Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Iphigenie.
Nein! o König, nein!
Ich könnte hintergangen werden; diese
Sind treu und wahr. Wirst du sie anders
finden,
So laß sie fallen und verstoße mich,
Verbanne mich zur Strafe meiner Thorheit
An einer Klippen-Insel traurig Ufer.
Ist aber dieser Mann der langerflehte,
Geliebte Bruder: so entlaß uns, sey
Auch den Geschwistern wie der Schwester
freundlich.
Mein Vater fiel durch seiner Frauen Schuld,
Und sie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung
Von Atreus Stamme ruht auf ihm allein.
Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand,
Hinübergehn und unser Haus entsühnen.
Du hältst mir Wort! -- Wenn zu den Mei-
nen je
Mir Rückkehr zubereitet wäre, schwurst
Du mich zu lassen; und sie ist es nun.
Ein König sagt nicht, wie gemeine Menschen,
Verlegen zu, daß er den Bittenden
Ein Schauſpiel.
Iphigenie.
Nein! o König, nein!
Ich könnte hintergangen werden; dieſe
Sind treu und wahr. Wirſt du ſie anders
finden,
So laß ſie fallen und verſtoße mich,
Verbanne mich zur Strafe meiner Thorheit
An einer Klippen-Inſel traurig Ufer.
Iſt aber dieſer Mann der langerflehte,
Geliebte Bruder: ſo entlaß uns, ſey
Auch den Geſchwiſtern wie der Schweſter
freundlich.
Mein Vater fiel durch ſeiner Frauen Schuld,
Und ſie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung
Von Atreus Stamme ruht auf ihm allein.
Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand,
Hinübergehn und unſer Haus entſühnen.
Du hältſt mir Wort! — Wenn zu den Mei-
nen je
Mir Rückkehr zubereitet wäre, ſchwurſt
Du mich zu laſſen; und ſie iſt es nun.
Ein König ſagt nicht, wie gemeine Menſchen,
Verlegen zu, daß er den Bittenden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0130" n="121"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel.</hi> </fw><lb/>
            <sp who="#IPH">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Nein! o König, nein!</hi><lb/>
Ich könnte hintergangen werden; die&#x017F;e<lb/>
Sind treu und wahr. Wir&#x017F;t du &#x017F;ie anders<lb/>
finden,<lb/>
So laß &#x017F;ie fallen und ver&#x017F;toße mich,<lb/>
Verbanne mich zur Strafe meiner Thorheit<lb/>
An einer Klippen-In&#x017F;el traurig Ufer.<lb/>
I&#x017F;t aber die&#x017F;er Mann der langerflehte,<lb/>
Geliebte Bruder: &#x017F;o entlaß uns, &#x017F;ey<lb/>
Auch den Ge&#x017F;chwi&#x017F;tern wie der Schwe&#x017F;ter<lb/>
freundlich.<lb/>
Mein Vater fiel durch &#x017F;einer Frauen Schuld,<lb/>
Und &#x017F;ie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung<lb/>
Von Atreus Stamme ruht auf ihm allein.<lb/>
Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand,<lb/>
Hinübergehn und un&#x017F;er Haus ent&#x017F;ühnen.<lb/>
Du hält&#x017F;t mir Wort! &#x2014; Wenn zu den Mei-<lb/>
nen je<lb/>
Mir Rückkehr zubereitet wäre, &#x017F;chwur&#x017F;t<lb/>
Du mich zu la&#x017F;&#x017F;en; und &#x017F;ie i&#x017F;t es nun.<lb/>
Ein König &#x017F;agt nicht, wie gemeine Men&#x017F;chen,<lb/>
Verlegen zu, daß er den Bittenden<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0130] Ein Schauſpiel. Iphigenie. Nein! o König, nein! Ich könnte hintergangen werden; dieſe Sind treu und wahr. Wirſt du ſie anders finden, So laß ſie fallen und verſtoße mich, Verbanne mich zur Strafe meiner Thorheit An einer Klippen-Inſel traurig Ufer. Iſt aber dieſer Mann der langerflehte, Geliebte Bruder: ſo entlaß uns, ſey Auch den Geſchwiſtern wie der Schweſter freundlich. Mein Vater fiel durch ſeiner Frauen Schuld, Und ſie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung Von Atreus Stamme ruht auf ihm allein. Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand, Hinübergehn und unſer Haus entſühnen. Du hältſt mir Wort! — Wenn zu den Mei- nen je Mir Rückkehr zubereitet wäre, ſchwurſt Du mich zu laſſen; und ſie iſt es nun. Ein König ſagt nicht, wie gemeine Menſchen, Verlegen zu, daß er den Bittenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/130
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/130>, abgerufen am 18.05.2024.