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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Faust.
Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil,
Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
Mephistopheles.
Versinke denn! Ich könnt' auch sagen: steige!
's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen,
In der Gebilde losgebundne Räume;
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
Faust (begeistert).
Wohl! fest ihn fassend fühl' ich neue Stärke,
Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.
Mephistopheles.
Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn;
Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
Umschwebt von Bildern aller Creatur;
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
Und gehe grad' auf jenen Dreyfuß los,
Berühr' ihn mit dem Schlüssel!
Faust.
Doch im Erstarren such’ ich nicht mein Heil,
Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
Mephistopheles.
Versinke denn! Ich könnt’ auch sagen: steige!
’s ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen,
In der Gebilde losgebundne Räume;
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
Faust (begeistert).
Wohl! fest ihn fassend fühl’ ich neue Stärke,
Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.
Mephistopheles.
Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn;
Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
Umschwebt von Bildern aller Creatur;
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
Und gehe grad’ auf jenen Dreyfuß los,
Berühr’ ihn mit dem Schlüssel!
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[76/0088] Faust. Doch im Erstarren such’ ich nicht mein Heil, Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil; Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure, Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure. Mephistopheles. Versinke denn! Ich könnt’ auch sagen: steige! ’s ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen, In der Gebilde losgebundne Räume; Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen; Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe, Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe. Faust (begeistert). Wohl! fest ihn fassend fühl’ ich neue Stärke, Die Brust erweitert, hin zum großen Werke. Mephistopheles. Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund. Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn; Die einen sitzen, andre stehn und gehn, Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung, Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung. Umschwebt von Bildern aller Creatur; Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur. Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß, Und gehe grad’ auf jenen Dreyfuß los, Berühr’ ihn mit dem Schlüssel!

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/88>, abgerufen am 24.11.2024.