Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Vergebens fragst du den Gefangnen nach;Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde, Die mit dem Schiff' am Ufer warten, auf. Der ältste, den das Übel hier ergriffen Und nun verlassen hat -- es ist Orest, Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter, Sein Jugendfreund, mit Nahmen Pylades. Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild Dianens wegzurauben und zu ihm Die Schwester hinzubringen, und dafür Verspricht er dem von Furien Verfolgten, Des Mutterblutes Schuldigen, Befreyung. Uns beyde hab' ich nun, die Überbliebnen Von Tantals Haus', in deine Hand gelegt: Verdirb uns -- wenn du darfst. Thoas. Du glaubst, es höre Der rohe Scythe, der Barbar, die Stimme Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus, Der Grieche, nicht vernahm? Ein Schauſpiel. Vergebens fragſt du den Gefangnen nach;Sie ſind hinweg und ſuchen ihre Freunde, Die mit dem Schiff’ am Ufer warten, auf. Der ältſte, den das Übel hier ergriffen Und nun verlaſſen hat — es iſt Oreſt, Mein Bruder, und der andre ſein Vertrauter, Sein Jugendfreund, mit Nahmen Pylades. Apoll ſchickt ſie von Delphi dieſem Ufer Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild Dianens wegzurauben und zu ihm Die Schweſter hinzubringen, und dafür Verſpricht er dem von Furien Verfolgten, Des Mutterblutes Schuldigen, Befreyung. Uns beyde hab’ ich nun, die Überbliebnen Von Tantals Hauſ’, in deine Hand gelegt: Verdirb uns — wenn du darfſt. Thoas. Du glaubſt, es höre Der rohe Scythe, der Barbar, die Stimme Der Wahrheit und der Menſchlichkeit, die Atreus, Der Grieche, nicht vernahm? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#IPH"> <p><pb facs="#f0128" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel.</hi></fw><lb/> Vergebens fragſt du den Gefangnen nach;<lb/> Sie ſind hinweg und ſuchen ihre Freunde,<lb/> Die mit dem Schiff’ am Ufer warten, auf.<lb/> Der ältſte, den das Übel hier ergriffen<lb/> Und nun verlaſſen hat — es iſt Oreſt,<lb/> Mein Bruder, und der andre ſein Vertrauter,<lb/> Sein Jugendfreund, mit Nahmen Pylades.<lb/> Apoll ſchickt ſie von Delphi dieſem Ufer<lb/> Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild<lb/> Dianens wegzurauben und zu ihm<lb/> Die Schweſter hinzubringen, und dafür<lb/> Verſpricht er dem von Furien Verfolgten,<lb/> Des Mutterblutes Schuldigen, Befreyung.<lb/> Uns beyde hab’ ich nun, die Überbliebnen<lb/> Von Tantals Hauſ’, in deine Hand gelegt:<lb/> Verdirb uns — wenn du darfſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#THO"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Thoas.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Du glaubſt, es höre</hi><lb/> Der rohe Scythe, der Barbar, die Stimme<lb/> Der Wahrheit und der Menſchlichkeit, die<lb/> Atreus,<lb/> Der Grieche, nicht vernahm?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0128]
Ein Schauſpiel.
Vergebens fragſt du den Gefangnen nach;
Sie ſind hinweg und ſuchen ihre Freunde,
Die mit dem Schiff’ am Ufer warten, auf.
Der ältſte, den das Übel hier ergriffen
Und nun verlaſſen hat — es iſt Oreſt,
Mein Bruder, und der andre ſein Vertrauter,
Sein Jugendfreund, mit Nahmen Pylades.
Apoll ſchickt ſie von Delphi dieſem Ufer
Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild
Dianens wegzurauben und zu ihm
Die Schweſter hinzubringen, und dafür
Verſpricht er dem von Furien Verfolgten,
Des Mutterblutes Schuldigen, Befreyung.
Uns beyde hab’ ich nun, die Überbliebnen
Von Tantals Hauſ’, in deine Hand gelegt:
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/128>, abgerufen am 16.02.2025. |