Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Er verliert sich immer tiefer,
Siehet alle Dinge schiefer,
Sich und andre lästig drückend,
Athem holend und erstickend;
Nicht erstickt und ohne Leben,
Nicht verzweifelnd, nicht ergeben.
So ein unaufhaltsam Rollen
Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
Bald Befreien, bald Erdrücken,
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Heftet ihn an seine Stelle
Und bereitet ihn zur Hölle.
Faust.
Unselige Gespenster! so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
Sorge.
Erfahre sie, wie ich geschwind
Mich mit Verwünschung von dir wende!
Die Menschen sind im gan[z]en Leben blind,
Nun Fauste werde du's am Ende! -
(Sie haucht ihn an.)
Er verliert sich immer tiefer,
Siehet alle Dinge schiefer,
Sich und andre lästig drückend,
Athem holend und erstickend;
Nicht erstickt und ohne Leben,
Nicht verzweifelnd, nicht ergeben.
So ein unaufhaltsam Rollen
Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
Bald Befreien, bald Erdrücken,
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Heftet ihn an seine Stelle
Und bereitet ihn zur Hölle.
Faust.
Unselige Gespenster! so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
Sorge.
Erfahre sie, wie ich geschwind
Mich mit Verwünschung von dir wende!
Die Menschen sind im gan[z]en Leben blind,
Nun Fauste werde du’s am Ende! –
(Sie haucht ihn an.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <sp>
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0329" n="317"/>
              <l rendition="#et">Er verliert sich immer tiefer,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Siehet alle Dinge schiefer,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Sich und andre lästig drückend,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Athem holend und erstickend;</l><lb/>
              <l rendition="#et">Nicht erstickt und ohne Leben,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Nicht verzweifelnd, nicht ergeben.</l><lb/>
              <l rendition="#et">So ein unaufhaltsam Rollen</l><lb/>
              <l rendition="#et">Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Bald Befreien, bald Erdrücken,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Halber Schlaf und schlecht Erquicken</l><lb/>
              <l rendition="#et">Heftet ihn an seine Stelle</l><lb/>
              <l rendition="#et">Und bereitet ihn zur Hölle.</l><lb/>
            </lg>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Unselige Gespenster! so behandelt ihr<lb/>
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;<lb/>
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr<lb/>
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.<lb/>
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,<lb/>
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;<lb/>
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,<lb/>
Ich werde sie nicht anerkennen.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Sorge.</hi> </speaker><lb/>
            <lg type="poem">
              <l rendition="#et">Erfahre sie, wie ich geschwind</l><lb/>
              <l rendition="#et">Mich mit Verwünschung von dir wende!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Die Menschen sind im gan<supplied>z</supplied>en Leben blind,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Nun Fauste werde du&#x2019;s am Ende! &#x2013;</l><lb/>
            </lg>
            <stage>(Sie haucht ihn an.)</stage><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0329] Er verliert sich immer tiefer, Siehet alle Dinge schiefer, Sich und andre lästig drückend, Athem holend und erstickend; Nicht erstickt und ohne Leben, Nicht verzweifelnd, nicht ergeben. So ein unaufhaltsam Rollen Schmerzlich Lassen, widrig Sollen, Bald Befreien, bald Erdrücken, Halber Schlaf und schlecht Erquicken Heftet ihn an seine Stelle Und bereitet ihn zur Hölle. Faust. Unselige Gespenster! so behandelt ihr Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen; Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen. Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los, Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen; Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß, Ich werde sie nicht anerkennen. Sorge. Erfahre sie, wie ich geschwind Mich mit Verwünschung von dir wende! Die Menschen sind im ganzen Leben blind, Nun Fauste werde du’s am Ende! – (Sie haucht ihn an.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/329
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/329>, abgerufen am 22.11.2024.