich brachte darf ich nicht Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick Verfolgt mich, überall der Männer Busen So zu bethören, daß sie weder sich Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt, Verführend, fechtend, hin und her entrückend, Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen, Sie führten mich im Irren her und hin. Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr, Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth. Entferne diesen Guten, laß ihn frei; Den Gottbethörten treffe keine Schmach. Faust. Erstaunt, o Königin, seh’ ich zugleich Die sicher Treffende, hier den Getroffnen; Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt, Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum. Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir Rebellisch die Getreusten, meine Mauern Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer Gehorcht der siegend unbesiegten Frau. Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles, <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0225" n="213"/> <lg> <l rendition="#et">Ich vergaß des Wächters Pflichten,</l><lb/> <l rendition="#et">Völlig das beschworne Horn;</l><lb/> <l rendition="#et">Drohe nur mich zu vernichten,</l><lb/> <l rendition="#et">Schönheit bändigt allen Zorn.</l><lb/> </lg> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/> <p>Das Uebel das ich brachte darf ich nicht<lb/> Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick<lb/> Verfolgt mich, überall der Männer Busen<lb/> So zu bethören, daß sie weder sich<lb/> Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,<lb/> Verführend, fechtend, hin und her entrückend,<lb/> Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,<lb/> Sie führten mich im Irren her und hin.<lb/> Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,<lb/> Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.<lb/> Entferne diesen Guten, laß ihn frei;<lb/> Den Gottbethörten treffe keine Schmach.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Erstaunt, o Königin, seh’ ich zugleich<lb/> Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;<lb/> Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt,<lb/> Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen<lb/> Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer<lb/> Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.<lb/> Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir<lb/> Rebellisch die Getreusten, meine Mauern<lb/> Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer<lb/> Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.<lb/> Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0225]
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
Völlig das beschworne Horn;
Drohe nur mich zu vernichten,
Schönheit bändigt allen Zorn.
Helena.
Das Uebel das ich brachte darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick
Verfolgt mich, überall der Männer Busen
So zu bethören, daß sie weder sich
Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,
Verführend, fechtend, hin und her entrückend,
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
Sie führten mich im Irren her und hin.
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,
Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.
Entferne diesen Guten, laß ihn frei;
Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
Faust.
Erstaunt, o Königin, seh’ ich zugleich
Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt,
Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen
Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |